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Casual Freitag

IFA 2014 - Zurück in die Zukunft, soweit die Füße tragen

Berlin | Das Motto der diesjährigen IFA lautet „Official Partner of the Future – since 1924“. Die weisen und leider auch schon uralten invidis-Reporter Florian Rotberg und Thomas Kletschke haben sich unter dem Messeturm umgeschaut und eine glückliche Insel aus der Vergangenheit vorgefunden. Zurück in die Zukunft, mit dem Casual Friday-Team.

Es ist wie so manches Mal, nur härter: Gegeben wird der Wir-sind-auf-der-Messe-also-wie-auf-dem-Marsch-in-ein-sibirisches-Lager-hundemüde-kaputt-und-doch-noch-da, denn schließlich-fängt-der-ganze-Spaß-nach-ein-paar-Stunden-erst-so-richtig-an-und-es-wird-garantiert-noch-cooler-wir-rocken-das-trotz-all-der-Qual-Film Soweit die Füße tragen in der sechsteiligen TV-Fassung von 1959. Nur schlimmer. Und in 3D plus X.

Heute gibt es den Film nämlich sogar mit olfaktorischen Special Effects auf 70mm Todd AO. Die Sonne scheint, brennend heißer Wüstensand und so. Okay, eigentlich ist es nur angenehm warm. Aber heiß genug, um die Füße stärker qualmen zu lassen als die brennende, filterlose Eckstein No. 5 im Mundwinkel. Freddy Quinn für Arme. Dabei hatte ich für jeden Messetag ein je eigenes Paar Schuhe eingeplant. Plus je zwei Paar Socken pro Tag.

In dieser Bar schlürften wir beinahe einen Cognac (Foto: invidis.de)
In dieser Bar schlürften wir beinahe einen Cognac (Foto: invidis.de)

Workuta unterm Messeturm also. Allerdings bei Transpirationsbedingungen wie in El Alamein. Lediglich der Wasserspender, den die Berliner Wasserbetriebe im Pressezentrum als wirkungsvolle humantitäre Geste installiert haben, hat zuvor dafür gesorgt, dass wir unseren ausgemergelten Messe-Körpern neben Nikotin und homöopathischen Dosen von Koffein noch so etwas wie Nährstoffe zuführen konnten.

Deren Rest ist schließlich längst schon verbrannt wie altes Zelluloid neben dem Kamin: die ganzen Dextro Energen, die fettigen Croissants vom Hotel-Buffet, das fischige Finger Food-Zeugs, die Low Fat-Vitamin-Säfte aus der Saftpresse an irgendeinem Stand im fünften Untergeschoss der Messe. Auch das, was zuvor verzehrte Bananen und die letzten Kodein-Tropfen (immer in Maßen zu genießen) an Vitamin und schmerzabtötenden, nach vorne bringenden Wirkstoffen geliefert hatten ist seit etwa 11:45 Uhr futsch. Gespräche, Gedrängel, all das Ganz-Neue-kommen-S’e-vorbei-schau’n-S’e-rein fordern im Messealltag ihren Tribut.

Mehr Farbe wagen. Mosaik auf dem Berliner Messegelände (Foto: invidis.de)
Mehr Farbe wagen. Mosaik auf dem Berliner Messegelände (Foto: invidis.de)

Die Hälfte des invidis-Teams hat die Orientierung verloren. Bei der Hallen-Nummerierung scheint der Berliner so vorzugehen, wie bei der Präsentation der schönsten Seiten seiner Stadt: undurchsichtig. Zum Glück ist Commandante Rotberg auf dem IFA-Gelände aufgrund vorheriger Streifzüge besser orientiert. Endlich verlassen wir wieder eine dieser Hallen, wollen uns von hinten zum nächsten Stand durchschlagen, betreten dabei freies Terrain. Raus durch eine Halle – die, hätte sie eine geringere Deckenhöhe, auch auf dem Flughafen Tempelhof hätte stehen können.

Da, noch kurz vor dem Ausbruch in die Freiheit des offenen Geländes das Kirchenfenster mit dem Berliner Bären. Muss der Messe-Tempel sein, denke ich noch, nach draußen strauchelnd. 1 2

(Ad1: Später habe ich dann herausgefunden, dass der wahre Messetempel Raum der Stille heißt, in dem sich aber nur noch des-orientiertere Fernseh-Kollegen, die sich auf der Suche nach dem Pressezentrum verirrt hatten, dort aufhalten. Und das waren nicht die Jungs von den japanischen TV-Stationen, sondern irgendwelche Lamer aus Brandenburg). (Ad2: Freie Haupstadtjournalisten: Spätestens seit 2014 trägt der wirklich über allem stehende Haupstadtjournalist abgewetzte 70er-Jahre-Schlaghosen-Anzüge beliebiger Farbe, gerne kombiniert mit Base-Caps, Zöpfchen und extreeeeem bequeme, ausgelutschte Turnschuhe, wie wir beobachten konnten. Letzteres macht durchaus Sinn).

