Herr Farine, können Sie den Lesern schildern, wie Sie auf die Idee kamen, Visual Food zu gründen?
Pierre Farine: 1997 gab es in der Multimedia-Branche eine große Lücke an intelligenten, formschönen und funktionalen CD-ROMs und Webseiten. Der Markt war jung und noch in den Kinderschuhen. Unser Ziel war es. diese Lücke mit unseren Dienstleistungen zu füllen. Wir gründeten 1998 die Firma Visual Food.
2003 war dann der Start unserer Digital-Signage-Ära. Die Idee kam aus unserem Web-CMS-System heraus. Der Markt im CMS-Bereich war gesättigt und verlangte nach spezialisierten Produkten. Wir haben uns entschlossen, unser Know-how aus Content-Produktion und Programmierung zu verbinden und unser CMS-Produkt für Digital Signage zu optimieren. Das war die Geburtsstunde von Screenfood und der Beginn der spannenden Reise in ein innovatives Business.
Wir haben das Ziel festgelegt, die beste Digital-Signage-Software für unsere Kunden zu erstellen. Klares Ziel war der Wandel vom reinen Dienstleister hin zum Software-Hersteller und Beratungsunternehmen.
Die Qualität steht dabei immer im Vordergrund. Uns ist es wichtig, solide zu wachsen und unsere Unabhängigkeit zu behalten. Bis heute sind wir zu 100 % eigenfinanziert.
Persönlich habe ich mich schon immer für digitale Medien interessiert und somit ein Studium in Richtung Multimedia eingeschlagen. Die Leidenschaft für Medien hat mich auch in meiner Jugend dazu bewogen, gemeinsam mit zwei Freunden das erste Jungendradio der Schweiz zu gründen. Die Form war damals revolutionär. Die Herausforderung lag darin, eine passende Finanzierungsmethode zu finden. Wir beschlossen, auf Werbung zu verzichten und uns durch die umliegenden Radiosender zu finanzieren. Getreu dem Motto „Wir werben nicht, wenn du uns Geld gibst“, haben wir den Werbekuchen der Radiosender nicht angerührt. Sondern uns in einem Siebenjahresvertrag ein Sponsoring durch die anderen Sender gesichert.
Nachdem der Vertrag und Dach und Fach war, haben wir entsprechend Mitarbeiter für den operativen Ablauf eingestellt. Für mich war die Sache dann gelaufen und ich habe mich auf die Suche nach neuen Herausforderungen gemacht.
Warum haben Sie sich für den Namen Screenfood entschieden? Ist das „FOOD“ eine Anlehnung an den Lebensmittelbereich?
Pierre Farine: Screenfood ist eine Anlehnung an den Firmennamen Visual FOOD. Für diesen hatten wir uns 1997 als Multimedia-Agentur entschieden. Unser Service war, visuelle Nahrung multimedial anzurichten. Als wir 2003 auf der Suche nach einem Namen für unsere Digital-Signage-Software waren, lag der Name Screenfood nahe.
Kann ich daraus schließen, dass Sie Ihre Software immer noch inhouse programmieren lassen?
Pierre Farine: Die Entwicklung geschieht zum größten Teil inhouse. Um unseren Time-to-Market-Faktor zu erhöhen, sind wir eine Kooperation mit einem deutschen Entwicklungshaus eingegangen.
Wir sehen uns als Aufspürer von Trends und Needs. Aus den Beziehungen zu unseren Partnern und Kunden ergeben sich die neuen Features für den kommenden Release. Software-Entwicklung ist immer abhängig von genauen Use-Cases und durchdachten Funktionen mit komfortabler Benutzerführung. Das ist unsere Stärke.
Herr Farine, viele Anbieter von Digital-Signage-Produkten werben damit, das sie alle Bereiche mit ihrem Produkt abdecken. Schlägt Visual FOOD in dieselbe Kerbe?
Pierre Farine: Wir haben und wollen keine Eier legende Wollmilchsau.
Wir haben zwei Hauptprodukte. Das Flagship-Produkt ist eine ausgewachsene Enterprise-Lösung. Für den Einstieg bieten wir eine Standalone-Lösung an. Mit einem Upgrade der Lizenzen wird dies sofort zur Enterprise-Lösung, ohne weitere Installation. Die einfache Skalierung unserer Software ist ein großes Plus. Unser Ziel ist es, die Eintrittsbarriere sehr niedrig zu halten, ohne Einbußen im Ausbau.
