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Multichannel

Amazon findet Geschmack an Brick and Mortar und Buchläden

Amazon steht auf Studierende: Der Ausbau von Filialen an US-Universitäten geht voran. Zudem kommt ein weiterer Filialtyp ebenfalls gut an - eine Multichannel Buchhandlung, der eine deutsche Filiale folgen könnte.
Bald auch ein Store in Berlin? - Amazon Books in Seattle (Foto: Amazon)
Bald auch ein Store in Berlin? – Amazon Books in Seattle (Foto: Amazon)

Nachdem Amazon im vergangenen Jahr mit einer ersten Filiale an einer Universität von sich Reden machte – dem Pick Up und Dropp Off Store an der Purdue University – hat der Konzern an der University of Cincinnati im Januar 2016 seinen zweiten Store eröffnet.

Diese Filiale ist mit 2.363 ft² (umgerechnet rund 220 m²) Grundfläche ein weiterer Baustein in der Brick and Mortar Strategie des Konzerns. Bislang werden vor allem Services wie Same Day Delivery bei bis zu 2 Millionen Artikeln angeboten. Erstmals bekanntgeworden war dieses Vorhaben im Oktober 2015. Ursprünglich sollte die Filiale bereits im November 2015 eröffnen.

Amazon Store an der University of Cincinnati (Foto: Amazon)
Amazon Store an der University of Cincinnati (Foto: Amazon)

Mit Amazon@Purdue und Amazon@Cincinnati hat der Konzern die ersten beiden Filialen an US-Universitäten in Betrieb. Das Konzept, in dem auch Digital Signage inklusive Small Signage gehört, dürfte weiter in die Tat umgesetzt und ausgerollt werden.

Mit der umworbenen Zielgruppe hat Amazon bislang gute Erfahrungen gemacht: Sie kaufen offenbar recht gerne dort ein. Dafür gibt es einen guten Anknüpfungspunkt für den an Multichannel und Omnichannel interessierten Retail Konzern: den Preis.

Die USA kennen traditionell keine Buchpreisbindung. Besonders Fachbücher können in freien Märkten relativ schnell mit hohen Ausgaben einhergehen.

Wie Amazon während und nach der Eröffnung in Purdue errechnet hat, können Studierende via Amazon ihre Bücher um mindestens 40% günstiger beziehen, so Ripley MacDonald, Amazons Director of Student Programs, im vergangenen Februar gegenüber US-Medien.

In den Filialen an US-Universitäten wird Amazon Daten erheben, um herauszufinden, welche Warengruppen bei den Studis besonders gut ankommen, so MacDonald damals. Sprich: die günstigeren Endkundenpreise sind auch Teil eines Deals „Daten / Informationen gegen günstigere Ware“ zwischen Kunde und Retailer.

Doch Amazon hat als Konzern genügend Spielgeld, um noch deutlich tiefer in den Bereich stationärer Einzelhandel vorzudringen. Das kann man seit Anfang November 2015 in Seattle besonders gut beobachten. Dort hat Amazon seinen weltweit ersten echten Bookstore eröffnet.

Gemeinsamkeit des Amazon Books betitelten Stores mit Amazon@Purdue und Amazon@Cincinnati: die Lage. Denn auch diese Buchhandlung ist im Universitätviertel angesiedelt. Mit 7.400 ft² (rund 688 m²) ist die Buchhandlung in Seattle deutlich größer bemessen als die Shops an den Universitäten.

Graphic Novels und mehr bei Amazon Books in Seattle - Blick auf die Comic Abteilung (Foto: Amazon)
Graphic Novels und mehr bei Amazon Books in Seattle – Blick auf die Comic Abteilung (Foto: Amazon)

Zum Vergleich: eine mittelgroße Buchhandlung in Deutschland ist etwa 200 m² groß. Je nach Laden- und Sortimentsgestaltung snd dort jeweils zwischen 10.000 und 15.000 Bücher vorrätig, so der Börsenverein des Deutschen Buchhandels gegenüber invidis.

Auch wenn eine Eröffnung eines Einzelhändlers vor Ort immer besonders viele Menschen anzieht – und deshalb noch keine Auskunft über die reale Frequenz und erst recht nicht die realen Käufe geben kann – zeigt ein Detail, dass Amazon die Klaviatur auch am PoS ganz gut verinnerlicht hat.

Denn zur Eröffnung von Amazon Books bildeten sich lange Schlangen; war der Laden nach 15 Minuten schon proppenvoll, wie GeekWire vor Ort herausfand. Das Sortiment besteht zum Großteil aus den Büchern, die online am besten gehen und die viele gute Kundenrezensionen auf sich vereinen können.

Das Sortiment vor Ort ist – im Gegensatz zu Online – begrenzt: zwischen 5.000 und 6.000 Titel halten die verschiedenen Abteilungen vorrätig. Präsentiert werden die Bücher mit dem Frontcover zum Kunden. Und ohne Preisangabe. GeekWire vermutet dahinter die Strategie, dass die Kunden auch am Point of Sale zur Nutzung der Amazon App animiert werden sollen.

Ob der Buchmarkt sich mit den an Big Data orientierten Ansätzen von Amazon auch am PoS umkrempeln lässt? – In einer reinen 1:1 Umsetzung könnte dies in dem sehr speziellen Segment Bücher schwieerig werden. Zumindest dann, wenn Amazon es nicht schaffen sollte, die Vorteile des gewohnten Modells am PoS (gut informierte Verkäufer geben personalisierte Tipps) in seinen Algorithmen adäquat zu berücksichtigen.

Der Point of Sale inspiriert deutsche Buchkäufer offenbar besonders (Grafik: Börsenverein des Deutschen Buchhandels)
Der Point of Sale inspiriert deutsche Buchkäufer offenbar besonders (Grafik: Börsenverein des Deutschen Buchhandels)

Auch der deutsche Markt könnte bald einen Amazon Books Store sehen. Daraus macht das Unternehmen keinen Hehl. „Läden einzurichten war immer eine Option. Berlin wäre ein Top-Kandidat für einen Amazon-Laden“, sagte Amazon Deutschland-Chef Ralf Kleber Anfang Dezember 2015 gegenüber dem Tagesspiegel.

Der stationäre Handel ist für Buchkäufer hierzulande der wichtigste Ort, um auf Bücher aufmerksam zu werden, 64% kaufen ihre Bücher beim Stöbern im Laden, fand der Börsenverein des Deutschen Buchhandels in seiner Studie „Buchkäufer und -leser 2015“ heraus, für den er auf valide Daten der GfK zurückgreift.

Der Anteil der Käufer-Ausgaben am reinen Publikumsmarkt (ohne Schul- und Fachbücher) im Online-Buchhandel stieg der Untersuchung zufolge von 2008 zum Jahr 2015 von 19% auf 32%. Nur ein kleiner Teil gehe dabei zu Lasten des stationären Buchhandels.

Gegenüber Online Buchhändlern mussten vor allem sonstige Verkaufsstätten Marktanteile abgeben – etwa in Kaufhäusern. Im stationären Handel geben vor allem die über 60-Jährigen und die Jüngsten bis 19 Jahre Geld für Bücher aus. 20- bis 39-Jährige kaufen Bücher überproportional oft online. Beinahe ein Viertel (24%) der Befragten entdeckt gelegentlich Bücher im Internet und kauft dann im stationären Geschäft, umgekehrt kommt dies seltener vor (17%).

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