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Interview

"Man braucht Ausdauer" - LCD-Erfinder Martin Schadt wird 75

Martin Schadt ist der Vater der modernen LCD-Technologie. Auch heute ist er gefragter Berater für Forschung und Industrie. Im invidis-Interview zu seinem 75. spricht er über den Charme von LCD und OLED.
Martin Schadt, Gewinner des Europäischen Erfinderpreises 2013 in der Kategorie Lebenswerk feiert heute seinen 75. Geburstag ( Foto: EIA/Michael Kooren)
Martin Schadt, Gewinner des Europäischen Erfinderpreises 2013 in der Kategorie Lebenswerk feiert heute seinen 75. Geburstag ( Foto: EIA/Michael Kooren)

Im Jahr 1970 erfand der Physiker Martin Schadt in einem Labor des Pharma-Unternehmens F. Hoffmann-La Roche in Basel die LCD-Anzeige. Außerdem hat der Schweizer, der am heutigen Freitag seinen 75. Geburtstag feiert, das erste OLED-Patent angemeldet.

Die Liste der internationalen Auszeichnungen für seine Forschungen wird beständig länger – zuletzt erhielt Martin Schadt den Europäischen Erfinderpreis 2013 für sein Lebenswerk, der vom Europäischen Patentamt (EPO) verliehen wird. Auch die Society for Information Display (SID) zeichnete ihn mehrfach aus.

Schadt schuf die Grundlage für LCD-Anzeigen und -Displays: Er entdeckte, dass sich einzelne Pixel mit Elektrizität so beeinflussen lassen, dass sich ihre Durchlässigkeit ändert und sie entweder lichtdurchlässig oder lichtundurchlässig werden.

Elektriker, Physiker, Unternehmensleiter

Neben der Tätigkeit als Forscher hat Schadt, der nach Elektriker-Lehre und Abendkursen sowie Studium an der Uni Basel promovierte auch eine Begabung fürs Geschäft: Martin Schadt leitete bis 1994 die Forschungsabteilung für Flüssigkristalle bei Roche, bis diese als Rolic Ltd. ausgegliedert wurde. Bis zu seiner Pensionierung im Oktober 2002 war Martin Schadt als CEO und Vorstandsmitglied bei Rolic tätig.

Gute Gründe, sich mit ihm über die Branche zu unterhalten – wenn man ihn erwischt. Denn Schadt ist weiterhin weltweit als Berater und Forscher unterwegs.

invidis: Herr Dr. Schadt, Sie gelten als Erfinder der LCD-Anzeige und haben die nicht-mechanische, optische Orientierung von Flüssigkriatellen mittels polarisiertem UV-Licht auf den Weg gebracht. Zugleich haben Sie das erste OLED-Patent erhalten. Wie fühlt man sich als Vater der modernen Displaytechnik?

Martin Schadt: Ich bin stolz darauf, dass meine Arbeiten auf dem Gebiet der flachen Bildschirme bis heute zum Erfolg der Flüssigkristalldiplays (LCDs) und der Weiterentwicklung der Flüssigkristallmaterialforschung und Entwicklung (LCs) beitragen. Auch über die kürzliche Entwicklung von OLED-Displays freue ich mich; Konkurrenz ist immer anregend. 1970, am Anfang der heutigen Feldeffekt LCD-Technologie, war nicht absehbar, in welchem Ausmass sich LCDs schlussendlich gegen die damaligen potentiellen Konkurrenztechnologien durchsetzten würden. Die Kombination von funktionellen organischen Materialien (LCs) und Elektronik wurde von vielen skeptisch beurteilt.

Präsident Benoît Battistelli (l.) übergibt Martin Schadt die Auszeichnung (Foto: EIA/Michael Kooren)
Preisübergabe: EPO-Präsident Benoît Battistelli (l.) übergibt Martin Schadt die Auszeichnung (Foto: EIA/Michael Kooren)

Als einzige Display-Technologie können LCDs sowohl passiv, also unter Verwendung des Umgebungslichtes, als auch aktiv, d.h. selbstleuchtend (via Hintergrundbeleuchtung) betrieben werden. Dies eröffnet die Möglichkeit, praktisch alle denkbaren Displayanwedungen mit einer einzigen Technologie zu realisieren. Diese Eigenschaft, sowie die Möglichkeit, interdisziplinär auf den Gebieten der Physik, der Materalforschung und der Elektronik tätig zu sein, waren und sind für mich eine wichtige Motivation.

invidis: Welche Ihrer grundlegenden Erfindungen gefällt Ihnen besser – und warum? Gibt es dafür eher technische Gründe, oder gefällt Ihnen die bisherige Umsetzung mehr?

