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Casual Friday

Irgendwie oldskool - Signage in Tateinheit mit Mundraub

Auch wenn nicht stets alles blinkt und flimmert, freut man sich über intelligente Wegeleitung. Erst recht, wenn man sich halbtot durch die Gänge eines fremden Krankenhauses schleppt. Nun ja, so ganz halbtot bin ich nicht wirklich - aber ein akuter Fall für den HNO, als ich kürzlich spätabends das Universitätsklinikum Regensburg erreiche. Der folgende Kurzaufenthalt bringt Erstaunliches über Signage, Sponsoring und Diebstahl in einem bayerischen Krankenhaus zutage.
Hier blinkt nichts - Wegeleitung in der Regensurger Klinik (Foto: UK Regensburg)
Hier blinkt nichts – Wegeleitung in der Regensurger Klinik (Foto: UK Regensburg)

Ich hab‘ so ’nen Hals! – Und zwar so einen: links ist er dick angeschwollen, Schlucken und Sprechen geht nich‘, das Atmen gerade noch. Selbst das Rauchen einer guten Zigarette, Marke Rothmanns, gestaltet sich inzwischen als ziemlich unkommod. Hitzewallungen und Kältewellen jagen abwechselnd durch meinen Körper. „So elend muss sich ein Zombie fühlen“, denke ich im fiebrigen Wahn.

Da, endlich. Die Lichter der Uniklinik verheißen Heilung, der Haupteingang ist schnell gefunden. Ab in die Notaufnahme. Ein wenig Glück gehört dazu: wenig Warten, schnelle und knorke Behandlung sind angesagt. Schade insofern, als der Autor dieser Zeilen leider nur kurz den mit grasgrünen Elementen aufgelockerten Bereich der Ambulanz begutachten kann, wo ein großes Samsung-Display in angemessener Lautstärke das n-tv-Programm abspielt. Doch vorerst genug von 4K Ultra HD, Multitouch-Tischen und Steglos-Displays. Jetzt will man mir hier erst mal an die Gurgel.

Spalt N – schaltet den Abszess ab, schnell

Mit eitriger Mandel samt überreifem Abszess lässt sich nun auch schwer recherchierend nachhaken. Erst recht, wenn einem die Ärztin mit langen, spitzen Gerätschaften in den Tiefen des Halses herumstochert. Wenigstens gab es vorher ein Bananenspray in die Mundhöhle – plus einer Spritze in den Gaumen. Konnte ich vorher kaum reden, bin ich aktuell zum Schweigen verdammt. So muss vorerst die mir auf der Zunge brennende Frage unbeantwortet bleiben, ob TV-Wartezimmer oder andere Branchengrößen hier ihren Content ausspielen.

Kein Spielzeug - Kunst am UKR-Bau (Foto: Kletschke/ invidis.de)
Kein Spielgerät – Kunst am UKR-Bau (Foto: Kletschke/ invidis.de)

Schnell, professionell und schmerzfrei wird der Fremdkörper in meinem Rachen gespalten. Ganz ohne Spalt N. Und nach lokaler Betäubung sieht man – aufrecht sitzend im Rolli –  immer noch recht gut, durch welche Gebäudeteile man Richtung Station gefahren wird. Piktogramme und Wegweiser an allen Orten, wenn auch kein zu dicht bepflanzter Schilderwald. Mein Plan: Wenn schon ein paar Tage Uniklinik, dann nehmen wir eine Geschichte mit nach Hause.

Zefix – nix mit Hightech

Displaymäßig das Highlight - abgesehen vom n-tv-Schirm in der Notaufnahme (Foto: Kletschke/ invidis.de)
Displaymäßig das Highlight – abgesehen vom n-tv-Schirm in der Notaufnahme (Foto: Kletschke/ invidis.de)

Aber ach: keine digitale Beschilderung, nirgends. Zefix und Sapperlot-Nocheins! Auch die tags drauf folgenden Streifzüge durch die Gänge des Krankenhauses bringen keine state of the art-Technologie zu Tage. Das Display in der Cafetaria ist da schon das Highlight am Universitätsklinikum Regensburg (UKR). In Punkto Marketing ist der hiesige Kantinenbetreiber jedenfalls auf der Höhe der Zeit: ein elftes Heißgetränk gratis – bei Abnahme von zehn. So viel Tassen Kaffee trinke aber selbst ich nicht auf einmal.

Und die Technik? Gibt’s das? Feinste medizinische Apparaturen: Laser, Kernspintomographen, fiepende und leuchtende Gerätschaften von Drägerwerk und Co; Forschung und Lehre sowie gute Behandlung – aber keine digitalen Beschilderungen? – Ja, dat gibbet.

Irgendwie oldskool hier. Wenn‘s um Signage und Co. geht, zumindest. Wollen mal den Dingen auf den Grund gehen. Eine interne Quelle findet sich überall. Da ist er ja, unser Informant. Na ja, es sei halt schon mal dran gedacht worden, mal etwas mehr mit der Zeit zu gehen, sagt er. Und lässt schnell durchblicken, dass leider auch nachgerechnet wurde. Wichtiger aber, warum man es bei den bunten Piktogramm-Schildern in den Gängen und den althergebrachten Bürobeschriftungen belassen hat, ist seiner Meinung nach ein anderer Aspekt.

