Vor einem Produkt von BMG MIS aus Ulm wird schon so ziemlich jeder einmal gestanden haben – etwa den Anzeigen an den Bahnsteigen deutscher Bahnhöfen. An vielen Orten sind noch die Modelle der vormaligen AEG MIS zu sehen. Nicht ausschließlich, weil die Anzeiger so langlebig sind.
Denn obwohl AEG MIS / BMG MIS in der Branche einen guten Ruf hat: End of Life ist End of Life. Dann ist eine Neuinvestition fällig. Eigentlich.
Doch defekte und kaum regelmäßig gewartete Anlagen lassen sich nicht nur an Bahnhöfen der Deutschen Bahn recht schnell finden. Grund ist ein Umstand, den damalige BMG MIS Geschäftsführer öffentlich beklagte: ein großer Investitionsstau bei kleinen und großen Infrastrukturprojekten in ganz Europa.
Die BMG MIS hatte sich nicht über Wasser halten können. Anfang Juni 2015 stellte die Firma einen Insolvenzantrag, um in Eigenverwaltung das in Schieflage geratene Unternehmen zu stützen.
Das Amtsgericht Ulm eröffnete schließlich zwei Monate später, zum 1. August 2015, die Insolvenzverfahren über das Vermögen der BMG MIS GmbH und ihrer kleinen Schwester BMG Engineering und ordnete für beide Gesellschaften die Eigenverwaltung an.
Bei BMG MIS – das Kürzel MIS steht für Moderne Informationssysteme – hatte es düster ausgesehen: Statt wie bislang jährlich durchschnittlich 23 Millionen Euro setzte man zuletzt deutlich weniger um. Dafür machte die damalige Geschäftsführung den starken Einbruch des Russland-Geschäfts verantwortlich. Allerdings gab es in der Presse sowie vonseiten der Arbeitnehmer auch den dezenten Hinweis, dass der Neubau, den sich BMG MIS vor wenigen Jahren leistete, mit Kosten von 18 Millionen Euro für das Unternehmen ebenfalls eine zu große Belastung gewesen sein könnte.
Jetzt ist der Hersteller von Fahrgastinformationssystemen, der sich zuletzt stets als und Europas einziger verbliebener LCD Produzent bezeichnete, gerettet. Das betrifft auch die Arbeitsplätze: 80 von zuvor insgesamt 110 Mitarbeitern können bleiben.
Der Käufer kommt aus den USA: Die Luminator Technology Group (LTG) kommt aus der Branche und kann als strategischer Investor betrachtet werden. Ein weiteres Beispiel für die branchenintern laufende Konsolidierungswelle, die ein international feststellbares Phänomen ist.
Wer genau ist der Retter? – Die 2010 als Merger aus mehreren US-Firmen, die teilweise seit den 1920er Jahren im Lighting Business aktiv waren, entstandene LTG ist Hersteller und Integrator für Display- und Beleuchtungstechnologie, der sich auf Kunden aus der Bus-, Bahn- und Luftfahrtindustrie konzentriert.
Markennamen aus dem LTG Universum sind Luminator, TwinVision und VSN sowie Axion, die man im Jahr 2014 erworben hat. In Europa ist LTG mit verschiedenen spezialisierten Töchtern und deren Marken aktiv, teilweise schon seit Ende der 1980er Jahre. Denn auch Lawo (Lawo Informationssysteme GmbH) aus Rastatt in Deutschland, Focon (Focon Electronic Systems A/S) aus dem dänischen Sønderborg und Mobitec (Mobitec AB) aus Herrljunga in Schweden gehören zur Gruppe.
Ende Oktober wurde mit den Gläubigern von BMG MIS die Übernahme beschlossen. Auch auf den Websites des Unternehmens – die die Ulmer in den vergangenen Jahren kaum mit neuen Inhalten befüllt hatten – hat sich zumindest optisch schon etwas getan. Ein erstes positives Signal. Bislang ist davon auszugehen, dass die Marke BMG MIS erhalten bleibt.
Nur wenige Wochen zuvor hatte Erwerber LTG aus dem texanischen Plano bei Dallas einen weiteren Kauf unter Dach und Fach gebracht – diesmal nicht in Deutschland, sondern in der Schweiz. Und dieses Mal auch kein Unternehmen in starker Schieflage. Denn seit August gehören auch die Marken Invertag und Gorba zum LTG Portfolio.
Zuvor hatte die FIDES Business Partner AG nach Käufern für Gorba/ Invertag AG gesucht, nachdem man beide Unternehmen im Jahr 2014 fusioniert hatte. In der Luminator Technology Group hat man nun einen neuen und international stark aktiven Eigner aus der Branche.
Die Stärken in Produktentwicklung und der Systemintegration bei Gorba und Invertag sollen erhalten bleiben. Die „kombinierten Stärken der verschiedenen Gruppengesellschaften unter dem Dach der LTG werden in kurzer Zeit zu einer neuen, attraktiven Generation an Produkten und Dienstleistungen führen, welche neue Standards in den relevanten Branchen setzen werden“, hieß es anlässlich des Verkaufs im August 2015.
So schön Synergien auf Konzernebene sind: Bestehende Allianzen und Lieferantenbeziehungen werden bei den übernommenen Schweizern (und sicherlich auch bei den Ulmern) weiter gepflegt. Über die neuen Konzerngrenzen hinaus, sind Invertag und Gorba also auch weiterhin mit anderen Partnern in Projekten aktiv.
Zuletzt wurde im Juli 2015 ein Projekt mit Partner Inform vorgestellt, bei dem es um ein Passagier Infosystem in Flughafenbussen geht. Neben reinen Infos (Gepäckband, Abreise, Umsteigeverbindungen et cetera) soll auch DooH Werbung darüber ausgespielt werden. Eingesetzt wird Software aus dem eigenen Hause (Gorbas im Mai 2015 vorgestellte Lösung „icenter.suite“, Gorbas Schnittstelle XIMPLE). Diesem Projekt mit Inform sollen definitiv weitere folgen, heißt es bei Gorba.