10 Jahre Prysm, 5 Jahre LPD

Wieso Prysm in Europa jetzt richtig durchstarten kann

Den kleinen High Ender Prysm kennt jeder. Aber die vor 10 Jahren gegründete US-Company hat in Kontinentaleuropa bisher kaum Fuß gefasst. Das könnte sich aus mehreren Gründen bald ändern. Eine Analyse.
Olympic Video Wall in Boston (Foto: Prysm)
Olympic Video Wall in Boston (Foto: Prysm)

„Prysm? – Das sind doch die verrückten Kalifornier mit dem Laser-Dings. Ja schaue ich mir an, aber dann muss ich noch zu XY. Bin schließlich wegen des Geschäfts hier.“ – Solche Gespräche konnte man auf mancher ISE belauschen, auch wenn Prysm auf der gleichen Messe mal wieder einen Award einheimste.

Die Firma aus dem Silicon Valley gilt vielen in Kontinentaleuropa als High End, ist aber kaum am Markt durchsetzbar. In UK ist der Markt auch für solche Lösungen traditionell offener. In den USA und anderen internationalen Märkten, etwa in den Golfstaaten, verkauft sich Prysm seit Jahren. Ein wenig so wie Tesla oder Lexus vielleicht, wenn man eine Analogie zur Automobilbranche nehmen möchte.

Warum jeder Prysm kennt: Alles begann 2005, als sich Zwei zusammentaten, und erst einmal alles, was man bislang über Large Format Displays zu wissen glaubte, negierten. Zwei, die unbedingt die Video Wall neu erfinden wollten. Amit Jain und Roger Hajjar – die offenbar auch eine Vorliebe für sowjetische Raumfahrtgeschichte haben – gründeten Spudnik Inc. und begaben sich auf die Reise in eine neue Galaxie.

Keine fünf Jahre später tauchten die Spudniks wieder im irdischen Orbit auf. Von ihrem Trip hatten sie diverse Patente und ein neues Produkt mitgebracht, sowie zwischendurch auch Geld aufgetrieben – etwa 35 Millionen US-Dollar von institutionellen Geldgebern. Das Laser Phosphor Display (LPDs) war geboren.

Zugleich benannte man sich 2010 in Prysm um, und hatte schon eine 100 Mann starke Truppe um sich versammelt. Auf der ISE 2010 waren erste LPD-Prototypen zu sehen – da noch hinter verschlossenen Türen. invidis hoffte, die neue Technik, die wir damals hier erklärten, auf der Screenmedia Expo in London in voller Pracht erleben zu können.

Cascade Video Wall beim SaaS-Anbieter Apttus (Foto: Prysm)
Cascade Video Wall beim SaaS-Anbieter Apttus (Foto: Prysm)

Anfang 2011 kamen dann die ersten Seriengeräte, die auch invidis auf der ISE 2011 sah und lobend erwähnte: unter „Exoten“. Auch in Deutschland fand sich jemand, der an das Produkt glaubte: die ICT AG bot Prysm seit Frühjahr 2011 an. In einer News dazu zitierten wir die Kohlberger Spezialisten, die die konkave Formen in der Video Wall-Konfiguration sowie den damals branchenweit absolut raren Blickwinkel von 178° so fanden: „unschlagbar“.

Im Herbst des selben Jahres berichteten US-Medien dann, Prysm habe sich vom Scrappy Start-up zum Major Player gemausert. Die Geldgeber hatten das mit weiteren 100 Millionen Bucks ermöglicht. Vor der dann folgenden ISE 2012 gab es erste berichtenswerte Roll outs. Wir fragten: Alles Laser oder was?

Laser: Nach wie vor der USP bei Prysm sind die sich von LED und LCD fundamental unterscheidenden LPDs, die man vor allem mit dem Argument 75 % weniger Energieverbrauch als die Konkurrenz verkauft.

Seit einiger Zeit bietet Prysm auch Lösungen mit „Was“ an. Denn nicht mehr alleine LPDs kommen zum Einsatz, sondern auch LCDs. Zudem kooperiert Prysm seit 2 Jahren auch mit Cisco, was der Produktpalette eine Vergrößerung brachte.

