Man kann ein Produkt in Ruhe und Bescheidenheit erst mal konzipieren, entwickeln, testen und verbessern. Oder man macht es wie Magic Leap: den Marketing-Mund ziemlich voll nehmen, nix konkretes kommunizieren, und auch den wenigen Journalisten den man Einblick gewährt, nicht das zeigen, was man eigentlich hat. Zwischendurch wieder etwas herum-geheimnissen und so fort. Für Aufmerksamkeit hat es gereicht – auch bei Investoren. Denn wenn man auf halbem Wege 1 Milliarde US-Dollar einwerben will, muss man schon ein wenig trommeln.
Geld wurde und wird bei Magic Leap benötigt – aber institutionelle Investoren gaben und geben gerne. Letzter prominenter Kapitalgeber mit einem Betrag von 400 Mio. Dollar ist der Saudi Arabia Public Investment Fund, der Anfang März 2018 eingestiegen ist. Insgesamt hat das Unternehmen von seinen Geldgebern – zu ihnen zählen Qualcomm, Temasek, EDBI, Grupo Globo, Janus Henderson Investors, Alibaba Group, Fidelity Management and Research Company, Google LLC, J.P. Morgan Investment Management, von T. Rowe Price Associates, Inc. verwaltete Fonds sowie Axel Springer Digital Ventures – seit Gründung 2011 Kapital in Höhe von 2,3 Milliarden US-Dollar eingeworben.
Die Wirtschaftsnachrichtenagentur Bloomberg errechnete im September 2017 den Unternehmenswert von Magic Leap. Laut Bloomberg lag er zu diesem Zeitpunkt bei 6 Mrd. Dollar.
Hauptsitz ist Plantation, Florida. Magic Leap ist nach aktuellen Firmenangaben auch mit Standorten in den USA, Neuseeland, Israel sowie der Schweiz vertreten. Büros oder andere Dependancen gibt es demnach in Los Angeles, Sunnyvale, San Francisco, Seattle, Austin, Dallas, Zürich, Wellington, Haifa und Tel Aviv. Verschiedenen Presseberichten zufolge werden etwa 1.400 Mitarbeitende beschäftigt.
Der ganze Aufwand hat wohl gelohnt: Inzwischen hat Magic Leap sein SDK für die Entwickler freigegeben und auch seine eigene proprietäre Hardware an diese ausgeliefert. Bei dem Device „Magic Leap One“ handelt es sich um eine Brille, die auch unter dem geschützten Begriff Digital Lightfield vermarktet werden dürfte. Zumindest wird die Brille auf der Website derzeit so bezeichnet, auch die genutzte Technologie. Da das Unternehmen sich zu einem früheren Zeitpunkt auch Namensrechte am Begriff Sensorywear gesichert hatte, wäre auch dies ein möglicher Produktname.
Wichtiger sind bei dem Mixed-Reality-Tool – in der Vergangenheit hat Magic Leap auch von Cinematic Reality gesprochen – und der zugrunde liegenden Software natürlich die Eigenschaften, die es von anderen Devices oder Technologien abgrenzen sollen.
Die Hardware
Genutzt wird ein Triple, bestehend aus:
- einer Brille
- einem damit verbundenen Rechner, der mit Kabel verbunden ist und am Gürtel des Nutzers befestigt werden kann
- sowie einer kleine Steuerung für die Hand
Die Technologie
Derzeit macht das Unternehmen diese Angaben:
- Digital Lightfield: „Unsere Lichtfeld-Photonik erzeugt digitales Licht in verschiedenen Tiefen und fügt sich nahtlos in das natürliche Licht ein, um lebensechte digitale Objekte zu erzeugen, die in der realen Welt koexistieren.“ Diese Technologie ermögliche dem Gehirn, digitale Objekte auf die gleiche Art und Weise zu verarbeiten, wie es Objekte aus der realen Welt verwende. Offenbar wird also mit Lichtfeldern beziehungsweise einem plenoptischen System gearbeitet.
- Visual Perception: „Die Sensor-Suite von Magic Leap One erkennt Oberflächen, Ebenen und Objekte und erlaubt die digitale Rekonstruktion in einer physischen Umgebung.“ Das Ergebnis sei ein System, dass das sieht, was der Nutzer sieht und virtuelle Objekte mit erfasst. Diese können der Beschreibung zufolge quasi überall erscheinen – alles wird so zum Display, dass dreidimensionale Bild-Infos gibt.
- Persistent Objects: Die Raum-Mapping-Technologie des Unternehmens bilde eine digitale Kopie der physischen Umgebung des Nutzers. Erkennung und Speicherung der genauen Position von Wänden, Oberflächen und anderen physischen Objekten gehört dazu. Die virtuellen Lichtfeld-Objekte verbleiben dort, wo der Nutzer sie abstellt, wie in der Realität. Ein explizit genanntes Beispiel: „Stellen Sie einen virtuellen Fernseher auf Ihren Kaminsims. Wenn Sie später zurückkehren, wird der Fernseher genau dort sein, wo Sie ihn gelassen haben.
Auch an einer anderen Stelle der Website wirbt Magic Leap damit, dass quasi alles zum Screen oder Objekt werden kann und bebildert dies mit einem Einzelhandels-Szenario. Setzt sich das System durch, könnte es dazu führen, dass auch in B2B-Anwendungen die ein oder andere Investition nicht in einen physischen Screen erfolgt, sondern in diese AR/MR-Technologie. Interessant wäre diese für Retailer oder Werbungtreibende besonders dann, wenn sich mehrere Nutzer gleichzeitig mit der Magic Leap One (oder einem wie auch immer benamten Nachfolger) im physischen und virtuellen Raum bewegen und dort interagieren können.
Das Software Development Kit (SDK) ist nun für Entwickler offen. Einige von ihnen haben auch schon die Brille erhalten. Diese ist verschiedenen Berichten zufolge unter strengen Auflagen im Safe zu halten – nicht ungewöhnlich. Erst recht nicht bei Magic Leap, wo das Geheimnis bislang eine tragende Rolle spielt.