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Geplante Übernahme von Aixtron

Bis 3. Dezember entscheidet Washington über die Zukunft

Buchstäblich im Weißen Haus entscheidet sich bis übermorgen um 6 Uhr unserer Zeit, ob Aixtron dringend benötigtes Kapital und neue Eigner bekommt. Die internationale Politik entscheidet über Wohl und Wehe bei dem High Tech Mittelständler aus der deutschen Provinz.
Zentrale von Aixtron (Foto: Aixtron)
Zentrale von Aixtron (Foto: Aixtron)

Die Distanz könnte größer kaum sein: Zwischen den Adressen Dornkaulstraße 2 in Herzogenrath, NRW, Bundesrepublik Deutschland und 1600, Pennsylvania Avenue, Washington D.C., USA liegen mehr als 6.200 Kilometer – gefühlt also eine halbe Galaxie Abstand.

Und auch sonst haben die beiden Orte wenig miteinander gemein; vielleicht noch, dass mehr oder weniger gepflegte Grünflächen in der Umgebung des Weißen Hauses und ein paar begrünte Ackerflächen die Zentrale von Aixtron SE umgeben. Das war’s dann aber auch schon mit den Gemeinsamkeiten.

Am 02. Dezember 24 Uhr Ortszeit wird die Administration von Präsident Obama entscheiden, ob der deutsche Spezialzulieferer für die Halbleiterindustrie eine gesicherte Zukunft unter einem neuen, chinesischen Eigentümer hat – oder nicht.

Wie von verschiedenen Medien berichtet, möchte ein chinesischer Bieter Aixtron übernehmen. Die übernehmende Gesellschaft wäre dann die Grand Chip Investment GmbH, die sich im Web auch schon die Domain grandchip-aixtron gesichert hat, und ausweislich des Impressums vom Frankfurter Büro der internationalen Rechtsanwaltskanzlei Paul Hastings LLP vertreten wird. Eine Anfrage an die Kanzlei zu Hintergründen des neuen Eigners und des aktuellen Stands im Verfahren blieb bis Redaktionsschluss von der Kanzlei unbeantwortet.

Die Website wurde eingerichtet, um den Aktionären von Aixtron Infos zum Übernahmeangebot zu unterbreiten. Die Grand Chip Investment GmbH (GCI) ist eine 100%ige Tochtergesellschaft des Fujian Grand Chip Investment Fund LP (FGC) aus China, der von Liu Zhendong, Managing Partner von FGC, geleitet und mehrheitlich kontrolliert wird. Liu ist ein chinesischer Geschäftsmann und privater Investor sowie Managing Director der deutschen GmbH.

(Entscheidet in dieser Woche - Präsident Barack Obama (Foto: White House / Pete Souza)
(Entscheidet in dieser Woche – Präsident Barack Obama (Foto: White House / Pete Souza)

Für etwa 670 Millionen Euro würde die chinesische Seite gerne den in Herzogenrath beheimateten Konzern Aixtron übernehmen. Für das defizitäre Unternehmen und offenbar auch das Gros der Anteilseigner ein willkommener Kauf – auch wenn man in der Vergangenheit mit der San’an Gruppe, mit der Liu Zhendong geschäftlich verbunden ist, nicht immer nur die besten Erfahrungen gesammelt hat. Ganz normales Übernahme-Business also, zudem in einer für den internationalen Mergers and Acquisitions Markt auch nicht gerade üppigen Dimension.

Und doch kommt Aixtron ungewollt die Ehre zu Teil, dass sich nicht nur – zum wiederholten Male und mit jeweils konträren Entscheidungen – das von Bundesminister Sigmar Gabriel geführte Bundeswirtschaftsministerium (BMWi), und auch die US-Kontrollbehörde Committee on Foreign Investment in the United States (CFIUS) mit der Causa beschäftigt, sondern derzeit direkt die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika. Buchstäblich wird also Barack Obama im Weißen Haus mit seinen Beratern entscheiden, wie die nahe Zukunft eines kleinen deutschen Spezialisten aussehen wird, der zuletzt 197,8 Millionen Euro umsetzte und weltweit 750 Mitarbeitende beschäftigt, in Deutschland, UK und den USA eigene Forschungszentren betreibt und F&E Kooperationen (einschließlich Wissenschaft) mit Instituten und Firmen auf vier Kontinenten betreibt. Viel internationaler kann eine ehemalige Ausgründung einer mit deutschen Steuermitteln finanzierten Hochschule kaum arbeiten.

Da sich die Aixtron Anlagen in der gesamten Halbleiterindustrie (samt LCD, LED, OLED) verkaufen, sind die Maschinen potenziell Dual Use. Eine Analogie zeigt den Hintergrund: Wenn man so will stellt Aixtron Abfüllanlagen her, die andere dann nutzen, um Cola, Bier, Saft oder sonstwas einzutüten. Im Bereich Halbleiter kann man allerhand schöne, gute Produkte herstellen – aber eben auch Zutaten für den nächsten Todesstern oder Chips für fiese und tödliche Lenkwaffensysteme. Dessen ist man sich auch in dem bei Aachen ansässigen Unternehmen bewusst. Schon bislang – also quasi seit 1983 – hat Aixtron beim BMWi beziehungsweise der zuständigen nachgeordneten Behörde – dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) – etwa 3.000 Exportgenehmigungen eingeholt, um die Anlagen eben nicht an die Darth Vaders und Kim Jong-uns dieser Welt auszuliefern.