Was ist wo drin? Prysm hat zwei Linien: Olympic und Cascade. Wo Olympic drauf steht, sind die 40″ x 10″ LPD-Tiles drin. Damit lassen sich locker 35 m breite und 3 m hohe Ultra HD-Video Walls basteln. Wo Cascade drauf steht, kann LPD oder LCD verbaut sein. Es gibt aktuell vier Cascade Walls: 65″ und 95″ (LCD), 117″ und 190″ (LPD).

Prysm legt bei den Cascade-Modellen – die beiden kleinen sind UHD, die großen 2x Full HD (190″) bzw. 2.135 x 1.280p (117″) – besonderen Wert auf Usability. Funktionen: beliebige Inhalte wie Office-Dokumente oder Multimedia-Dateien teilen, frei positionieren, skalieren; per Multitouch, PC oder Smartphone mit Anmerkungen versehen.

Mehrere Live-Eingänge wie Video, Web-Anwendungen und Telepresence können zugleich angezeigt werden, konfigurierbare Arbeitsbereiche auf andere Displays gespiegelt, mit Gegenstellen geteilt oder von räumlich getrennten Teams simultan bearbeitet  werden. Projekte und Daten lassen sich in der Cloud freigeben und bei Bedarf von jedem anderen Cascade-System aus abrufen. Im Mai 2015 hat Prysm seine dazu notwendige Software Synthesis in der Version 2.0 gelauncht.

Prysm Video Wall am Boston University College of Engineering (Foto: Prysm)
Prysm Video Wall am Boston University College of Engineering (Foto: Prysm)

Warum Prysm den Höhenflug hierzulande fortsetzen könnte: Vom Hardwarehersteller hat man sich zum Spezialisten für High End-Darstellung wie auch Seamless Interaction gewandelt. So sind deutlich mehr Anwendungen machbar, und Kunden zu gewinnen.

Waren anfangs vor allem die spektakulären Video Walls für Konzerne, Museen, Broadcaster und sehr große Kontrollräume die bekannten Intstallationen, haben sich seit etwa 1,5 Jahren zahlreiche Universitäten, Krankenhäuser, Forschungseinrichtungen und zunehmend Unternehmen (Collaboration-Szenarien) hinzugesellt.

Auch Immobilienmakler – natürlich solche für Luxustempel – setzen auf Prysm. Der Millennium Tower Boston hat in seinem Sales Center die rund 10 m² große 4K Olympic-Wall aus dem Aufmacherfoto installiert – die dabei mitgeholfen hat, innerhalb von vier Monaten Appartements für zusammen 650 Millionen US-Dollar zu verkaufen.

Neben der Zentrale in Kalifornien sind inzwischen Prysm-Büros in Boston, Chicago, Indianapolis und New York etabliert. Auch in London, Bangalore, Dubai und Peking ist man entsprechend vertreten. Weltweit arbeiten inzwischen 250 Menschen für Prysm. Damit ist man immer noch ein Zwerg – aber ein sehr interessanter. In den USA ist Prysm derzeit auf Suche nach mehreren neuen Mitarbeitern, ein Indiz für Expansion. Mit Roel Peeters hat man Ende 2014 einen Director of Sales für Zentral- und Osteuropa eingekauft, der mit Kollege Rod Wheeler, Regional Director of Sales UK und Nordics, an den Vice President of Europe, Glenn Wastyn berichtet.

Und Deutschland? – Mit der DEKOM AG hat Prysm jetzt einen europaweiten Distributor für seine Cascade-Lösungen gefunden. Dem Vernehmen nach waren die Hamburger schon seit längerem sehr interessiert an diesem Deal. DEKOM, die zudem in der Schweiz, der Ukraine, Belgien, Frankreich, den Niederlanden sowie der Türkei aktiv ist, kann Cascade jetzt europaweit anbieten, implementieren und betreuen.

Damit haben die Spudniki von einst – nach wie vor konzernunabhängig – bei ihrer Reise als Erd-Trabanten wohl das richtige Prismenglas gefunden, und Produktentwicklung und User Experience ganz gut gebündelt und vorangetrieben. Wohl doch nicht so bekloppt.

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