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Der Kommentar

Stellenwert der Digital Media im Kommunikationsmix

Bis heute stellt sich das Deutsche Management (Marketingleiter, Produkt- und Kategoriemanager) die unbeantwortete Frage nach dem Stellenwert von Digital Media. Sie kosten Geld, manchmal so viel Geld, dass jedem Finanzminister im Unternehmen die Tränen kommen. Dann folgt wie das Amen in der Kirche die Frage: Was bringen Digital Media? Umsatz, Marktanteile, Deckungsbeiträge oder nur gutes Wetter (Image), das die Werbung halt macht?


Digital Media transportieren Werbebotschaften und sind damit ein Baustein in der Werbung. Ist Werbung nun aber nur ein kleiner Teil des Marketings oder besser der Marketing-Strategie? Gewissermaßen die ungeliebte Mätresse des Marketings, weil alle Werbung als ein Mitläufer des Marketings auf Stöckelschuhen verhungert? Oder ist Werbung tatsächlich der „geheime Verführer“, der die Kunden motivieren soll, Dinge zu kaufen, die er nicht braucht, eigentlich nicht will. Oder die Hure, die unmoralisch die Sittlichkeit untergräbt ? Ist Digital Media die neue Formel, die uns aus der Sackgasse führt? Sind interaktive Digital Media dann letztlich radikal zu Ende gedachtes Marketing?

An Digital Media kommt keiner vorbei

Aufgrund meiner täglichen Beschäftigung mit Digital Media bin ich davon überzeugt, dass trotz negativer Besetzung fast kein Unternehmen in Zukunft an diesem Kommunikationskanal vorbeikommen wird. Digital Media werden auch in Deutschland ein fester Bestandteil des Kommunikationsmix werden. Innovative Hochschulen wie z.B. die University of Applied Management in München/Erding oder die Bayerische Akademie für Werbung und Marketing haben Digital Media schon längst als festen Bestandteil in ihre Lehrpläne aufgenommen und das Potenzial dieses Mediums erkannt.

Per Definition umschreibt der Begriff „Digital Media“ den Einsatz digitaler Medieninhalte bei Werbe- und Informationssystemen, z.B. elektronische Plakate, elektronische Verkehrsschilder, Werbung in Geschäften (Instore-Marketing), digitale Türbeschilderung oder Großbildprojektionen. Die digitalisierten Medieninhalte können meist sehr schnell, zielgerichtet und kostengünstig an externe und interne Veränderungen angepasst werden. Die digitalen Medieninhalte werden über Bildschirme (Screens) dargestellt.

Digital Media sind Bestandteil der Werbung

Digital Media werden heute im benachbarten Europa z.B. auf öffentlichen Plätzen eingesetzt. Dort wird Werbung mittels elektronischer Laufschriften und digitalen Plakaten angezeigt. Auf Bahnhöfen und Flughäfen ist die elektronische Anzeige von An- und Abfahrtszeigen schon länger üblich. In U-Bahnen kann Werbung zielgerichtet nach Uhrzeit zielgruppengerecht angezeigt werden. Auch in Hotels, Reisebüros, Apotheken, Arztpraxen sowie im Groß- und Einzelhandel kommen Digital Media zum Einsatz.

Gerade am Point of Sale oder Point of Drink eröffnet Werbung auf digitalen Screens, professionell eingesetzt, heute viele neue Möglichkeiten, mit potenziellen Kunden zu kommunizieren, sei es um den Aufbau des Marken-Images zu fördern oder um den Kunden direkt zum Kauf eines bestimmten Produkts anzuregen und zu animieren. Letztlich sind Digital Media also nichts anderes als ein neuer, elektronischer Werbekanal im Kommunikationsmix, über den die Werbebotschaft an die Zielgruppe gelangt. Digital Media sind ein Bestandteil der Werbung.

Screens in den Stores aufzuhängen und Content via Internet laufen zu lassen, ist heute also kein Problem mehr. Die Preise für Screens und Flachbildschirme fallen fast täglich, und professionelle Software wie z.B. der Multi Medien Manager von Mdt Medientechnik, NMG von Carlipa oder die exzellenten Lösungen von Cisco sind vorhanden.

Verbrannte Erde und verwaiste Screens

Trotzdem scheinen Digital Media in Deutschland nicht zum Laufen zu kommen; vereinzelte Pilotprojekte haben hier bereits viel verbrannte Erde zurückgelassen. Dies sollte man aber nicht dem Medium an sich zuschreiben, sondern eher der Habgier und der Unbedarftheit einiger wenigen, die sich über ein Litfaßsäulenmodell reich gerechnet und am Ende nur verwaiste Screens an den Wänden zurückgelassen haben.

