Gastbeitrag

Android Development für Digital Signage

Florian Bogeschdorfer, Geschäftsführer der DS Connekt UG, kommentiert in seinem Gastartikel Vor- und Nachteile, Probleme, Alternativen und was es sonst noch zu beachten gibt, wenn es um Netzwerke mit Android Systemen geht.
Florian Bogeschdorfer, Geschäftsführer der DS Connekt UG (Bild: DS Connekt UG)
Florian Bogeschdorfer, Geschäftsführer der DS Connekt UG (Bild: DS Connekt UG)

EINLEITUNG
Als Spezialisten für Softwareentwicklung und technische Projektberatung bekommen wir in den letzten Jahren immer wieder das Thema Android auf den Tisch. Umstellung von Netzwerken, Programmierung von Playern und deren Anbindung an bestehende Content Management Systeme, die Auswahl von Hardware Komponenten, Servicefragen und nicht zuletzt Zweifel an Android im professionellen Umfeld gehören zu den Themen, die an uns herangetragen werden.
Die Gründe für das Interesse liegen auf der Hand: günstige Preise für Hardware und Betriebssystem.
Aber ist das wirklich so? Sind Android Systeme günstiger als Alternativen, welche Probleme gibt es, was ist zu beachten, wenn man sich ein Netzwerk mit Android Systemen aufbauen möchte?
Diese Fragen möchte ich im Folgenden beantworten.

ANDROID FÜR DIGITAL SIGNAGE – SOFTWARE-ENTWICKLUNG
Um es ganz klar zu sagen: wer sich dafür entscheidet, selbst einen Player für Android zu entwickeln, öffnet die Büchse der Pandora. Wie Sie das vermeiden und sinnvoll Android im professionellen DS Umfeld einsetzen können, das verrate ich Ihnen gleich.
Zunächst erschlägt einen die Vielfalt der Betriebssystemversionen seitens Google: aktuell werden auf den verschiedensten Playern mindestens noch Ice Cream Sandwich (4.0), Jelly Bean (4.1, 4.2, 4.3), KitKat (4.4) und Lollipop (5.0, 5.1) ausgeliefert. Dabei bedeutet neuer nicht automatisch besser – die meisten neuen Funktionen (wie z.B. Digital Wallet, verbesserte Kamera oder neue 3D Animationen) benötigen wir nicht nur nicht, sie machen das System als solches auch oft langsamer und instabiler.
Dazu kommt, dass Google nach Belieben Bestandteile des Betriebssystems hinzufügt, verändert oder gar weglässt. Player die auf einem 4.1 Android noch einwandfrei liefen, können auf einem 5.0 kläglich versagen. Eine ständige Anpassung ist also notwendig.
Insgesamt gibt es aber ca. 24.000 verschiedene Betriebssystemversionen (Quelle: http://opensignal.com/reports/2015/08/android-fragmentation/, Stand 2015), die aus den Anpassungen der Hersteller resultieren. Diese Fragmentierung zwingt den Entwickler, sich schon frühzeitig auf bestimmte Geräte festzulegen.
Zu bedenken ist auch die Unterstützung der verschiedenen Medienformate oder eben das Fehlen der Unterstützung. Während das bei Bildern noch relativ problemlos ist, ist es bei der Verwendung von Filmen schon eine Einschränkung, auf eine Handvoll Formate beschränkt zu sein. Je nach Projekt und Zulieferer sind eventuell Konvertierungen mit einzuplanen.
Eine weitere Überraschung aus der Büchse sind die offiziellen Lösungsbeispiele von Google, die oft schlichtweg nicht funktionieren. Dies erhöht den Programmieraufwand deutlich.
Und last but not least ist Android nun mal als Telefonbetriebssystem auf die Welt gekommen und nicht dazu gedacht, den gleichen Film bis zu 5000 mal hintereinander abzuspielen. Das bringt erhebliche Probleme in der Stabilität und erfordert einiges an Workarounds („tricksen“) und alternativen Lösungen zu den Komponenten des Betriebssystems.
Aber wenn Sie Ihren Player nicht selbst entwickeln, sondern zukaufen oder entwickeln lassen, dann können Ihnen diese Probleme zunächst einmal relativ egal sein, oder? Nicht ganz.

