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Serie Banking 2.0

Direktbank ist nur Nebenbank - Multichannel-Filiale bevorzugt

Eine neue Studie zeigt, dass über 90 % der Deutschen nicht auf die klassische Hausbank verzichten wollen - reine Direktbanken akzeptieren sie nur als Neben-Anbieter. Aber: 55 % der Bankkunden präferieren digitalisierte Multichannel-Filialen, wie eine weitere Studie unter Bankkunden in der Schweiz und Deutschland zeigt. Ein zu dünnes Filialnetz würde zur Abwanderung der Kunden führen.
Schweizer Bankkunden technologie-affiner als deutsche - Genfer Kantonalbank (Foto: BCGE - Fred Merz /Agence Rezo)
Schweizer Bankkunden technologie-affiner als deutsche – Genfer Kantonalbank (Foto: BCGE – Fred Merz /Agence Rezo)

Da nützt wohl auch die Bandenwerbung im Fußballstadion nicht viel: Wenn Institute wie die Bayern LB-Tochter DKB mit Claims wie „DKB – Ihre Direktbank“ werben, können sie nur begrenzt punkten und Kunden gewinnen. Inzwischen sind mit 23 % der Deutschen nahezu ein Viertel Kunden bei einer Online- beziehungsweise Direktbank, wie die aktuelle Bankkundenstudie der Hamburger Unternehmensberatung Kampmann, Berg & Partner zeigt. Befragt wurden dazu 1.000 Deutsche zwischen 18 und 69 Jahren.

Dennoch, trotz allgemeiner Online-Affinität und daytradenden Rentnern mit sieben Online-Depots und Fremdwährungskonten in Norwegischen Kronen, Australischem Dollar und Renminbi gilt: Direktbank gleich Nebenbank. Zumindest ist dies für Retail Banken in Deutschland Realität. Und auch in Österreich oder der Schweiz gibt es noch eine traditionelle Bindung an die klassische Filialbank als Haus- beziehungsweise Hauptbank. Auch, wenn beispielweise die Schweizer generell das mit Abstand im Kanal Mobile aktivste Volk in den drei DACH-Ländern sind.

Von Starbucks lernen, heißt siegen lernen: Lounge in der "Filiale der Zukunft" Q110 (Foto: Deutsche Bank)
Von Starbucks lernen, heißt siegen lernen: Lounge in der „Filiale der Zukunft“ Q110 (Foto: Deutsche Bank)

Gründe, sich auf Geschäftmodelle des 20. Jahrhunderts zurückzuziehen, gibt es keine. Der „Bankbeamte“ mit Ärmelschonern, die abgewetzten Teppiche aus den 1980ern und horrende Gebühren haben in den vergangenen Jahren schließlich zum Filial-Sterben beigetragen. Zwischen 2004 und 2014 hat die Dichte der Filialbanken in Deutschland um etwa 30 % abgenommen. Und noch 2013 hat eine Studie von Roland Berger herausgefunden, dass rund 75 % der hiesigen Banken ihr Netz an Filialen weiter ausdünnen wollen. Das korrespondiert allerdings nicht mit den Wünschen der Bankkunden.

Ein reines Onlinemodell wollen auch die technikaffinen Zielgruppen nicht. Im Gegenteil: Etwa 55 % der deutschen und Schweizer Bankkunden erwarten heutzutage innovative Filialen. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie Digitale Revolution im Retail-Banking, die die Berater von Roland Berger und Visa kürzlich veröffentlichten (3.000 Kontoinhaber in beiden Ländern). Angesagt sind demnach Beratungsgespräche in einer Wohlfühlatmosphäre. Die muss aber nicht so teuer sein, wie die Einrichtung in der Lounge des Hamburger Hotels Atlantic. Wohlfühlatmo à la Starbucks reicht den Kunden vollkommen aus – kein Grund also, beim Thema Investition in die Filialen gleich in Schnappatmung zu verfallen.

Auch Quick and Dirty-Konzepte haben eine Chance – wenn sie nicht zu dirty sind: Eine Bankfiliale beim Aldi oder Lidl kann sich ein Viertel der Befragten vorstellen. Projekte in Nachbarländern – wie bei Barclays – zeigen, wie das gehen und auch angenehm ausschauen kann. Moderne und innovative Filialen sind nicht ausschließlich etwas für junge Zielgruppen, die außer einem hohen Dispo kaum Geschäft mitbringen. Denn auch in der Gruppe der 50- bis 65-Jährigen wollen 53 % eine zeitgemäße Bankfiliale von innen sehen.

Commerzbank: Videokasse im Berliner Flagship (Foto: Commerzbank)
Commerzbank: Videokasse im Berliner Flagship (Foto: Commerzbank)

Nähe zu einer Filiale ist für 62 % der Befragten dieser Studie ein wesentliches Auswahl- respektive Killerkriterium: Eine schicke Flagship-Bank in 300 Kilometer Entfernung reicht also bei weitem nicht aus. Aktuell nutzen die Kunden 2,4 Kanäle; der Kanalwechsel im Retail Banking ist allerdings noch eher selten, so die Experten von Roland Berger. Wichtig: Die Kunden wollen die nahe Filiale – und 63% von ihnen verfahren nach dem Motto Online first, tätigen also online diverse Geschäfte, die prioritär angewickelt werden müssen. Bei gleichen Konditionen schließen 64 % der Befragten ein Geschäft lieber in der Filiale ab. Informationen über komplexe Finanzprodukte möchte man zuerst bei der Hausbank (62 %) einholen – eine entsprechende eingehende Beratung dazu wünscht man sich ebendort oder zuhause (65 %). Zudem wird der Kanal Mobile – von dem im Prinzip jedes ernstzunehmende Multichannel-Projekt im Handel und Banking ausgeht – immer wichtiger.

Beim Unterschied zwischen der Schweiz und Deutschland zeigt sich erwartungsgemäß, dass die Eidgenossen innovativer sind. Hintergrund dürften die traditionell besseren und schnelleren Abdeckungen mit Mobile-Technologie durch große Telcos und Mobilfunker sein (siehe Grafik). Beim Payment bringen die Kunden Apple Pay sowie PayPal jeweils ein hohes Vertrauen entgegen – ein ebenfalls aus dem Einzelhandel bekanntes Phänomen. In beiden Ländern gibt es zudem eine große Offenheit gegenüber Chats und Videokassen (etwa 25 % der Bankkunden und sogar 41 % der Kunden von reinen Onlinebanken).

Schweizer und deutsche Bankkunden im Vergleich (Grafik: Roland Berger)
Schweizer und deutsche Bankkunden im Vergleich (Grafik: Roland Berger)

Beide Studien zeigen, dass Kunden in den Filialen keinesfalls auf persönliche Beratung verzichten möchten. Die Bank vor Ort soll diskrete Beratungszonen vorhalten. Das fordern etwa 90 % der von Kampmann, Berg & Partner befragten Menschen ein.

Bei aller Begeisterung für schicke Filialen: Zu viel Chi Chi und Starbucks kann deutlich nach hinten losgehen – insofern dürfen Finanzinstitute es auch nicht übertreiben, meinen die Hamburger Consultants. „Kunden erwarten in der Filiale neben Bankservices vor allem seriöse Beratung, also das Kerngeschäft“, sagt Dr. Thomas Nitschke, Partner bei Kampmann, Berg & Partner. „Hingegen sind Lounge-Möbel mit Tablet-PC und Espresso-Bar ein zweischneidiges Schwert: Nur wenige Kunden sind davon wirklich überzeugt, aber fast jeder fünfte Kunde lehnt sie klar und deutlich ab.“

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