Banken und Versicherungen gehören zu den Unternehmen mit dem höchsten Digitalisierungspotenzial; schließlich sammeln, verarbeiten und verknüpfen sie seit jeher Kunden- und Transaktionsdaten. Dennoch tun sich manche Finanzdienstleister schwer, ihre Geschäftsprozesse konsequent und durchgängig zu digitalisieren – vom Frontend bis zum Backend.
Gegen die herkömmlichen Institute sind längst verschiedene neue Player angetreten: Neue, technologiegetriebene Anbieter wie Online-Plattformen und FinTechs erobern mit kundenfreundlichen digitalen Angeboten einzelne Marktsegmente, während etablierte Finanzdienstleister im Wettbewerb zurückfallen oder sogar verdrängt werden.
So hat sich der Marktanteil von Finanzvermittlern beim Vertrieb von Baufinanzierungen seit 2010 von 17% auf 35% mehr als verdoppelt. Die Services kommen offenbar gut an, so der Bankenverband – Bundesverband deutscher Banken beim FinTech Tag der CeBIT 2016 (vgl. Grafik unten rechts). Das zeigt zudem auch die neue Studie „Plan D – konsequent digital: Wie Finanzdienstleister durch End-to-End Digitalisierung ihre Zukunft sichern“, in der Experten von Roland Berger die Branche analysieren.
„Kunden sind es heute gewohnt, online zu recherchieren und zu kaufen“, sagt Wolfgang Hach, Partner von Roland Berger. „Diese Erfahrung übertragen sie auch auf die Finanzbranche: Sie erwarten von Finanzdienstleistern digitale Produkte und Dienstleistungen, die schnell, einfach und jederzeit verfügbar sind.“
Allerdings hat Sebastian Steger, Digitalisierungsexperte von Roland Berger, beobachtet, dass viele traditionelle Finanzinstitute mit veralteten IT-Infrastrukturen, komplexen Produkten und heterogenen Prozessen zu kämpfen haben.“, ergänzt .
Die Kundenwünsche lassen sich in Prozesse übersetzen. Die Berater geben sieben Tipps für Retail Banken und andere Finanzdienstleister, wie sie die digitale Transformation erfolgreich bewerkstelligen können.
Um den Anforderungen der online-affinen Kunden gerecht zu werden, haben viele Finanzdienstleister zwar schon digitale Angebote entwickelt. Doch meist sind dies Insellösungen wie eine neue Website mit modernem Layout und zusätzlichen Online-Diensten oder eine App. „Das reicht nicht aus, um die Effizienz und Kundenbindung zu verbessern. Denn die digitale Transformation geht weit über punktuelle Optimierungen hinaus“, sagt Steger. Durch eine vollständige Automatisierung von einfachen Produkten und Prozessen könnten 40% bis 50% der heute hierfür eingesetzten Kapazitäten eingespart werden, teilweise sogar darüber hinaus.
Die etablierten Finanzdienstleister befinden sich daher in einer kritischen Übergangsphase und sollten schnell mutige Entscheidungen treffen. „Ein Neustart ist möglich, denn die Unternehmen können nach wie vor auf eine große Kundenbasis, Kundenvertrauen und das Know-how ihrer Mitarbeiter bauen“, blickt Partner Hach optimistisch nach vorne. Allerdings wird die umfassende digitale Transformation für stärkere Umwälzungen sorgen als jeder andere Wandel in den vergangenen Jahrzehnten. Am Ende stehen besonders im Retail-Bereich weitgehend digitale Prozesse und ein Geschäftsmodell, das deutlich flexibler, offener, kundenfreundlicher und effizienter ist als das heutige.
„Die Digitalisierung stellt die Finanzbranche vor große Herausforderungen. Nur wenn Finanzdienstleister den digitalen Umbau schnell angehen und konsequent als End-to-End-Lösung vorantreiben, werden sie künftig im harten Wettbewerb mit neuen, digitalen Anbietern bestehen können“, ist Wolfgang Hach überzeugt.
Digitalisierungspotenziale identifizieren:
- Einfache, standardisierte Produkte eignen sich besonders gut für den Start in die Digitalisierung. Anhand dieser „Leuchtturmprojekte“ werden dann mögliche Einsparpotenziale ermittelt und die Basis für weitere Digitalisierungsmaßnahmen geschaffen.
Ziele festlegen:
- Die Ziele werden auf Basis des typischen Einkaufsverhaltens (wann und wie informiert sich der Kunde; wann und wie nimmt er das erste Mal Kontakt auf; wann schließt er das Geschäft ab) ermittelt. Dabei sollen alle Prozessschritte so miteinander verknüpft werden, dass keine Brüche entstehen und die Verarbeitung weitgehend digital und automatisiert ablaufen kann.
Relevante Unternehmenseinheiten einbinden:
- Einfache, standardisierte Produkte eignen sich besonders gut für den Start in die Digitalisierung. Anhand dieser „Leuchtturmprojekte“ werden dann mögliche Einsparpotenziale ermittelt und die Basis für weitere Digitalisierungsmaßnahmen geschaffen.
Nachhaltige Digitalisierungsstrategie entwickeln:
- Neben Produkten und Prozessen sollten Firmen auch ihre Steuerungs-, Risiko- und Reportinginstrumente digitalisieren. Zudem sollten sie ihre Strategie regelmäßig überprüfen und flexibel anpassen.
Handhabbare Arbeitspakete bilden:
- Die Umsetzung sollte schrittweise erfolgen. So können Unternehmen vermeiden, ihre Organisation zu überfordern. Zeitgleich können sie ihre Mitarbeiter für den digitalen Wandel besser vorbereiten.
Produktangebot modularisieren:
- Um die Digitalisierung umfassender zu nutzen, sollte das Produktportfolio anhand standardisierter Bausteine ausgerichtet werden. Auf dieser Basis lassen sich Angebote besser flexibilisieren und individualisieren – sowohl im Privatkunden- als im Firmenkundengeschäft.
Leistungsfähigkeit rund um die Uhr:
- Produktangebote und Transaktionsmöglichkeiten sollten Tag und Nacht verfügbar sein. Das erfordert eine enge Einbindung aller Beteiligten in den digitalen Informations- und Transaktionsfluss, um schnelle Rückmeldungen oder automatisierte Entscheidungen zu ermöglichen.