In meiner langjährigen Praxis habe ich leider feststellen müssen, dass die fehlende Vernetzung und Integration in ein effektives Marketing-Modell der einzelnen Dialoginstrumentarien (Direktmailing, Internet, Mobile Marketing und Digital Media) sowie die mangelnde Kenntnis der Kundenbedürfnisse zu immer höheren Streuverlusten der Werbung führt. Auch wenn es vielen Marketern, Hard- und Softwareherstellern sowie Kreativen nicht gefällt – und das gilt speziell auch für die Erstellung von Digital Media Content: Ausgangspunkt erfolgreicher Werbung ist die systematische und kontinuierliche Analyse der Bedürfnisse und Motive von Menschen, Gruppen und Öffentlichkeiten.

Punkt. Schaut man aber genau hin, dann war und ist die investive Entscheidung z.B. für Digital Media in der Praxis oft ein Hazardspiel nach dem Prinzip „Kopf – du verlierst, Adler – ich gewinne“. Praktizierte Digital Media gleichen oftmals einer Einbahnstraße. „Bang and Hang.“ Da werden Screens montiert, meist ohne langfristiges strategisches Konzept und marktforscherische Begleitung, und bereits vorhandenes Bild- und Filmmaterial in einer Art Zweitverwertung auf die Screens geschoben – in der Hoffnung, eine möglichst hohe Akzeptanz bei den ausgewählten Adressaten und Werbepartnern zu erzielen.

Meist erweisen sich solche Aktionen im Nachhinein als Flop. Glücklich der, der sich den Screen dann noch ins Wohnzimmer hängen kann! Eine Auskunft darüber, warum Digital Media nicht funktionieren, hat man nicht erhalten. Ebenso liegen keine Informationen für eine effektive Optimierung vor. So tappt man weiter im Dunkel, verteufelt dieses Medium und erkennt dessen Stärken nicht.

Die Wahrheit des Kunden zählt

Das Revolutionäre an Digital Media ist, dass wir als Marketer und Werber zum ersten Mal wirklich die Möglichkeit haben, in Echtzeit die richtige Person zur richtigen Zeit am richtigen Ort mit dem richtigen Angebot anzusprechen. Meine Überzeugung als Marketer und Werbepsychologe ist, dass die Entwicklung vom Kleinen zum Großen geht und nicht umgekehrt. Step by Step, Welle für Welle, von Ansprache zu Ansprache. Die Rede ist von der Kundschaft, die sich erst für eine bestimmte Ware oder Dienstleistung überhaupt interessiert. Das Kunststück eines erfolgreichen Digital-Media-Projekts besteht darin, individuelle „Wünsche“ ausfindig zu machen. Nur tun dies die allerwenigsten. Diese Analyseprozedur wird nur selten durchgeführt.

Was wir uns (als Geschäftsführer, Produktmanager, Kategoriemanager oder Werbeagenturen usw.) dabei contentmäßig vorstellen, ist irrelevant; entscheidend ist das, was unsere „Stammwähler“ (Kunden, Käufer, Leser, Hörer) denken. So wie in der Politik funktioniert auch das Prinzip des Marketing. Allein die Wahrheit des Kunden zählt. Digital Media sind demnach auch ein ständiges Ringen um die subjektiven expliziten und impliziten Wahrnehmungen beim Kunden. Erst das Wissen um die individuellen Wünsche und Motive des Kunden erlaubt es einem Unternehmen, nutzenorientierte, erfolgreiche Produkte und Dienstleistungen anzubieten und einen erfolgreichen Dialog via Digital Media zu führen.

Zielgruppen bestehen aus Menschen, nicht Daten

Dabei kann ein falsch verstandenes „Zielgruppenmanagement” auch bei Digital Media sehr viel Geld kosten, ohne dass man dafür auch nur einen Euro als Return wieder zurückerhält. Das generelle Missverständnis fängt schon damit an, bei der Content-Gestaltung Zielgruppen als konstante Größen zu betrachten, die man je nach Bedarf einfach ansprechen kann. Zielgruppen haben oft nur wenig Bezug zu demografischen Daten, zu Berufsmerkmalen, zu sozialen Items, sie haben vielmehr einen viel wesentlich stärkeren Bezug zu Meinungen, Wünschen, Haltungen, Wertungen und momentanen Kundenproblemen sowie Involvement-Situationen.

Die Kunst eines erfolgreichen Digital-Media-Projektes liegt also darin, zu wissen, welche aktuellen Motive und Stimmungslagen die Kunden gerade antreiben – um dieses dann gezielt mit dem entsprechenden Angebot (Content) erfolgreich zu matchen. Nur dann wird es letztlich zu einer Kaufhandlung oder Image-Prägung kommen. Wenn also unsere werblichen Botschaften zum Wahrnehmungsakt wie der Schlüssel zum Schlüsselloch gehören, dann muss diese Kundenbeziehung mittels Marktforschung und unter Beachtung neuropsycholoischer Erkenntnisse (Kahnemann, Scheier und Häusel) in einem fortwährenden Dialog stets neu gefunden werden; die daraus gewonnenen Informationen müssen gezielt für die Konzeption und Gestaltung des Contents eingesetzt werden.

