Anzeige
Casual Friday

Russland verbannt Gérard Depardieu von LED-Screens

Sendepause für den Schauspieler auf DooH-Screens in seiner neuen Heimat. Grund: unlauterer Wettbewerb in einer Außenwerbe-Kampagne. Online treibt Testimonial Depardieu es aber noch doller für eine Bank mit skurrilem Namen, wie das Casual Friday-Team herausfand.
Lächelt jetzt nicht mehr von de "Happy Lipetsk"-Screens: Gérard Depardieu in der DooH-Kampagne einer russischen Bank (Screenshot: invidis.de)
Lächelt jetzt nicht mehr von de „Happy Lipetsk“-Screens: Gérard Depardieu in der DooH-Kampagne einer russischen Bank (Screenshot: invidis.de)

Eigentlich wollte Gérard Depardieu ja durch seinen Wechsel von Wohnort und Staatsbürgerschaft den Fängen der (Steuer-) Bürokratie der Grande Nation entfliehen; jetzt aber muss er sich auch in der neuen – noch etwas größeren – Heimat an Recht und Gesetz halten. Besonders als Testimonial für Finanzprodukte – auch wenn er hin und wieder den Husaren auf dem Dach gibt.

Die Geschichte hat einiges von den von Depardieu so geliebten Stücken Molières: 100% Komödie mit tragischen Anklängen – und alles wahr und echt und aus dem Leben. Ausnahmsweise mussten die dialektisch geschulten Kader des Casual Friday von invidis.de also nichts hinzudichten.

Denn jetzt machten die russischen Kartellwächter im Gebiet Lipetzk deutlich, dass eine DooH-Kampagne der russischen „Sovetsky“-Bank – einer Aktiengesellschaft mit leicht antikapitalistisch angehauchtem Namen – nicht gesetzeskonform ist. Die „Abteilung der föderalen Anti-Monopolbehörde des Gebietes Lipetzk“ (FAS) verbot die Außenwerbe-Kampagne in ihrer bisherigen Form.

Dies dürfte eine der wenigen Kreditkarten weltweit sein, die mit dem Konterfei eines lebenden Schauspielers daherkommt (Screenshot: invidis.de)
Dies dürfte eine der wenigen Kreditkarten weltweit sein, die mit dem Konterfei eines lebenden Schauspielers daherkommt (Screenshot: invidis.de)

Behörde: „Irreführende Werbung“

In der Kampagne, die bisher auf den LED-Screens des russischen Außenwerbers „Happy Lipetzk“ lief, wurde nach Ansicht der russischen Wettbewerbshüter nicht ganz koscher geworben. Mit der Kampagne sollte ein Kredit an den Mann gebracht werden, der noch am Tag der Beantragung ausgezahlt wird. Unter der Bezeichnung „sowjetischer Kredit“ werde in dem Spot ein Kredit beworben, bei dem nicht klar sei, welche genauen Bedingungen und Folgekosten die Bankkunden eingingen, monierte die Wettbewerbsbehörde am 17. Juli 2013. Deshalb habe sie ein Verwaltungsverfahren eingeleitet, so die lokale FAS-Kommission weiter.

Auch gehe aus der Werbung nicht hervor, mit wem genau die Kunden einen Vertrag eingehen würden, heißt es in der Begründung. Beworben wird in dem Spot eine Website der Bank – auf der Depardieu ebenfalls für das Finanzinstitut mit dem an seelige Sowjetzeiten erinnernden Namen und vorgeblich paradiesischen Kreditkonditionen wirbt.

Kreditkarte mit eigenem Konterfei

Merkwürdiges Impressum: Gegründet gut 12 Jahre vor der Bank-Zulassung (Screenshot: invidis.de)
Merkwürdiges Impressum: Gegründet gut 12 Jahre vor der Bank-Zulassung (Screenshot: invidis.de)

Auf der Website soll auch ein eher bizarres Finanzprodukt für rollende Rubel sorgen: Eine mit Depardieus Konterfei verzierte goldene Visa-Card. Allerdings wirkt der stilisierte Gérard deutlich jünger und smarter, als der aktuelle, echte. Was man wohl unter Überzeichnung oder Photoshops Gnaden verbuchen kann. Unter der Bezeichnung „Solch ein Gold…“ soll wohl der Glanz des Schauspielers auf die potenziellen Kreditkartenkunden abfärben. Die Bank wirbt online auch mit einem zweiten Spot, in dem Depardieu die Kreditkarte anpreist. Das Impressum des Kreditininstituts „Sovetsky“ („оветский“ – übersetzt etwa: „Sowjetische Bank“) ist etwas irritierend. Die Bank verfügt nach eigenen Angaben über Filialen in Archangelsk, St. Petersburg und Moskau. Den Angaben zufolge wurde sie bereits 1990 gegründet – verfügt aber nach eigenen Angaben über eine „Lizenz der Zentralbank der Russischen Föderation“ mit der „Nummer 558 vom 16. Juli 2012“.

