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Augmented Reality

So hackten Journalisten vor der Wahl die Plakate von Parteien

Bislang hat kein deutsches Print-Medium etwas Vergleichbares durchgezogen: Augmented Reality nutzen, um Wahlwerbung der Parteien zu kapern und redaktionell einordnend jedem Passanten Hintergrundinfos präsentieren. Ein Beispiel aus Lettland zeigt, wie es geht.
Einsatz der Pilna Bilde App im Jahr 2014 (Screenshot: invidis)
Einsatz der Pilna Bilde App im Jahr 2014 (Screenshot: invidis)

Am 24. September 2017 finden die Wahlen zum 19. Deutschen Bundestag statt. Bis dahin informieren sich die Wahlberechtigten über traditionelle Print-Medien, News-Websites, Social Media, und was es sonst noch so an analogen und digitalen Kanälen gibt. Und das sind einige.

Auch die Parteien laufen sich gerade für ihre Kampagnen warm, um später möglichst viele Stimmen zu erreichen. Selbstverständlich stellen sie sich selbst im besten Licht dar und werden den ein oder anderen politischen Gegner in ihrer Kommunikation aufs Korn nehmen. Manch eine Partei versucht es gleich mit Fake News und Propaganda pur.

Wer sich möglichst umfassend informieren will, kann sich der direkten Quellen bedienen, die ebenfalls in allen Medien- und Darstellungsformen daherkommen: Parteiprogramme, Grundsatzbeschlüsse, Plakate, Flyer, Info-Veranstaltungen, Chat Bots oder Tweets sind nur einige.

Um dabei nicht komplett unter die Räder zu geraten, werden auch in diesem Jahr viele Menschen bei der politischen Meinungs- und Willensbildung zumindest teilweise auf die Hilfe der Medien zurückgreifen, die traditionell die große Informationsmenge ordnen, verdichten und kommentieren.

Wie man dies technologisch clever, einfach handhabbar und inhaltlich tief sowie zugleich zuspitzend umsetzen kann, zeigt ein Projekt namens „Pilna Bilde“ (etwa: das vollständige Bild) von 2014 aus Lettland, das anlässlich der Lettischen Parlamentswahlen umgesetzt wurde. Das politische Magazin IR kooperierte dazu mit der Augmented Reality-App des lettischen Anbieters Overly. Immer dann, wenn Passanten an einem Wahlplakat einer Partei vorbeigingen – oder ein sonstiges Print-Produkt wie Wahlwerbezettel in der Hand hielten – konnten sie die Kamera ihres iPhones oder Android Smartphones darauf halten und bekamen Informationen der Redaktion von IR ausgespielt. Zunächst poppte jeweils eine politische Karikatur auf; später folgten dann tiefergehende kritische Inhalte (vgl. eingebettetes Video unten).

Damit hat IR einerseits seine klassische Aufgabe als Qualitätsmedium wahrgenommen und zudem einen richtig großen Erfolg eingefahren und Nutzer erreicht, die nicht zum Abonnenten-Stamm gehören: So war die App von Overly der dritthäufigste App-Download in Lettland. IR, das von einem kleinen und konzern-unabhängigen Verlag herausgegeben wird, konnte die App zu einem moderaten Preis nutzen, verrät Chefredakteurin Nellija Locmele im Gespräch mit invidis. „Wir mussten auch keine besonderen Inhalte kreieren, sondern haben Content genutzt, den wir für Online und Print sowieso recherchiert und aufbereitet hatten“, sagt Locmele.

Zum Zeitpunkt der nächsten Bundestagswahl ist diese Augmented Reality-Umsetzung also etwa drei Jahre alt. Sie ist aber immer noch so gut, dass sich hiesige Medien eine Scheibe davon abschneiden können.

Die invidis Redaktion hat bei mehreren großen Verlagshäusern in Deutschland nachgefragt, ob sie an einer entsprechenden AR-Aktion zur Bundestagswahl arbeiten: Fehlanzeige. Während einige Häuser, darunter sogar solche, die eigene AR-Abteilungen unterhalten, noch nicht einmal damit zitiert werden wollen, dass man sie angefragt hat, möchten andere, wie SWMH, die Mutter der Süddeutschen Zeitung, kein Statement abgeben. Begeistert zeigten sich allerdings zahlreiche der angefragten Häuser. Und: Bis zur Wahl ist ja noch etwas Zeit.

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