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Galileo Galilei geistert über Banken-Fassade in Münster

Seit 2008 setzt die PSD Bank Westfalen-Lippe eG in Münster auf eine Medienfassade am eigenen Haus. Die 14 mal 14 Meter große Fläche mit 220.000 LEDs in Lamellenstruktur von der Kölner ag4 leuchtet seitdem zu nicht-kommerziellen Zwecken: Werbung gibt es hier keine zu sehen, aber jede Menge Medienkunst und auch schon mal Werke des ein oder anderen vormaligen Ketzers. Und das in einer Stadt mit Bischofssitz.
Seit 2008 ist die Medienfassade in Münster im Betrieb (Foto: PSD Bank Westfalen-Lippe/ ag4)
Seit 2008 ist die Medienfassade in Münster im Betrieb (Foto: PSD Bank Westfalen-Lippe/ ag4)

Die PSD-Banken – ein Verbund 15 eigenständiger Genossenschaftsbanken – ist bisher nicht durch besonders smarte Werbung aufgefallen. Man mag es eher bodenständig, entstammt man doch den 1872 gegründeten Post-Spar- und Darlehensvereinen, die den Mitgliedern – etwa kaiserlichen Beamten im Telegraphenamt oder bei der Post – zu günstigen Konditionen zum bescheidenen kapitalen Glück verhelfen wollten. Im 21. Jahrhundert setzt man auf Werbung auf allen Kanälen, ist aber auch im Jubiläumsjahr eher un-aufgeregt unterwegs. Den Gipfel der Kreativität hatte bisher die in Düsseldorf ansässige PSD Bank Rhein Ruhr erklommen, als sie sich vor einigen Jahren dafür entschied, die Bekanntheit der Tatort-Kommissare Freddy Schenk und Max Ballauf zu nutzen, und mit deren Darstellern Dietmar Bär und Klaus J. Behrendt zu werben.

Tatort-Kommissare müssen draußen bleiben

Die Münsteraner PSD-Bank dagegen verzichtet auf Kommunikation mit dem dortigen Tatort-Gespann Professor Börne und seinem radelnden Untermieter Thiel. Ob es daran liegt, dass Jan Josef Liefers eh schon für gefühlte 27 Ferrero-Produkte wirbt, oder – gemeinsam mit Axel Prahl – zu oft im Toyota Yaris albernd durch die Werbe-Welt düst, ist nicht überliefert.

Das Konzept: mehr Kunst, weniger Kommerz (Foto: PSD Bank Westfalen-Lippe/ ag4)
Das Konzept: mehr Kunst, weniger Kommerz (Foto: PSD Bank Westfalen-Lippe/ ag4)

Die PSD Bank Westfalen-Lippe leistet sich zwar keine TV-Kommissare, ist aber seit 2008 in Punkto Digital Signage gut unterwegs. Und leistet sich den Luxus, die eigene Marke eher hintenrum beim Kunden positiv zu besetzen. Am eigenen Stammhaus macht man keine Außenwerbung, sondern Medienkunst. Die 14 mal 14 Meter Medienfläche steht für Kunstfilme zur Verfügung – seit Juli 2012 sogar mit einer App, die passende Soundtracks aufs Smartphone ausliefern kann.

Ein – diesmal echter – Professor vor Ort ist einer der Pulsgeber für das Fassadenprojekt von Anfang an; und auch Ideengeber für die akustische Veredlung: Professor Norbert Nowotsch, der am Fachbereich Design der Fachhochschule Münster tätig ist. In Kooperation mit dem Labor für Software Engineering und Morin Ostkamp sowie Prof. Dr. Gernot Bauer, Leiter des Labors, wurde die App „PSDklang“ entwickelt. Optisch setzt man übrigens auf einen Dienstleister aus der TV-Heimatstadt von Ballauf-Schenk: Auf der Außenfläche sorgen 220.000 LEDs in Lamellenstruktur von der Kölner ag4 für die tageslichttaugliche Umsetzung – vor gut einem Jahr wurde die Medienfassade frisch getestet und renoviert, damit Kunst und Co. klarer daherkommen können.

Die Lamellenstruktur stammt von ag4 aus Köln - und wurde 2011 generalüberholt (Foto: PSD Bank Westfalen-Lippe/ ag4)
Die Lamellenstruktur stammt von ag4 aus Köln – und wurde 2011 generalüberholt (Foto: PSD Bank Westfalen-Lippe/ ag4)

Wissenschaft und Witz

Für die nahe Zukunft sind Karikaturen angedacht, die abends den Münsteraner Passanten – und den sprichwörtlichen Fahrradfahrern – humorig bis satirisch den Weg durch die Nacht weisen sollen. Zuvor hatte auch schon der kanadische Medientheoretiker Marshall McLuhan sein temporäres Denkmal in der westfälischen Metropole erhalten. Eine Installation thematisierte sein Werk. „Im elektronischen Raum gibt es nicht Tag und Nacht, sondern nur An und Aus“, hatte der für das Projekt verantwortliche Münsteraner Prof Nowotsch dazu festgestellt. Wissenschaft und Witz ergänzen sich so in den Medienkunst-Projekten der Münsteraner.

Rehabilitierter Ketzer wirbt für ULB

Man will aber nicht nur in Kunst und Karikatur machen: Zuletzt startete ein Projekt mit der Universitäts- und Landesbibliothek Münster (ULB). Die präsentierte Schätze aus den Magazinen – unter anderem Gedrucktes von Galileo Galilei. Der 1642 verstorbene Wissenschaftler lehrte allerdings nicht an der Uni oder gar beim Bischof zu Münster. Der innovationsfreudige und auch auf dem Gebiet der Optik beschlagene Freigeist wurde vom damaligen Vorgesetzten des Münsteraner Bischofs für seine gelobt und rehabilitiert. Vor gut 20 Jahren, im November 1992. Aktuell geistern er und ein Teil seines Werks über die Fassade der PSD Bank Westfalen-Lippe eG.

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