Nur wer gegen den Strom schwimmt, kommt zur Quelle

Digital Media sind also weit mehr als eine digitalisierte Form von Print-Werbemitteln und setzen werbe- und neuropsychologische Kenntnisse sowie ein strategisches Konzept voraus. Wer das bei der Content-Gestaltung für Digital Media nicht beachtet, wird Schiffbruch erleiden. Als Werbepsychologe ist mir dabei aufgefallen, dass Digital Media (diesseits oder jenseits der Marketing-Strategien) tatsächlich zwei ganz unterschiedliche Seiten haben, die auch sehr unterschiedliche Reaktionen beim Zielpublikum auslösen.

Die hässliche Seite erzeugt Widerstände gegen das beworbene Objekt; die gute Seite öffnet die Herzen und fördert die Begehrlichkeit. Das ist zunächst bei der Betrachtung der Gesamtwerbung aller auch nur denkbaren Werbemaßnahmen der Grund für das Nullsummenspiel. Um nicht ständig als Verlierer in diesem Nullsummenspiel herumzuirren, kommt es nicht darauf an, was den Aktionären, Investoren, Direktoren gefällt, sondern nur darauf, was das Zielpublikum des Marktes beflügelt und auf die Wolken hebt. Meist ist es ja so, dass Werbung etwas mit Geschmack, Ästhetik, Ausstrahlung, Anpassungsarrangements zu tun haben will und sollte. Aber gerade die Investoren, die verantwortlichen Unternehmensleiter oder Marketing-Leiter sind von einer extremen Ängstlichkeit besessen, dass sie meinen, stets im Mainstream mitschwimmen zu müssen. Die Devise einer nutzbringenden und Werte aufbesserenden Werbung heißt aber: „Nur wer gegen den Strom schwimmt, kommt zur Quelle.“

Die mit dem Strom zu schwimmen beabsichtigen, ersaufen, sodass auch die meisten und besten vieler Werbeagenturen heute Werbung für den Vorstand machen und nicht für ein Zielpublikum, das in einer Nische auf Novitäten wartet. Marketing kann nur dann erfolgreich betrieben werden, wenn das Unternehmen lebt, wenn es auch weiterleben kann. Wachstum und Leben sind von multifaktoriellen Bedingungen abhängig. Sie betreffen also nicht nur den Lebenswunsch, sondern auch die Fähigkeit, sich mit den neuen und sich immer schneller ändernden Umwelten und Techniken wie z.B. Digital Media auseinanderzusetzen.

Das Phänomen der getrennten Wege

Für den Praktiker ist entscheidend, die Besonderheiten und Stärken der einzelnen Instrumente und Werbeträger zu kennen, um je nach Einzelfall die effektivste Auswahlentscheidung treffen zu können. Dabei schließen sich die einzelnen Instrumente nicht aus, sondern werden oft gemeinsam oder in den unterschiedlichsten Kombinationen und Dosierungen angewendet. Jede Methode arbeitet anders, muss sich aber als Element des Marketings in die übergeordnete Marketing-Strategie einfügen und zielführend sein.

Bevor mit der Realisierung eines Digital-Media-Projekts begonnen werden kann, müssen entsprechende Vorüberlegungen getroffen werden. Dabei ist die Entwicklung eines integrierten Digital-Media-Projekts ein komplexer Vorgang, der sich stringent aus der bereits in der Marketing-Konzeption festgelegten Positionierung des Produkts ableitet. Dieser planerische Vorgang beginnt mit der so genannten Werbevorbereitung, die auf die in der Marketing-Konzeption bereits durchgeführten SWOT-Analysen, Wettbewerbsanalysen und Kundenproblemanalysen zurückgreift und den Rahmen für die Kommunikationsstrategie absteckt.

Leider wird diese Verzahnung von Marketing-Strategie und Werbekonzeption in der Praxis viel zu selten vorgenommen. Zum einen wohl aufgrund mangelnder Kommunikation, zum anderen, weil es schlichtweg keine Marketing-Strategie gibt. Das Resultat sind deswegen sehr oft sehr eigenwillige werbliche Umsetzungen, die alles andere als „on strategy“ sind.

Innovationen kenntlich machen

Aus diesen Gründen plädiere ich auch für eine Aus- und Weiterbildung in den Bereichen der Werbe- und Neuropsychologie, die sich mit dem wechselnden Verhalten des Menschen ständig auseinandersetzt. Eine Werbung ohne Diagnose ist wie eine Therapie im Nebel.

Da wir nicht mehr damit rechnen können, dass eine Innovation als solche erkannt wird, gilt es, diagnostische Möglichkeiten und Handlungsvollzüge zu finden, die eine Innovation auch schnell kenntlich macht. Es gibt keinen Wirtschaftszweig, auf den dieser Algorhytmus nicht zu übertragen wäre.

Autor: Peter Fischer, Ph.D. Dipl.Psychologe Univ., Executive Master in Marketing und Referent auf der 2. Digital-Signage-Konferenz in München.

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