On top kann jedes Produkt mit Zusatzmodulen den jeweiligen Bedürfnissen des Kunden angepasst werden. Mit dieser Produktbandbreite decken wir sehr viele Bedürfnisse ab – jedoch bewusst nicht alle.
Wie positionieren Sie Ihr Unternehmen?
Pierre Farine: Wir sind ein Softwarehaus, das den Kunden eine Software anbietet, welche er für sein Projekt nutzen kann – immer mit dem Fokus auf den Kundennutzen. Diese Software wird daher permanent weiter entwickelt. Zudem sind wir ständig an mehreren Forschungsprojekten mit Universitäten und Forschungszentren beteiligt, um unsere Wissensbasis zu vergrößern und diese in die Software einfließen zu lassen. In diesen Forschungsprojekten legen wir selbst Hand an. Dadurch können wir auch im Bereich von Hardware, Content und Konzeption sehr viel Know-how sammeln. Dieses Know-how geben wir sehr gerne in Form von Beratungsmandanten weiter.
Unsere Stärken liegen in der Forschung und Entwicklung, welche in der Konzeption stark spürbar sind. Das spiegelt sich in unserer Unternehmensstruktur ganz klar wider. Wir sprechen mit den Kunden und klären ab, welche Bedürfnisse dieser hat und konfigurieren unsere Software entsprechend oder setzen neue Ziele auf, um die Software kunden- und bedürfnisgerecht auszubauen. Für Roll-outs haben wir kompetente Partner, die europaweite Projekte realisieren können.
Wen sehen Sie als Hauptmitbewerber?
Pierre Farine: Ein rein objektiver Vergleich ist kaum möglich, da jeder Mitbewerber sein Alleinstellungsmerkmal hat und sich auch anders im Markt positioniert. Wem wir auf dem Markt direkt begegnen, sind Grassfish, Broadsign und Scala.
Einige Display-Hersteller legen ihren Bildschirmen neuerdings Software-Tools bei. Was halten Sie davon?
Pierre Farine: Wir haben da unsere eigenen Erfahrungen gemacht. Nachdem, was ich bisher gesehen habe, sind die Funktionen, die dort dem Kunden geboten werden, eher schlecht umgesetzt. Die Konzepte dahinter stimmen nicht. Daher mache ich mir nicht wirklich Sorgen, dass wir dadurch irgendwelche Nachteile haben werden. Eher umgekehrt – ich denke, dass die ernst zu nehmenden Display-Hersteller gemeinsam mit uns einen starken Partner an der Hand haben, um in diesen Markt erfolgreich zu wirken.
Können Sie uns sagen, wie viele Kunden Sie haben, also wie viele Screenfood-Lizenzen im Markt sind?
Pierre Farine: Wir sind stolz darauf, dass unsere Software in ganz unterschiedlichen Projekten zum Einsatz kommt. Ich kann Ihnen keine konkrete Zahl nennen, aber wir liegen im vierstelligen Bereich. Wir haben einen indirekten Vertrieb und Partner in 15 Ländern. Daher ändert sich die Menge an Lizenzen sehr schnell.
Welche Strategie fahren Sie bei der Partnersuche?
Pierre Farine: Unsere aktive Partnersuche konzentriert sich auf strategische Partnerschaften mit System-Integratoren in ganz Europa, die eine BU Digital Signage aufgebaut haben oder dies in naher Zukunft tun.
Viele Partnerschaften ergeben sich, weil wir angefragt werden. Das ist ein großes Privileg und spricht für unsere Bekanntheit im Markt. Hier nehmen wir jedoch nicht jeden. Bevor wir mit einem Partner zusammen arbeiten, muss dieser erst einmal nachweisen, dass er ein grundlegendes Verständnis für den Markt besitzt. Wir schulen unsere Partner daraufhin eingehend, wie man unsere Software bedient, welche Technik dahinter steckt, und führen Workshops zum Thema Content durch. In ersten Projekten bieten wir unsere direkte Unterstützung bei der Umsetzung an. Wir unterstützen unsere Partner bei der Positionierung der eigenen Firma im Bereich Digital Signage und vernetzen unsere Partner, wo es Sinn macht.
Wie bei der Software setzen wir auch bei der Partnerauswahl auf Qualität. Dementsprechend wählen wir die Partnerunternehmen sehr sorgfältig aus und zertifizieren diese anschließend.
