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Das Gehirn vom Informationsmüll befreien

Neuromarketing ist ein Trend, der bei Werbekampagnen Einzug hält. Es ist ein noch junges Forschungsgebiet, das versucht die Erkenntnisse und Einsichten vieler wissenschaftlicher Disziplinen in einem alltagstauglichen Modell zu vereinen. So spielen zum Beispiel Psychologie, Neurologie und Anatomie eine Rolle. Der Naturwissenschaftler Frank Beckmann war viele Jahre im Vertrieb und Marketingbereich verschiedener Pharmafirmen tätig. Er ist Gründer von Neurotrain und berät zum Beispiel die Fachagentur DNS multimedia factory im Bereich Neuromarketing.

Herr Beckmann, was ist das Ziel von Neuromarketing?

Frank Beckmann: Das Ziel ist es, ein besseres Verständnis der Zustände und Prozesse im menschlichen Gehirn und dadurch eine Ableitung über die tatsächlichen Werte, Erwartungen, Bedürfnisse und Interessen von Konsumenten zu erfahren.

Was im Hirn passiert, lässt sich durch Scans, also bildgebende Verfahren, feststellen. Reicht das aus?

Frank Beckmann: Die Aufnahmen erfolgen unter Laborbedingungen, der Konsument befindet sich mit einer Brille in einen Kernspintomographen, der sehr laut ist. Diese Bedingungen sind weit von der Realität entfernt. Wir wissen inzwischen, dass die Gestimmtheit eine wesentliche Rolle bei Kaufentscheidungen darstellt. Außerdem sehen wir immer nur eine Momentaufnahme beziehungsweise lokale Sauerstoffanreicherungen die eine verstärkte Aktivität in bestimmten Gehirnarealen anzeigen. Warum das so ist und inwiefern Stimmung, Prädisposition oder Prägung eine Rolle spielen, lassen sich durch die reinen PET- oder fMRT-Scans nicht bestimmen. Daher ist die Interpretation auf Basis von „bunten Bildern“ immer mit Vorsicht zu genießen. Wichtig ist die Berücksichtung der neuropsychologischen und neurofunktionalen Faktoren.

Wie kann ich mir das vorstellen?

Frank Beckmann: Das Ziel jeder Kampagne  ist ja möglichst viele Menschen zu erreichen, Denkmuster zu implementieren und bestimmte Handlungen auszulösen. Voraussetzung ist aber, dass die Botschaften möglichst leicht die Filter im Gehirn passieren und intensiv verarbeitet werden. Werden hier Fehler gemacht, dann “verweigert” das Gehirn schlicht die Annahme. Das heißt, die Kampagne hat nur mittelmäßigen oder keinen Erfolg. Ein typischer Fehler, den man im Übrigen auch bei großen Agenturen wiederfindet, ist das Senden zu vieler Botschaften auf einmal. Man kann davon ausgehen, dass zwischen 30 bis 60 Prozent der Anzeigen  Informationsmüll beinhalten, die vom Gehirn als überflüssig und anstrengend in der Verarbeitung bewertet werden.

Gibt es eine Faustregel, wie Kampagnen erstellt sein sollten, damit sie erfolgreich wirken?

Frank Beckmann: Eigentlich gibt es mehrere Faustregeln. Wir haben mit DNS multimedia factory einen Kriterienkatalog entwickelt, der zumindest Fehler in der Botschaftsvermittlung vermeiden lässt. Der Katalog bezieht sich auf die neuropsychologische Ebene. Ein wichtiges Kriterium ist zum Beispiel, dass möglichst alle Sinne gleichzeitig angesprochen werden. Auch die, die wir gerne “übersehen”.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Frank Beckmann: Der Geruchsnerv zieht seine Bahn von außen direkt in das limbische Sytem, in dem bekanntermaßen unsere Emotionen generiert werden. Gerüche sind daher in der Lage Emotionen auszulösen. Wird unsere Nase an eine Zahnarztpraxis erinnert, löst das zum Beispiel bei vielen Menschen Ängste aus.

Was raten Sie Kreativen und Werbungtreibenden, bei der Kampagnenkonzeption?

Frank Beckmann: Die Arbeitsweise vieler Agenturen wird  oft von Gestaltern und Textern dominiert. Daher steht häufig die Gestaltung über der Funktion, also der Botschaftsvermittlung. Im Ergebnis sehen viele Kampagnen auf den ersten Blick ganz ansprechend aus, aber eben nur oberflächig. Beim näheren Betrachten fällt auf, dass der Wald – das Informationsrauschen –  nicht aber der Baum – die eigentliche Botschaft – im Vordergrund steht.

Das heißt für die Wirkung?

Frank Beckmann: Eine besondere neuropsychologische Wirkung ist nicht zu erwarten. Vielfach hat man das Gefühl, dass Kampagnen aus dem Bauch heraus geboren werden, mehr zufällig. Das ist für die erste Phase der Ideenfindung auch richtig, aber die nachfolgende Realisierung wird häufig pauschal durchgestaltet. Unser Credo ist daher, dass nach der ersten Ideenfindung bei jeder Entwicklungsstufe einer Kampagne daraufhin überprüft werden sollte, inwieweit die “Hirngängigkeit” berücksichtigt ist.

Sehen Sie einen Trend, dass mehr Agenturen auf Neuromarketing setzen?

Frank Beckmann: Amerikanische Agenturen sind von der Methode begeistert. Sie sind überzeugt, dass positive Assoziationen einen Markenwert bestimmen – und nicht der Geschmack oder die Qualität. Auch Marketingstrategen großer Unternehmen sehen hier ungeahnte Möglichkeiten. Ford, General Motors und auch Daimler Chrysler haben Neuromarketing bereits ansatzweise in ihre Marktforschung integriert.

Im Bereich Digital Signage scheint sich der Trend Neuromarketing auch durchzusetzen.

Vielen Dank für das Gespräch!

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