An manchen Tagen kann es sich rächen, wenn man sich verkatert und somit reaktionsverzögert auf den Weg ins Büro macht. Vielleicht ist man dann allerdings auch ein wenig abgeklärter. Oder: Man geht ähnlich unbedarft und froh auf übergroße Lebewesen zu wie ein Kind.
Das weißfellige Raubtier jedenfalls sorgte nicht für Commuter-Gulasch oder Pendler-Hackepeter, sondern blieb absolut friedlich. Damit verhielt sich das in Diensten von Sky durch die Tube und andere Orte Londons streifende imposante Tier anders als die meisten seiner Testimonial-Kollegen, die in letzter Zeit für den TV-Sender weltweit unterwegs waren. Kein Drache am Airport, und kein ähnlich hungriger Bär wie die Zombies an Wiens Trambahn-Haltestelle.
Glücklicherweise war der Londoner Eisbär auch wesentlich friedfertiger gestimmt, als die Ufos, die Pepsi auf London losgelassen hatte – und die auf sehr irdische Art und Weise, basierend auf menschlicher Augmented Reality-Technologie, das Fliegen gelernt hatten. Es wurden auch keinerlei Züge oder Autos durch die Luft geschleudert, wie bei dem Horror-Sturm des Grauens, der Australien im vergangenen Jahr heimgesucht hatte.
Der 8 ft beziehungsweise gut 2,4 m lange, aber süße und lammfromme Ursus maritimus von London, der in Charing Cross, Southbank und Hampstead Heath unterwegs war, war Teil einer Out-of-Home-Aktion des TV-Senders Sky Atlantic, der damit die neue Serie Fortitude bewirbt; in der – Sie ahnen es – neben 713 menschlichen Charakteren etwa 3.000 Polarbären auftreten werden.
Bei der Umsetzung wurde keine AR verwendet, sondern ein mit Liebe zum Detail gebautes, steuerbares Modell eingesetzt. Neben integrierter Elektronik, Mechanik und zwei Kameras sorgte von außen eine flauschige Verpackung aus 90 ft² oder 8,36 m² (Kunst-) Fell für den lebensechten Eindruck.
Entwickelt wurde der Ursus maritimus Lononiensis von einem 19-köpfigen Hollywood SFX-Team, das acht Wochen für Design und Konstruktion brauchte. Zwei Puppenspieler erweckten den Eisbären zum Leben. Reale Vorbilder für den Bären waren Aufnahmen des Fotografen David Parry, der in seinem Blog die tapfere Londoner Zivilbevölkerung lobt. Lediglich ein paar Hunde hatten demnach wohl großen Respekt, respektive eine Heidenangst oder Mega-Schiß vor dem zahmen Wildtier.
Momentan scheint die Bedrohungslage, auf Londons Straßen von einer fliegenden Untertasse, oder in der Metro von einem Knuddelbär attackiert zu werden, also sehr überschaubar zu sein.
Ungemach könnte eher von der Spezies der Bicyclisten drohen. Hat doch die Londoner Designagentur Gensler vorgeschlagen, ungenutzte Tunnel des U-Bahnsystems für Fahrradfahrer freizugeben. Damit man dann ungestört an den ebenfalls vorgesehenen virtuellen Shopping Kiosken einkaufen kann, bedarf es sicherlich noch eines Feintunings.