Nun hat sich auch die PostAuto Schweiz AG entschieden: Ab sofort können Initiativen und Parteien ihre Spots auch in den Bussen des Unternehmens via Screen ausstrahlen lassen. Das hat die Leitung von PostAuto unlängst beschlossen.
Noch bis vor wenigen Jahren war rechtlich nicht abschließend geklärt, ob dies im Bereich der Außenwerbung und digitalen Außenwerbung zulässig sei. Besonders die SBB hatten seinerzeit einen diesbezüglichen Gegenwind gespürt. Wie so oft, wenn es in Demokratien um Politik und politische Willensbildung geht, entzünden sich die Geister schnell an den Kampagnen-Entwürfen des politischen Gegners. Besonderts die SVP gilt in der Schweiz als nicht besonders zimperlich bei Wahlwerbung.
Vergleichbar sind die aktuellen Diskussionen in Deutschland über die gerade vom Spiegel öffentlich gemachten Überlegungen innerhalb der Partei AfD, nach Terroranschlägen mit vorbereiteten Bannern und wetterbeständigen Großplakaten mit einem zynischen „Danke, Frau Merkel!“ an die Öffentlichkeit zu gehen.
In der Schweiz sorgt ein Bundesgerichtsurteil von 2012 – „Plakatierung von Werbeflächen innerhalb des Bahnhofareals“ – dafür, dass grundsätzlich politische Werbung auch in DooH möglich und erlaubt ist. Schließlich handelt es sich um ein Massenmedium. Doch auch nach solchen grundsätzlichen Klärungen gab es bei den Eidgenossen immer wieder politische Kampagnen, die stark polarisierten – etwa die Hakenkreuz-Kampagne, die Ende Februar 2016 die Gemüter erhitzte.
Für die Außenwerber ist die Freiheit, die der Gesetzgeber und Gerichte ihnen zugestehen, ein zweischneidiges Schwert. Es fällt aus gutem Grund schwer, Werbung vor-zu-zensieren (wenn nicht ganz offensichtlich schwere Rechtsbrüche ersichtlich sind) – und es wäre auch verheerend. Das nahezu europaweit durchgesetzte Außenwerbeverbot für Tabakwaren zeigt, dass der Gesetzgeber, bezogen auf Deutschland, offenbar ein Viertel der Bevölkerung über 15 Jahren für unmündig hält. In diesem Fall geht es nur um ein Genussmittel und ein paar kleinere persönliche Freiheiten sowie um zig entfallene Umsätze und weg fallende Arbeitsplätze in der Kommunikationsindustrie sowie bei den betroffenen Konzernen.
Bei Wahlwerbung aber geht es stets ums große Ganze, um Diskurse die beispielsweise in Russland schwer, in der Türkei kaum noch und in ganz vielen anderen Staaten überhaupt gar nicht geführt werden können.
Politische Werbung, die man für juristisch angreifbar hält, lässt sich immer noch über einen nachfolgenden Klageweg aushebeln – dies kann juristisch sehr schnell gehen, und lässt sich in einem digitalen Medium in Echtzeit umsetzen (Beispiel: einstweilige Verfügung und nachgehendes Abschalten des Spots). Doch man versteht, warum PostAuto bislang gezögrt hat. Denn bei Diskussionen, Protest und etwaigen juristischen Auseinandersetzungen danach trifft den Überbringer der Botschaft oftmals der Zorn der Allgemeinheit.
Alles in allem scheinen die Schweizer hier aber immer noch den bislang praktikabelsten Umgang gefunden zu haben. Gestritten wird, auch mit harten Bandagen, aber gesendet eben auch. Das bestätigt auch passengertv. „Die Erfahrung der passengertv AG mit politischer Werbung auf ihren Bildschirmen ist gut und wird von der Mehrzahl der Passagiere als Beitrag zur Meinungsbildung erlebt“, so das Unternehmen.
Die passengertv AG – Betreiber des größten und reichweitenstärksten Fahrgast TV Netzwerks in der Schweiz – prüft nach Unternehmensangaben jede Werbung darauf, ob sie den rechtlichen Normen entspricht. Bei politischer Werbung nimmt sie zusätzlich vor der Aufschaltung Rücksprache mit den Unternehmen des Öffentlichen Nahverkehrs. Das letzte Wort zur Freigabe habe dabei das ÖV-Unternehmen. „Sämtliche Parteien und politischen Anliegen werden gleichbehandelt“, heißt es. Ab jetzt gehören auch die in den Bussen von PostAuto Schweiz AG installierten Screens zu den dafür freigegebenen Flächen.