Farbenfroh  und gut orientiert - auch mit herkömmlicher Beschilderung findet jeder seinen Weg (Foto: UK Regensburg)
Farbenfroh und gut orientiert – auch mit herkömmlicher Beschilderung findet jeder seinen Weg (Foto: UK Regensburg)

Flatterhaft – Ärzte in wehenden Kitteln

„Die ziehen ja ständig um“, seufzt der Techniker. Klar, wir sehen und hören sie auf den Gängen laufen oder über sie gleiten, ja schweben: flatterhaft wechselnde Ober-, Assistenz- und Sonstwas-Ärztinnen und -Ärzte in ihren wehenden blauen, grünen und weißen Kitteln – flink und gut besohlt; wahlweise mit knallbunten quietschenden Nike-Turnschuhen, in distinguiert wirkenden, genoppten Wildleder-Slippern von Tod’s oder den klassisch schleichenden Segelschuhen und Mokassins diverser Hersteller. Die wuseln wirklich so durch die Gänge. Auch, wenn sie mal wieder umziehen.

Da nehme man halt schnell das alte Schild an der Tür zum Ärztezimmer ab, ersetze es und setze das alte bei Bedarf an anderer Stelle wieder ein, so der klandestin mit mir kommunizierende UKR-Mitarbeiter. Meinen Einwand, man könne ditte doch auch digital ganz famos umsetzen, lässt er nicht gelten. „Klar, wenn wir alles über ein Netzwerk laufen lassen könnten: prima!“. Allerdings brauche man die alten Schilder in den Gebäudeteilen, die renoviert würden. Und, Sie ahnen es: Umbau ist am UKR dauernd irgendwo.

Mundraub – Langfinger klauen das Frühstück

Der Wagen bleibt wo er ist - BMW-Sponsoring in der physikalischen Therapie (Foto: Kletschke/ invidis.de)
Der Wagen bleibt wo er ist – BMW-Sponsoring in der physikalischen Therapie (Foto: Kletschke/ invidis.de)

Möglicherweise spielt aber auch die Kriminalität eine gewisse Rolle, wurde doch just in dieser Woche publik, dass Regensburg die bayernweit ungünstigste Kriminalitätsrate hat – also, ungünstig für die Opfer von Kriminalität. Wie schon in den Vorjahren, treiben vor allem die Langfinger in der Stadt ihr Unwesen. Die Schuldigen sind – laut Polizei im Freistaat – etwa in Studentenkreisen und bei tschechischen Kriminellen zu suchen. Das mit den Studenten leuchtet mir sofort ein.

Was ein Glück, dass mir nur an zwei Tagen hintereinander jeweils das Frühstücksbrötchen geklaut wurde, denke ich im Nachhinein. Vielleicht war es ja ein armer Medizinstudent, dem der zweifach vollendete Mundraub anzulasten gewesen wäre. Rätselhafterweise gibt es keinerlei Versuche, mir das ultra-superleckere Vanille-Eis des mir bis dato völlig unbekannten belgischen Herstellers Ysco abspenstig zu machen, das ich – leider nur in homöopathischen Dosen à 80 Millilitern – zu den meisten Mahlzeiten serviert bekomme. Warum will das keiner stehlen? Versteh‘ einer die Ganoven.

Kein Diebesgut - belgisches Vanille-Eis für die Mandel (Foto: Kletschke/ invidis.de)
Kein Diebesgut – belgisches Vanille-Eis für die Mandel (Foto: Kletschke/ invidis.de)

Sitzschule – der BMW bleibt stehen

Ob ominöse tschechische Diebesbanden sich nun wiederum mehr dem Klau von alten Wegweiser-Schildchen zugewandt haben, das ist wieder so ein heikel bayerisch-tschechisches Dialog-Dings. Und in die politische Diskussion oder die Polizeiarbeit wollen wir uns nun wirklich nicht einmischen. Allerdings wären wie auch immer abgängige alte Schilder schneller und günstiger zu ersetzen, als entwendete Displays.

Nicht geklaut wurde während meines kurzen Gastspiels am UKR übrigens der BMW. Der steht immer noch da, wo er hingehört – inmitten der Gänge. Nicht als Mahnmal vor der Unfallchirurgie, sondern als Sponsoring-Objekt in der Nähe der physikalischen Therapie. In dem Wagen soll das richtige Sitzen gelernt werden, wie ein Schild an dem silberfarbenen Viertürer verkündet. Möglicherweise steckt aber auch eine ausgefuchste, perfide Abschreckungsstrategie dahinter; psychologische, asymetrische Kriegsführung gegen potenzielle olle Stehler und Hehler der Prachtlimousine: Denn wer schon mal gesessen hat, der sucht vielleicht vorher das Weite – bevor er wieder einfährt.

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