ANDROID FÜR DIGITAL SIGNAGE – HARDWARE UND BETRIEBSSYSTEME
… denn die Büchse der Pandora ist auch in der Hardware vorinstalliert.
Tausende Player aus China überschwemmen den Markt: Sticks, Boxen, Tablets und exotische Formen stehen zur Auswahl. Aber im Grunde genommen gibt es nur wenige Hersteller und der Rest ist OEM-Ware, bei denen „nur“ das Android System angepasst wurde (Fragmentierung!). Alle diese Geräte sind für den Consumer Markt gedacht – d.h. sie unterstützen nicht 24/7 und sind mit einem Haufen Applikationen zugepflastert, die Ihnen das Leben schwer machen.
Diese Apps beanspruchen Speicher, Leistung, Internet-Traffic und sind im Grunde genommen unkontrollierbar – teilweise findet sich sogar Malware und Spyware. Sie müssen schlicht runter vom Player. Spätestens jetzt werden Sie bei den meisten Anbietern auf Probleme stoßen, denn so etwas geht normalerweise nur bei Stückzahlen ab 1000. Und Sie benötigen jemanden (wie uns), der den Chinesen genau sagt, was runter muss und was nicht. Aber auch für uns sind die Resultate einer Säuberungsaktion oft unvorhersehbar. Da hilft nur testen.
Die nächste Überraschung sind die „natürlichen“ Restriktionen eines Android-Systems: eingeschränkte Userrechte für Applikationen (die Playersoftware) sind sinnvoll, wenn man das am Telefon bestätigen kann, aber eine Meldung „Darf diese Applikation ein Software Update durchführen nein/ja“ sind auf einem Screen im Schaufenster wenig hilfreich. Also muss das System an sich auch getuned werden: die Menüleiste muss weg (aber für Servicezwecke zuschaltbar sein), die Player-App benötigt Superuser oder Systemrechte. Dafür muss das Gerät gerooted werden (bei Markenherstellern schon ein Problem), die Rechte müssen mit Apps von Drittanbietern oder durch Zertifikate gesichert werden. Nur dann kann sich Ihre Applikation z.B. selbständig aktualisieren oder täglich die Playerhardware neu starten.
Auch dafür sind bei den meisten China-Playern massive Anpassungen notwendig. Möglicherweise hilft einem aber auch die App „Superuser“.
Bei der Auswahl eines Players ist auch darauf zu achten, dass der Player Full-HD unterstützt. „Das tun sie doch alle, steht doch drauf“. Das ist richtig, gilt aber so nur für die Unterstützung von Video. Die echte Auflösung der „Grafikkarte“ ist oft nur 960 x 540 und dann werden Schriften schnell absolut unleserlich.
Eine letzte Überraschung habe ich noch, dann ist Pandoras Büchse zunächst einmal leer: die meisten Player unterstützen im Auslieferungszustand keine Drehung des Bildschirmes. Da es keinen Lagesensor gibt, ist diese Funktion schichtweg deaktiviert. Bei einem Tablet dagegen fehlt oft die Einstellung die automatische Bildschirmdrehung zu deaktivieren und stattdessen eine feste Drehung einzugeben. Auch hierzu muss das Android ab Werk angepasst werden.
Zusammenfassend kann ich Ihnen nur empfehlen, das Image eines solchen Players von einem Profi anpassen zu lassen. Nebenbei bekommen Sie dann noch Ihren eigenen Startscreen und eine eigene Startanimation.

ANDROID FÜR DIGITAL SIGNAGE – IM PROJEKT
Für den Projektplaner stellen sich allerdings weitere Fragen, vor Allem die nach den „Ersatzteilen“ und nach den Gesamtkosten über den Projektzeitraum (TCO).
Während sich der Consumer darüber freut, dass es alle sechs Monate neue Chipsätze für Android gibt, ist das für den Profi-Anwender ein Albtraum. Es bedeutet schlicht, dass Sie nach einem Jahr nicht mehr die identischen Geräte kaufen können und möglicherweise Ihre Software erneut anpassen müssen und zu guter Letzt eine Reihe von Geräten supporten müssen.
Bei den TCO gibt es in der Content-Produktion und -verteilung kaum Unterschiede (eventuelle Umformatierung, siehe oben).
Für den Servicefall gibt es mittlerweile eine TeamViewer Version, die eine Fernwartung und -diagnose auch ohne Userbestätigung vor Ort möglich macht. Das ist eine gravierende Entwicklung angesichts der hohen Kosten, die ansonsten der Einsatz eines Vor-Ort-Technikers verursachen würde.
Aus meiner Erfahrung lassen sich 85% aller Playerfehler per Fernwartung lösen.
Ein Anbieter auf dem deutschen Markt teilte mir einmal mit, dass sie die Gerätegehäuse schon so bauen würden, dass der Kunde ein Ersatzgerät selbst „einbauen“ kann. In diesem Fall ging es um Tablets. Auf meine Frage nach 24/7 oder 16/7 Einsatz und der Verfügbarkeit von Ersatzgeräten über die Jahre bekam ich die Antwort, dass es billiger sei, sich pro installiertem Gerät für 60 USD zwei Ersatzgeräte auf Lager zu legen und dann im Schnitt jährlich eines zu tauschen. Diese Strategie halte ich zumindest für fragwürdig aber sie macht deutlich, auf welche Ideen man kommen kann, um Kosten zu sparen.

