Cheil Germany gehört zu Samsung, hat sich aber schon seit einiger Zeit mit Kunden wie DHL oder Lufthansa eine breitere Basis geschaffen. Man leistet sich den Luxus, außergewöhnliche Projekte umzusetzen – gerne mit Partnern. Dass das für die Werbungtreibenden nicht bloß Geldausgeben und ein paar Marketingpreise bedeutet, zeigten einige Cases, die Serres nach Frankfurt mitgebracht hatte.
Sie sollen seine These unterfüttern, dass erfolgreiches digitales Marketing immer dann entsteht, wenn multifunktionale Organisationen an einem Projekt arbeiten. Global skalierbar und kreativtechnologisch soll es sein. Heißt: global angedacht und in groben Zügen steuerbar – aber so flexibel, dass eine Kampagne lokal angepasst gefahren wird. Heißt auch: reine Technikhuberei und bloße Kreation reichen nicht.
Dann klappt das auch, Touchpoints zu Salespoints zu machen, dessen ist Volker Selle sicher. Inspiration zeigte er in kurzen Videos. Etwa den Rich Bitch Fridge, den seine Agentur auch auf der EuroShop 2014 präsentiert hatte. Ein Külschrank mit Social Media-Anbindung – und eine Goldgrube.
Die Geschichte ist schnell erzählt: Du bist männlich, kommst nicht in den Club, möchtest dort aber dennoch jemanden kennenlernen? Gib doch via Facebook einer jungen Frau eine Dose Prosecco aus. Die wird in der Disco zugreifen – und vielleicht klappt es ja dann mit dem Date. Schließlich kannst du zeitgleich an mehreren Orten einen auf dicke Hose machen (Video siehe im oben verlinkten Artikel).
Das war die Agenturperspektive. Aber Art Directors‘ Lieblingstraum erfreut auch die Zahlen-Fetischisten in der Marketingabteilung des Auftraggebers: Das Projekt generierte über 20% bessere Marken-Awarenss sowie 22% Umsatzanstieg. Die Formel „rechnet sich“ ist also noch vornehm untertrieben. Schafft zwei, drei, viele Rich Bitch Fridges, will man da skandieren.
Wie Selle gegenüber invidis sagte, schafft man sich quasi sein eigenes Medium mit so einer Kampagne. Im Gespräch erklärte er auch, warum man keine transparenten Screens bei dem Anmach-Kühlschrank gewählt hat: In vielen Discos und Clubs enthält der Kühlschrank auch diverse Getränke anderer Hersteller. Details wie diese kommen erst schon in der Planung zum Vorschein, wenn man kreativtechnologisch herangeht – also gemeinsam.
Und wie präsentiere ich meine Weiße Ware? Ein paar Quadratmeter am PoS können ausreichen. Das zeigt der Samsung Centerstage. Man nehme: eine interaktive Ultra HD Video Wall, ein Team von Kreativen und Codern in New York und Seoul (in diesem Falle Cheils Tochter Barbarian Group) – fertig ist die Laube. Eine emotionale und hoch informative sowie die Marke witer aufwertende Kampagne, die Wäschetrockner, Spülmaschine oder Kühlschrank so zeigt, wie sie sie bei Bauknecht wohl noch in 7 Jahren nicht erleben werden (Video: hier).
Selle hat noch ein aktuelles Beispiel mitgebracht, das inspiriert: Dunkin‘ Donuts hat in Seoul in einer Kampagne Radiowerbung mit einer Out-of-Home-Umsetzung kombiniert. In Bussen ließ der Werbungtreibende Duftspender installieren. Wurde während der Fahrt der Buslinie ein Spot mit einem bestimmten Jingle gespielt, versprühten die mit Sensorik ausgestatteten Duftspender einen hauch von Kaffeeduft. Stiegen Kunden an der Haltestelle aus, wurden sie mit CLPs und anderen Außenwerbemitteln zur nächtsen DD-Fililae geleitet. Damit konnte das Ziel, Dunkin‘ Donuts auch als Coffeshop zu positionieren – und Starbucks ein paar Kunden abzujagen – voll und ganz erfüllt werden: 16% mehr Visits in den Filialen, 29% Plus bei den Abverkäufen (Video unten).
Experience, Omnichannel und Datafication sind für Volker Selle drei der Themen, die Retail schon jetzt und in naher Zukunft vorantreiben. Möglich ist da einiges. Mondelez etwa will ab 2015 Smart Shelves ausrollen, die mit Microsofts Kinetic arbeiten. Noch, so wundert sich Volker Selle, gehen kleine und große Marken zu zaghaft oder einseitig daran, zusammenzubringen, was digitale Kommunikation erst so richtig rund machen kann.
Wie meinte er zur Einleitung? „Wir sind die vielleicht unbekannteste Agentur Deutschlands.“ Bestimmt nicht mehr lange.