Diese Unstimmigkeit wird nicht näher erläutert – was ja durch Firmenkäufe, Umbenennungen und die zum Ende der UdSSR hin sehr freie Entfaltung der Marktwirtschaft in Ansätzen erklärbar wäre. Oder eben auch eine mehr als 10 Jahre dauernde Existenz als halblegale Bank bedeuten könnte. Bekannt ist das Institut auch deutschen Wirtschaftsexperten in Russland – über die Seriosität können sie allerdings keine Auskunft geben. Aus Kreisen russischer Banken hingegen heißt es auf Nachfrage, „Sovetsky“ sei „als vertrauenswürdig einzustufen und im russischen Bankenmarkt anerkannt.“

Entwarnung also für alle „Casual Friday“-Leser, die als bekennende Obelix– oder Cyrano von Bergerac-Fans jetzt unbedingt auch so eine schicke Depardieu-Kreditkarte oder einen Kreditvertrag mit Den Ausgebufften von der „Sowjetischen Bank“ abschließen möchten.

Zahlt im Online-Spot mit seinem eigenen guten Namen und Konterfei: Gérard Depardieu (Screenshot: invidis.de)
Zahlt im Online-Spot mit eigenem guten Namen und Konterfei: Gérard Depardieu (Screenshot: invidis.de)

Das betroffene Außenwerbeunternehmen „Happy Lipetzk“ gehört nach Unternehmensangaben seit 2006 zum Außenwerbeverband LANRI-Lipezk Association of Outdoor Advertising and Information („Липецкая Ассоциация Наружной Рекламы и Информации“). Allerdings scheint die Vereinigung seit 2007 keine großen Aktivitäten mehr entfaltet zu haben – auch die ursprüngliche Website des ooH-Verbands gehört nun einem branchenfremden Unternehmen: einer Moskauer Klinik für ästhetische Zahnheilkunde.

„Happy Lipetzk“ ist allerdings aktuell noch in der lokalen (D)ooH-Werbung aktiv. Neben der inkriminierten Bank-Kampagne mit Depardieu laufen Out-of-Home-Kampagnen etwa für lokale Möbelhäuser im aktuellen Portfolio, das aus LED-Screens, Plakatwänden und Webeträgern im Bereich Verkehr besteht. Seit Januar 2013 sind auch private Nachrichten auf den Screens buchbar.

Druschba, Camarade!

Hier könnten Sie öffentlich ein Depardieu-Solidaritäts-Video buchen (Foto: Happy Lipetzk)
Hier könnten Sie ein öffentliches  Depardieu-Solidaritäts-Video buchen (Foto: Happy Lipetzk)

Wer also seinem französisch-russischen Lieblings-Schauspieler jetzt öffentlich eine filmische Botschaft senden möchte, etwa eine Solidaritätsadresse gegen anti-monopolistische und anti-antikapitalistische Werbeverhinderer – der kann dies auf dem „Platz des Sieges“ tun (Karte anbei). Und durch eine Buchung beim Außenwerber dafür sorgen, dass die LED-Screens in Lipetzk nicht länger schwarz und stumm bleiben müssen. Wer weiß, ob die vielleicht sogar geizigen (Molière!) Banker ihren Dienstleister überhaupt fair entlohnen, wenn sie schon nicht senden dürfen.

Und Depardieu? Sieht und hört er das überhaupt? Wohl kaum. Er segelt und schippert aktuell munter werblich für den Sovtravelclub – verlinkt durch die Website der von ihm empfohlenen Bank. Insofern dürfte er die erzwungene Sendepause auf den Außenwerbe-Displays gut verschmerzen. Und lieber weltweit mit der eigenen Sowjet-Depardieu-Visa-Card einkaufen. Дружба, Monsieur Depardieu. Pardon: Druschba!

Anzeige