FAZIOFESSIONAL PLAYER UND INTEGRIERTE SYSTEME
Rate ich Ihnen dann hiermit grundsätzlich vom Einsatz eines Android Players im professionellen Digital Signage Umfeld ab? Nein – auch wenn das zunächst so scheinen mag. ich möchte Sie nur auf die Fallstricke hinweisen und empfehle Ihnen, sich entsprechend beraten zu lassen.
Auch kommen immer mehr ausgereifte „Professional Player“ auf den Markt, die viele der beschriebenen Probleme schon seitens der Hersteller lösen, zum Beispiel von Advantech oder spo-comm. Die Player sind gerooted und relativ frei von belastenden, unnützen Applikationen. Das Android Image ist zumeist noch 4.3 oder 4.4 und damit relativ leicht zu managen. Es ist zudem die Aufgabe der Hersteller, über mehrere Jahre hinweg für kompatible Hardware zu sorgen und 24/7-Tauglichkeit zu garantieren.
iDisplay bietet über seinen Distributor smart electronic components gmbh schon seit Jahren immer besser werdende Tablet Systeme und Player an, die einen guten Kompromiss aus professionellen Anforderungen und kleinen Budgets bieten.
Und immer mehr Screen-Hersteller integrieren Android basierte SoC Systeme in ihre Professional Screens (z.B. Panasonic mit Openport).
Diese Systeme sind eine echte Alternative zu Windowssystemen – zumindest wenn die Leistungsanforderungen gering sind. Die Büchse der Pandora zu öffnen und wieder zu schließen, überlassen Sie einfach den Herstellern.
Allerdings sind diese Geräte auch wieder teurer in der Anschaffung, so dass das Einsparungspotenzial abnimmt.

FAZIT
Der Einsatz von Android macht aus meiner Sicht immer da Sinn, wo das Projekt überschaubar bleibt, z.B. einfacher Content, lokaler Zugriff auf die Player, leicht tauschbare Geräte, in bei Stückzahl und/oder Laufzeit beschränkten Projekten etc. Hier lassen sich tatsächlich Einsparungen erzielen und Projekte realisieren, die man mit Windows nicht hätte machen können.
Eine Anpassung vom Profi empfiehlt sich jedoch bei größeren Stückzahlen grundsätzlich.
Oder Sie greifen zu den professionellen Angeboten von Hardwareherstellern oder entsprechenden Android Playern der bekannten Softwareanbieter und geben damit die Anpassungsarbeit und die Verantwortung für ein reibungsloses Funktionieren an Dritte ab.
Der Bezug von Hardware über kompetente Distributoren mit Branchen- und Produkterfahrung ist dem direkten Bestellen in China unbedingt vorzuziehen. Dafür sprechen auch technische, haftungs- und steuerrechtliche Gründe.
Dann kann ein Android Netzwerk gut funktionieren und Kosten sparen und damit neue Märkte erschließen – Deckel drauf (auf die Büchse der Pandora), Strom dran und los geht’s…

INFO
Florian Bogeschdorfer ist Geschäftsführer der DS Connekt UG, die sich darauf spezialisiert hat, im Auftrag von DS Lösungsanbietern und Herstellern zu programmieren. Dazu gehören Schnittstellen, Social Media, User Interfaces, Player, Templates, Middleware etc. – sowohl für am Markt bekannte Lösungen wie Scala oder Samsung SoC aber auch proprietäre Lösungen. Florian Bogeschdorfer ist seit 1993 in der DS Branche in Deutschland und immer wieder Impulsgeber für wegweisende Lösungen.