Die Qualität ist Ihnen wichtig. Verbände wie die IG-Adscreen versuchen, den Kunden einen Überblick über qualifizierte Digital-Signage-Anbieter zu geben. Dennoch sind Sie vor kurzem aus der IG-Adscreen ausgetreten. Können Sie uns den Grund dafür nennen?
Pierre Farine: Mein Austritt oder besser gesagt mein Nicht-Eintritt, ist auf mehrere Gründe zurückzuführen. Einmal konsolidiert sich das Geschäft zunehmend. Damals gab es in der IG-Adscreen noch einen regen Informationsaustausch. Heute muss man aufpassen, wenn man dort über Projekte redet. Jeder spitzt die Ohren und wittert eine Chance für seine eigenen Produkte und Dienstleistungen. Das liegt natürlich auch an dem hohen Finanzdruck, dem viele Unternehmen ausgesetzt sind. Außerdem ist die Positionierung vieler Firmen nicht eindeutig. Sie versprechen dem Kunden erst einmal alles und sehen ihre Grenzen nicht. Es fehlen teilweise die Alleinstellungsmerkmale. Der wesentliche Grund für uns jedoch ist, dass wir bereits mehrfach durch unsere Partner indirekt bei der IG-Adscreen vertreten sind. Somit sehen wir in der jetzigen Marktsituation keine Vorteile darin, selbst und direkt in der IG-Adscreen aktiv tätig zu sein.
Herr Farine, bisher gibt es sehr viel Wildwuchs in der DS-Branche. Wie wichtig sind daher Standards für die Digital-Signage-Branche?
Pierre Farine: Standards in dem Sinne, dass Werbezeiten zentral verwaltet und verteilt werden, werden kommen – da bin ich mir sicher. Mehr als über die Formate und vielleicht noch über die XML-Konsolidierungen, die festlegen in welcher Reihenfolge Spots abgespielt werden, kann man zurzeit noch nicht reden. Dafür ist die Branche noch zu jung. Die Zeit wird es zeigen. Man sollte sich allerdings als Unternehmen so flexibel aufstellen, das man auf zukünftige Standards schnell reagieren kann.
Wie werden Sie als Unternehmen draußen wahrgenommen?
Pierre Farine: Wir sind der Gewinner des Digital Signage Best Practice Awards der Viscom Europe 2007 in der Kategorie „Handel/Retail“. Zudem werden wir als Experten wahrgenommen, sodass ich persönlich oft als Speaker und Berater gebucht werde. Dadurch, dass wir ausschließlich das Softwareprodukt Screenfood entwickeln und vertreiben, werden wir als Softwareschmiede wahrgenommen. Mit unserer breiten Digital-Signage-Produktpalette bieten wir unseren Partnern professionelle Tools, um im Markt erfolgreich zu sein.
Was halten Sie von dem neuen Angebot von Ingram Micro – Digital Signage out of the box? Ist das in Ihren Augen der richtige Weg, Digital Signage zu vertreiben?
Pierre Farine: Auf jeden Fall. Wir verfolgen ebenfalls aktiv diesen Weg und haben entsprechende Kooperationen in der Pipeline. Dazu kann ich im Moment allerdings noch keine Details nennen.
Meinen Sie nicht, dass der Traum von Digital Signage für jeden kleinen Einzelhändler ein wenig utopisch ist?
Pierre Farine: Dem Bäcker von nebenan bietet Digital Signage die Chance, ein Alleinstellungsmerkmal auszubauen. Es ist ein zusätzliches Kommunikationsmittel, das dem Einzelnen die Möglichkeit bietet, sein Profil zu verschärfen. Es gibt solche, bei denen es Sinn macht, bei anderen wiederum nicht. Wir werden niemandem Digital Signage ausreden. Es wird allerdings Kunden geben, die damit absolut überfordert sein werden. Aber das ist ein Phänomen, das auf alle neuen Technologien zutrifft.
Letztendlich braucht es keine Technologie, um erfolgreich zu sein, sondern ein gute Idee. Wenn wir diese Idee mit einem einfachen Zugang zur Technologie (Digital Signage) unterstützen können, dann haben beide Seiten Erfolg.
Herr Farine, wie sehen Sie die Marktentwicklung in der Schweiz und in Deutschland?
Pierre Farine: Wir sind der Überzeugung, dass der Markt in der Schweiz und in Deutschland sich positiv entwickeln wird. Das Bedürfnis des Kunden nach schneller und flexibler Kommunikation wächst. Die Herausforderung ist es, diesem Bedürfnis gerecht zu werden.
Wir bedanken uns für das Gespräch. (osc)