Martin Schadt: Natürlich freut mich eine Erfindung mit großem kommerziellen Erfolg besonders; andererseits waren oft anfänglich wenig anwendungsorientierte Arbeiten eine Vorstufe auf dem Weg zu wichtigen technologischen Durchbrüchen. Ein Beispiel ist die Photo-Orientierungstechnologie, welche die heutigen hochauflösenden LCDs, sowie viele neuartige optische Polymerfilme ermöglicht.

Als ich die Technologie in den frühen 1990er Jahren mit meinen damaligen Mitarbeitern bei F. Hoffmann La Roche, Basel, erfand und trotz vieler Bedenken weiterentwickelte, war ich überzeugt, dass sie völlig neue Möglichkeiten – die wir patentierten – eröffnen würde. Allerdings war 1990 nicht vorhersehbar, dass die Technologie bereits 1994 die Grundlage zur Gründung der Spin-Off Firma Rolic bilden würde und heute die Herstellung von hochauflösenden TV-LCDs und 3D-LCDs ermöglicht.

invidis: Da Sie als Physiker und auch als Unternehmenslenker tätig waren und sind: Was bereitet Ihnen größeres Vergnügen? Die Arbeit im Labor und als Forscher – oder die Umsetzung von Grundlagenforschung zu Produkten und Vorprodukten?

Hätten sich die Bedenkenträger durchgesetzt, wäre die Geschichte des LCD-Displays anders verlaufen (Foto: Sharp)
Hätten sich die Bedenkenträger durchgesetzt, wäre die Geschichte des LCD-Displays anders verlaufen (Foto: Sharp)

Martin Schadt: Mich interessieren unkonventionelle Fragestellungen und Problemlösungen. Daher meine Vorliebe für nicht ausgetretene neue Pfade. Es macht mir Spaß zu lernen und auf einem Gebiet das mich interessiert, kompetent zu werden. Das Erkennen und Lösen schwieriger wissenschaftlich-technologischer Probleme bedingt Phantasie und Neugier – sowie eine hohe Frustrationstoleranz gegenüber Fehlschlägen und eine optimistische Grundhaltung gegenüber Menschen und Problemen. Dies, sowie die Fähigkeit, vernetzt zu denken und kalkulierbare Risiken einzugehen, sind sowohl in der Forschung, als auch als Unternehmer wichtig.

invidis: Am heutigen Freitag vollenden Sie Ihr 75. Lebensjahr. Sind Sie noch weiterhin forschend und beratend tätig?

Martin Schadt: Ja, ich arbeite ca. 30% als Konsultent für Universitäten und Industrie, vor allem in den USA und Fernost. Dazu gehört die aktive Teilnahme an wissenschaftlichen Tagungen und Tätigkeiten als Reviewer für wissenschaftliche Zeitschriften.

invidis: Ein Ausblick in die nahe Zukunft: Wird es in fünf oder 15 Jahren überhaupt noch Bewegtbild-Inhalte auf 2D-Displays geben – oder werden wir in ein reines 3D-Zeitalter eintreten?

Martin Schadt: Ich glaube nicht, dass künftig ausschließlich 3D-Bilder verlangt werden. In welchem Ausmass 3D der Durchbruch im Kino gelingt, hängt wesentlich davon ab, ob 3D-Inhalte vorhanden sein werden und ob sie ein Thema bereichern. Einem Film mit spektakuläre 3D-Aufnahmen Leben einzuhauchen genügt nicht. Natürlich macht auch 2D-Inhalte durch 3D darzustellen keinen Sinn. Bei allen professionellen Anwendungen jedoch, beispielsweose bei Molecular Modelling, oder dem Design von Maschinen, Gebäuden ist 3D unerlässlich und wird sich rasch weiter etablieren.

Zu Ihrem Geburtstag wünschen wir Ihnen alles Gute – und bedanken uns für das Gespräch!

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