Bereits 1867 gegründet ist Canada Post mit ihren aktuell etwa 64.000 Angestellten eines der Unternehmen mit den meisten Mitarbeitern im Land. Als Post- und Paketdienstleister profitiert man natürlich schon vom E-Commerce-Boom der vergangenen Jahre.
Doch auch bei Umsatzerlösen von zuletzt 7,8 Milliarden Kanadischen Dollar – umgerechnet derzeit 5,24 Milliarden Euro – muss die Canada Post Corporation mit der Zeit gehen. Zum einen wird permanent digitalisiert um den Service bei der Auslieferung von Waren, Briefen und weiteren Gütern schnell zu halten, damit die insgesamt 8,4 Mrd. Sendungen an landesweit 16 Millionen Adressen geliefert werden können (alle Zahlen: Geschäftsjahr 2016).
Zugleich hat man sich aber auch Gedanken über das eigene stationäre Filialnetz gemacht. Seit Ende 2015 läuft deshalb ein landesweites Transformationsprojekt. Vergleichbar den vertikalen Märkten Retail Banking und Einzelhandel hat man sich entschieden, auf Flagships und kleinere Filialen zu setzen. – Aber wozu braucht und nutzt Canada Post, respektive Postes Canada, überhaupt Flagships?
In landesweit bislang drei dieser Concept Stores wird das neue Konzept erprobt und weiter angepasst. Beschlossene Sache ist allerdings, das noch zahlreiche dieser Shops folgen sollen. Das neue Konzept, das von den Retail Consultants der J.C. Williams Group gemeinsam mit der Ebeltoft Group entwickelt wurde, setzt beim E-Commerce an. Wenn Kunden schon online bestellen, dann könnten sie doch auch gleich die bestellte Ware dort anprobieren, wo sie sie abholen. Das ist einer der Gedanken. Folgerichtig verfügen die Concept Stores über einen Fitting Room. Damit sind diese Flagship-Filialen zumindest in Teilen einer Filiale des Modeeinzelhandels nicht unähnlich. Ob nun besonders die urbanen Zielgruppen dieses Angebot annehmen werden – oder ob es sich in abgespeckter Form nicht auch besonders in ländlichen Gebieten eignet, wo die nächste Postfiliale schneller erreicht werden kann, als eine mittelgroße Stadt mit ausreichender Handelsstruktur; das wird die Zeit zeigen.
Ansonsten werden die neuen Concept Stores, die jeweils zwischen 2.000 ft² und 7.000 ft² (185 m² bis 650 m²) groß sind, konsequent so ausgestattet, dass sie einen 24/7 Service bieten. Dazu werden Self-Service-Kioske eingesetzt, Multitouch-Screens und weitere digitale Tools. So gibt es eine Vending Machine und digitalisierte Paketannahmen. Der erste dieser Stores eröffnete im Herbst 2015 in Richmond Hill, Ontario. Im Jahr 2016 wurden in Edmonton und in Vancouver die anderen beiden Stores eröffnet. Aktuell betreibt Canada Post mehr als 6.200 Filialen.
Um die Digitalisierung einschließlich Digital Signage und Mobile Payment weiter und vor allem sicher durchführen zu können, wurden im Oktober 2017 noch zwei Partner mit ins Boot geholt. Neben Canada Post selbst sind Invapost – der konzerneigene IT- und Digital-Dienstleister – sowie die Digital Signage-Spezialisten von L Squared mit von der Partie. Letztere rollen im Rahmen des Projekts ihre DS-Software aus. Diese nutzt Microsoft Azure Cloud und auf azure basierende IoT-Technologie. „Digital Signage ist eine wichtige Komponente unseres In store-Marketings“, sagt Heather Norton, Manager of Retail, Canada Post. Besonders in den neuen Flagships setze man auf DS, so Norton weiter.
Digital Signage wird in den Flagships sowohl über einzelne LCD-Screens wie LCD-Videowalls genutzt. So werden beispielsweise neue Briefmarken oder Maple-Leaf-Münzen prominent auf den großen Bildwänden promotet.
Natürlich stellt die Umkleide bei der Post auch eine Konkurrenz zum örtlichen Handel dar. Aber das Konzept erlaubt auch, Kooperationen mit stationären Retailern. Denn neben dem 50ft² (4,65 m²) Fitting Room können in den neuen Flagships auch Pop-up Filialen von Händlern installiert werden.
Das Konzept zeigt, dass die Customer Journey auch jenseits des Handels deutlich verbessert werden kann. Dies soll natürlich nicht nur den Endkunden etwas bringen. Denn, was die Profitabilität betrifft, kann sich Canada Post ebenfalls freuen. Jeder der neuen Flagships bringt laut J.C. Williams jährliche Umsatzerlöse von 1,2 Millionen CAD – umgerechnet 810.000 EUR. Der Vergleichwert einer herkömmlichen und innerstädtischen Handelsfiliale liegt mit 400.000 CAD dagegen nur bei etwa einem Drittel (rund 269.000 EUR).