Bildung zum anfassen
Prof. Dr. Harald Reiterer erforscht an der Universität Konstanz neue Wege der Interaktion Mensch und Maschine. Im Interview mit DS Pro berichtet er über die sich daraus ergebenden Chancen im Bildungsbereich.
DS Pro: Herr Professor Reiterer, die Bibliothek der Zukunft begreifen sie als „Blended Library“. Was verbirgt sich hinter diesem Begriff?
Die „Blended Library“ verbindet reale und virtuelle Bibliotheksangebote und stellt sie interaktiv zur Verfügung, in unserem Fall über einen Samsung SUR40, der mehreren Menschen gleichzeitig als Recherche- und Beratungstisch dienen kann.
Warum ist das ein revolutionärer Ansatz?
Das Konzept integriert sowohl soziale, als auch physische und virtuelle Elemente. Bibliothekare und Nutzer arbeiten gemeinschaftlich zusammen und nicht wie bisher getrennt durch Monitor und Maus. Wenn sie ein Buch auflegen, erscheinen interessante Empfehlungen – allerdings nicht nur ähnliche Titel, sondern eine überraschende, teilweise sogar konträre Buchauswahl. Das ist hochspannend und effektiv zugleich.
Wann geht die Blended Library in Betrieb?
Bislang haben insgesamt 60 Personen das System in kleineren Gruppen getestet – mit sehr positivem Feedback. 2013 beginnt die Pilotphase mit großen Benutzerzahlen, 2014 wollen wir live gehen.
Welche weiteren „Blends“ erforschen Sie?
In einem anderen Projekt erforschen wir derzeit, wie wir Vorlesungen interaktiver gestalten können. Hier ist der SUR40 Teil einer großen, virtuellen Multi-Display-Landschaft. In der aktuellen Testumgebung nutzen wir jeweils ein Gerät als Recherche- und Arbeitstisch für Studenten und/oder Referenten, sowie ein zweites, drehbar an der Wand montiertes Multitouch-Display, das wahlweise die Sicht auf die gesamte Landschaft oder Ausschnitte daraus in beliebiger Orientierung zeigen kann.
Wie könnte diesbezüglich ein Hörsaal aussehen?
Im Hörsaal stellen wir uns eine große Videowand für die Gesamtansicht vor, über die die Multitouch-Tische interagieren können. Der große Vorteil des Multidisplay-Konzeptes ist dabei, dass die didaktische Flexibilität erhalten bleibt. Einzelarbeit und Kleingruppen lassen sich damit ebenso realisieren wie Präsentationen oder die kollektive Interaktion. Unterm Strich steigt freilich die Aufmerksamkeit. Für ein juristisches Seminar entwickeln wir außerdem eine frontale Twitterwall, auf der die Studenten Fragen posten können. Der Referent sieht die zuvor von einem Assistenten gefilterten Tweets ebenfalls auf seinem Pult und kann spontan darauf eingehen.
Welche Möglichkeiten sehen Sie in Schulen?
Im Klassenzimmer kann ich mir ebenfalls einen Multitouch-Tisch vorstellen, der gemeinsam und in Verbindung mit Objekten genutzt wird. Ferner ist denkbar, dass die Schüler wie bisher Aufgaben mit Papier und Stift lösen, allerdings mit einem digitalen Stift, der die Bewegungen wireless überträgt. Die Lehrer können so den Lernerfolg in Echtzeit mitverfolgen, einzelne Schüler individuell fördern und bei Bedarf einzelne Arbeiten auf der digitalen Tafel zeigen.
Vielen Dank Herr Reiterer für diese spannenden Einblicke.