Branchenreport – Lebensmittelhandel Teil I, Seite 1

Von Oliver Schwede, invidis consulting GmbH

Der Kauf von Gütern des täglichen Bedarfes ist heute kein reines Vergnügen mehr. Die schier unendliche Auswahl an Produkten überfordert den Kunden. Da wundert es wenig, dass neu eingeführte Marken kaum eine Chance haben, in diesem umkämpften Markt Fuß zu fassen.

Eine Untersuchung von GfK und Serviceplan aus dem Jahre 2006 kommt zu dem Ergebnis, das 70 % aller neu eingeführten Artikel im Bereich der Fast Moving Consumer Goods (FMCG) nach nur zwölf Monaten ausgelistet werden. Fast 60 % der Flops scheitern am schwachen Konzept und 40 % an der Umsetzung am PoS.

Dabei ist gerade die Kommunikation am PoS besonders wichtig. Denn wie die Unternehmensberatung Roland Berger 2005 im Zuge einer Erhebung unter 2109 Haushalten feststellte, werden 65 % aller Kaufentscheidungen direkt am Point of Sale gefällt.

(c) Metro GroupDer Konsument im Wandel

Seit 2003 wird der deutsche Handel von dem Slogan „Geiz ist geil“ verfolgt. Was ursprünglich von der Agentur Jung van Matt als Slogan für die Elektronikhandelskette Saturn erdacht wurde, entwickelte eine Eigendynamik, die sich auf den gesamten Handel auswirkte. Nach dem Motto „Es geht auch billiger“ gingen die Verbraucher gnadenlos auf Schnäppchenjagd.

Mittlerweile ebbt dieser Trend wieder ab, wie Experten herausgefunden haben wollen. Der Bremer Unternehmensberater Peter Kruse von der Firma Nextpractice belegt in einer Studie zum Einkaufsverhalten von Online-Shoppern, dass die als sehr preisbewusst geltenden Käufer zwar sehr rational agieren, aber sich sehr emotional verhalten, wenn es um Produkteigenschaften geht. Für Kruse ein Zeichen dafür, dass der Zenit der Geiz-ist-Geil-Mentalität mittlerweile überschritten ist.

Achim Fringes, Experte für das noch junge Fachgebiet des Neuro-Merchandising bestätigt diesen Wandel. In seinem Buch „Brainshopping“ erläutert er, wie sehr die Kaufentscheidungen von unseren Emotionen abhängen und wie wenig wir diese beeinflussen können.

Der Käufer, das unbekannte Wesen

Veränderungen finden auch in der Klassifizierung von Kundengruppen statt. Die traditionellen Modelle, die Käufer nach Einkommensgruppen, sozialem Status und den Kaufgewohnheiten einteilen, verlieren immer mehr ihre Berechtigung.

Die klassischen Definitionen sind mittlerweile überholt und orientieren sich nicht an den real existierenden Käuferzielgruppen, auf die der Handel heute trifft.

Bestes Beispiel ist der Lebensmitteldiscounter Aldi. Dort kaufen auch Menschen ein, die auf Grund ihres sozialen Status und ihrer Einkommensverhältnisse eigentlich im Supermarkt zu finden sein müssten.

Der Kunde ist sprunghaft geworden. Oder positiv ausgedrückt: wesentlich dynamischer, als es die eingefahrenen Denkmodelle überhaupt zulassen. Experten sprechen von einem Hybrid-Käufer.

Erschwerend kommt hinzu, dass die Ansprüche der Kunden regional starken Unterschieden unterworfen sind. Eine Umfrage von Cap Gemini aus dem Jahre 2002 belegt, das 76 % der Kunden in Sachsen eine klare Preisauszeichnung für sehr wichtig erachten. In Bayern trifft dies jedoch nur auf 29 % der Kunden zu.