Raus aus dem 50er-Jahre-Tempel, an der Ecke, der mich für all die Qual entlohnt. So müssen sie sich auf der IFA 1954 oder 1956 gefühlt haben. Die Mühsal und den Marsch beendet, vielleicht so langsam im Frieden angekommen. Und da, sie werden sie damals auch gesehen haben, da ist sie: Die Oase. Die Oase, die uns jetzt in der Zeit zurückbeamt. Ruhe. Energie. Und Nierentische. Also fast.

Fast wie im Kölner Dom: "Kirchenfenster" auf dem Messegelände (Foto: invidis.de)
Fast wie im Kölner Dom: „Kirchenfenster“ auf dem Messegelände (Foto: invidis.de)

Gemeinsam mit Drill Seargent Rotberg genieße ich die Aussicht für ein paar Minuten: die Laternen, der Springbrunnen, das Haus. Schönste Wirtschaftswunder-Architektur, die Neonröhren, die nicht durch LEDs ersetzt wurden und es ausnahmsweise auch nicht werden sollten. Restaurant, kündet es da, geschwungen und in herrlichem Bienen-Gelb. Oder: Bar. Einfach nur Bar und in Satt-Rote-Lippen-soll-man-Küssen-Gus-Backus-Rot. Für eine lange Zeit schwelgen der Commandante und ich in kollektiven Erinnerungen an die gute alte Zeit: Petticoat, Radio im amerikanischen Sektor und Rock and Roll.

So muss es auf der IFA 1954 gelaufen sein: leise Tazmusik spielt – während zugleich die ersten Berliner Rockabillys vor dem Tor randalieren und die mit mintgrünem Cotton bespannten Holzliegestühle durch das Fenster mit dem Berliner Bären zu schmeißen versuchen – und Paare – er in schwarzem oder, ganz gewagt: hellblauem Smoking, sie im rot oder blau mit weiß gepunkteten Petticoat sich zu Peter Kraus‘ neustem Kracher im Kreise drehen.

Ein paar Meter weiter sind wir wieder im Hier und Jetzt. Ein paar Break-Dancer proben für ihren Open Air-Auftritt. Wenn ich deren Moves sehe, kommt der Schmerz wieder hoch, die müden Knochen wollen nicht mehr. Aber: Wir sind unterwegs im Namen der nahen Zukunft. Und irgendwie gibt es ja immer was Neues zu feiern. Oder was gar nicht so Schlechtes oder Cooles, neues.

Restaurant auf dem Berliner Messegelände (Foto: invidis.de)
Restaurant auf dem Berliner Messegelände (Foto: invidis.de)

Denn nicht nur die IFA feiert Jubiläum unterm Funkturm, wo sich seit 90 Jahren die Unterhaltungsindustrie jährlich im Spätsommer trifft. Heute und morgen wollen wir noch ein paar coole Sachen anschauen. Sowas wie Rockabilly-Revolte gepaart mit Nierentisch-Design. Zurück in der Realitär. Kurz fragt mich eine innere Stimme: Hunde, wollt ihr ewig leben? – Ich antworte: Klar, warum nich‘, Wird doch grad erst so richtig spannend. Schultere meinen Kram – und los. Zurück in die Zukunft.

Beziehungsweise Gegenwart: Am Sonntag schaue ich einen dieser IFA-TV-Beiträge eines großen deutschen Fernsehsenders. Die arme Reporterin muss Wearables testen. Also: Rennen! Zum Glück in Laufschuhen, aber: joggen, joggen, joggen. Und siehe da: An dem netten 50er-Jahre-Restaurant startet sie und macht dort auch halt, um ihr Resümee in die Kamera zu sprechen. Was ein Glück, dass ich keine Wearables testen muss, denke ich. Entspannt lehne ich mich, mich am Tresen der 50er-Jahre-Bar festhaltend, zurück, betrachte versonnen das Farbenspiel de Branntweins in meinem Cognac-Schwenker und zünde mir eine letzte Senior Service an, bevor mich die Pullmann-Limousine zum PanAm-First-Class-Schalter fahren wird.

Oder packe einfach meine Sachen, checke aus und werde am Hauptbahnhof Berlin geduldig warten, bis einer der Züge mit 15 bis 200 Minuten Verspätung sich Richtung Bayern bewegt. Hoffentlich ein Zug, in dem ich mein müdes Haupt und vor allem die durch Blasen und Druckstellen geschundenen Mauken niederlegen kann. Wird schon klappen – ganz sicher.

Den richtigen Blick in die Digital Signage-Zukunft gibt es auf der 8. OVAB Digital Signage Conference Munich, am 18. September in der invidis-Keynote von Florian Rotberg und Oliver Schwede

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