Warum die Exportgenehmigung 3.001 nicht auch an eine deutsche Firma, die halt zu 100% einer chinesischen Firma gehört gehen soll, konnten weder das BMWi noch die CFIUS hinreichend klar machen. Das BMWi teilte auf Nachfrage der invidis Redaktion lediglich mit: „Die Unbedenklichkeitsbescheinigung für die Übernahme von Aixtron durch die chinesische Fujian-Gruppe wurde am 21. Oktober durch das BMWi widerrufen. Das BMWi ist dementsprechend wieder in das Prüfverfahren eingetreten.“ Unsere Frage, ob das Meinungsbild oder die Entscheidung des BMWi unabhängig von der Entscheidung der US-Behörden sein werde, wurde nicht beantwortet.

Allerdings verwies ein Sprecher des Bundeswirtschaftsministeriums auf Äußerungen von Staatssekretär Matthias Machnig gegenüber anderen Medien. Denen zufolge „hat die Bundesregierung bis dahin nicht bekannte sicherheitsrelevante Informationen erhalten, die das BMWi zusammen mit anderen Ressorts geprüft hat.“ Dies könnten theoretisch nachrichtendienstliche Erkenntnisse (eigene oder die von Partnern) sein, die entweder den Bieter selbst oder die VR China betreffen. Hinter dieser Verklausulierung kann aber aber auch eine ganz allgemeine Skepsis oder ein wie auch immer geartetes strategisches Interesse stehen. „Zu Art oder Herkunft der Informationen und zu Details des Prüfprozesses“ könne man keine Angaben machen. Entweder gibt es also wirklich Sicherheitsbedenken, oder die Formulierung bläht bewusst die übliche Mär vom Patent-Klauer aus Fernost auf.

Für relevante Sicherheitsbedenken spricht jedenfalls, dass Capital recherchierte, dass hinter FGC letztlich der chinesische Staat stehen könnte, der demnach indirekt und verdeckt zu 49% hinter der Gesellschaft stehe. Verglichen mit den Hinweisen, dass hinter deutlich relevanteren Unternehmen als Aixtron wie etwa Huawei oder ZTE letztlich das chinesische Militär beziehungsweise der Militärgeheimdienst stehen könnten, ist diese Bedrohung aus externer Sicht eher marginal. Immerhin werden deren Netzwerktechnologien seit Jahren weltweit und national eingesetzt; trotz der Bedenken (Backdoor Problematik). Zumal auch diese Konzerne wiederum teilweise indirekt für westliche Dienste wie das britische GCQH arbeiten, wie der leitende britischer Huawei-Mitarbeiter John Suffolk gegenüber dem Deutschlandfunk behauptete. Auf Deutsch: Wer da international wen betuppt, bespitzelt oder bescheißt ist offenbar selbst den Beteiligten nicht immer klar.

In dieser Szenerie wird nun auch die geplante Übernahme von Aixtron zum Politikum. So beklagen externe Beobachter und firmeninterne Quellen wohl nicht ganz zu Unrecht, dass die Ursache in dieser Sache sehr wenig mit Industriepolitik, dafür aber sehr viel mit internationaler Außenpolitik zu tun habe. Verteilt auf Weltregionen und Länder macht Aixtron 60% seiner Umsätze in Asien, 20% in den USA und 18% in Europa. Auf Seite der Mitarbeitenden fällt auf, dass 34% im Bereich Forschung und Entwicklung arbeiten, ein Ausweis für die High Tech Orientierung.

Ach ja: Diese Woche konnte Aixtron auch mal wieder etwas Positives zum Kerngeschäft kommunizieren. Der japanische Konzern orderte Toyoda Gosei eine verbesserte 5×4-Zoll CRIUS Close Coupled Showerhead-Anlage für die Herstellung blauer und ultravioletter LED. Die Auslieferung der Anlage soll in der ersten Jahreshälfte 2017 erfolgen. Wenn es Aixtron dann in dieser Form noch gibt.

Ein längerfristig eigenes Überleben – man denke etwa nur an die Aufnahme von Fremdkapital am Kapitalmarkt oder bei den immer noch knausernden Banken in Europa – unter den derzeitigen Bedingungen dürfte für Aixtron nicht mal eben so zu wuppen sein.

Von außen betrachtet kann man allerdings schon fragen, ob das Unternehmen so ein strategisch wichtiger Kracher ist, wie Berlin und Washington derzeit unken. Und, warum, wenn dem so wäre, nicht schon längst der Bund als (Mehrheits-) Eigner eingestiegen ist, wie es etwa Brauch in Frankreich wäre.

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