Branchenreport Lebensmittelhandel Teil IV, Seite 2

Wie betreiben Sie ihr globales Netzwerk?

Christian Vaglio-Giors: Bisher haben wir in jedem Land, in dem wir vertreten sind, ein eigenes Play-out-Center. Derzeit suchen wir allerdings nach Synergien innerhalb der Gruppe. Aber das benötigt Zeit. Technisch könnten wir innerhalb von einer Stunde das gesamte weltweite Netzwerk von hier (Genf) zentral betreiben.

Deutschland gilt als ein sehr attraktiver Markt – hat aber noch seine Geburtswehen. Wo, glauben Sie, liegen die Hindernisse?

Christian Vaglio-Giors: Ich sehe Deutschland als einen Late Adopter. Aber der „Wait and See“ Approach war eine kluge Entscheidung. Als wir begannen, lag der Capex pro Bildschirm zwischen 4000 und 5000 Euro, jetzt liegt die Investition irgendwo bei 2000 Euro. Ein gewaltiger Unterschied. Late Adopter zu sein ist also in diesem Falle absolut vorteilhaft. Außerdem kann man von den Erfahrungen, die in andern Ländern gemacht wurden, stark profitieren. Es liegt wohl in der Kultur der Deutschen.

Können Sie uns einige Details zu ihrem Netzwerk nennen?

Christian Vaglio-Giors: Wir sind zurzeit in neun Märkten vertreten: Kanada, Portugal, Spanien, Belgien, Niederlande, Schweiz, Deutschland, Italien und Polen. In Bezug auf die Screens sind wir nahe der 20.000, 18.000 sind installiert und im Betrieb. [Anmerkung: Das Interview entstand vor der UK-Investition.]

Welche Rolle spielt Kanada in Ihrer Strategie?

Christian Vaglio-Giors: Kanada ist eine große Chance für uns, da es in Bezug auf Digital Signage Europa weit voraus ist. Wir können eine Menge von den Erfahrungen in Kanada lernen. Wenn wir vor Problemen in Europa stehen, schauen wir nach Kanada und können mit den gewonnenen Erkenntnissen die Entwicklung hier in Europa besser abschätzen. Was wir in Kanada lernen, können wir dann zwei bis drei Jahre später hier in Europa nutzen.

Wir hat sich ihr Geschäftsmodell über die Zeit verändert?

Christian Vaglio-Giors: Als wir mit dem Netzwerkbetreiber-Modell starteten, waren wir die Könige. Wir waren die Ersten, die eine Finanzierung mit anboten. Die Verträge waren fantastisch: Wir mussten keine Umsätze teilen, die Händler bekamen von uns allerdings Sendezeit zugesprochen. Wir konnten senden was wir wollten – das war die Situation bis vor zwei bis drei Jahren.

Jetzt hat sich der Wettbewerb spürbar verschärft. Vor Jahren lag die Verhandlungsmacht bei den Netzwerkbetreibern, heute werden die Regeln von den Retailern festgelegt. Wir haben nun einen entwickelten Markt. Dennoch lassen sich einige Markteinsteiger teilweise auf Bedingungen ein, die nicht akzeptabel sind. Wir lehnen daher oftmals Angebote ab. Sie müssen wissen, dass Neo Advertising ein Partnermodell vertreibt. Viele Einzelhändler sehen in uns allerdings nur Lieferanten. Man muss dem Retail beibringen, dass Digital Signage nur als Partnerschaft funktioniert – wenn das nicht klappt, dann zerstört es die Geschäftsgrundlage.

Wie viel Sendezeit sprechen Sie den Händlern heute zu?

Christian Vaglio-Giors: Zu Beginn gaben wir den Händlern rund 25 %, jetzt liegt der Markttrend wohl eher bei 40 %.

Was erwarten Markenartikler von einem Digital-Signage-Netzwerk?

Christian Vaglio-Giors: Einige Markenartikler erwarten pure Reichweite – das sind die Konsumentenmarken wie Nestlé und Danone. Und dann gibt es Markenartikler mit einer sehr spitzen Zielgruppenstrategie – zum Beispiel die Pharmaunternehmen. Die Stärke des Mediums liegt darin, beide Strategien bedienen zu können.

Was wir heute allerdings noch nicht anbieten, ist die Steuerung runtergebrochen auf die Tageszeit. Wir offerieren ein Basisprogramm mit wöchentlichen Kampagnen von Montagmorgen bis Sonntagabend. Sobald wir den Buchungsprozess komplett automatisiert haben, werden wir stärker differenzieren. Ich denke mal, dass es in zwei Jahren soweit sein wird.

Sprechen wir über Automatisierung. Wie wichtig sind Standards in der Zukunft?

Christian Vaglio-Giors: Die besten Erfahrungen können wir aus dem Internet ableiten. Die Werbung im Internet entwickelte sich über viele Jahre langsam. Aber seit der Einführung von fünf Standard-Werbeformen (Banner, Leader Board, MPU etc.) funktioniert Werbung auch im Internet. Ohne Standards kann sich ein Medium nicht etablieren.

Zu einer Media-Kategorie gehören Standards. Also brauchen wir dringend welche für den Bereich der digitalen Out-of-home-Medien. Nicht nur in Bezug auf die Auflösung, sondern auch bezüglich der Roll-out-Strategien. Sobald sich Standards etabliert haben, wird der Prozess der Konsolidierung beginnen – und das ist notwendig.

Wer wird die Standardisierung vorantreiben?

Christian Vaglio-Giors: Wir hoffen, dass wir unseren Input dazu geben können, aber sicherlich werden einige neue Anbieter wie die großen Außenwerber und Black-Hat-Companies in den Markt eintreten und ihren Input geben. Wir wollen ein Teil davon sein – aber ich sehe uns eher auf dem Screen-Level agieren. Die Softwarelösungen sind dabei nicht so wichtig. In meinen Augen müssen wir über eine zentrale Verkaufsplattform nachdenken. Es wird eine Initiative geben, die als Referenz einen zentralen Buchungsprozess etabliert.

Wer kann diese Verkaufsplattform etablieren?

Christian Vaglio-Giors: Neo Advertising! Wir haben das richtige Werkzeug, die Erfahrung und wir sind einige der wenigen mit einem ordentlichen Netzwerk – wenigstens in Europa. Weltweit ist das natürlich eine andere Geschichte. Zurzeit befinden wir uns in der Überlegungsphase, eine solche Verkaufsplattform zu etablieren.