Bei der MSH, der Media-Saturn Holding, an der die Ceconomy AG 78% hält, wird der Rotstift angesetzt. Dies macht sich auch in einer Ausdünnung der Personaldecke deutlich. Damit befindet sich Europas größte Elektronik-Fachmarktkette in einem Veränderungsprozess, dessen Ende Beobachter und manchen der derzeit 28.000 Mitarbeitenden allein in Deutschland kalt erwischen könnte.
Wie das Manager Magazin berichtet, sorgt der seit Oktober 2018 amtierende CEO Ferran Reverter mit seinem Spar- und Umbauprogramm für gehörige Unruhe im Konzern. Demnach könnten 700 von 3.000 Stellen in der Zentrale in Ingolstadt wegfallen. MSH bezeichnete die Zahl gegenüber dem Magazin als Spekulation – dementiert also nicht, dass es auch personell gravierende Veränderungen gibt.
Auf Führungsebene mussten schon manche Mitarbeitende gehen. Dies führte bereits zum Verlust internen Know-Hows. Mit peinlichen Folgen, wie zwei Beispiele zeigen, die die interne Konfusion belegen.
So soll etwa bei Halterungen für TVs zunächst versucht worden sein, weitere Hersteller ins Sortiment aufzunehmen – bis in Ingolstadt dann auffiel, dass Hama als exklusiver Lieferant gelistet ist. Nächste Peinlichkeit: Reverter wollte Kaffeemaschinen von Hersteller Jura aus dem Programm nehmen, da dieser nicht in die Niederlande liefert, eines der 14 Länder in denen die Gruppe mit aktuell 1.022 Märkten aktiv ist. Leider hatte man übersehen, dass Jura in regionalen Märkten wie Deutschland – hierzulande betreibt die Gruppe nach aktuellen Firmenangaben Märkte an mehr als 400 Orten – eine begehrte Marke bei den Kunden ist. Nicht gerade förderlich für das Vertrauen zu Lieferanten oder Kundschaft.
Der spanische Konzernchef plant dem Bericht zufolge, das Geschäftsmodell zu ändern und die Tiefe des Sortiments einzudämmen. Dafür sollen dann vermehrt Aktionsangebote für Umsatz sorgen. Zudem wolle der neue CEO vermehrt Hersteller mit Shop-in-Shops in die Märkte holen. Das spart natürlich Kosten für den Retailer – führt aber auch dazu, dass Kunden die beiden Handelsmarken weniger mit herstellerunabhängiger Beratung assoziieren, dem Markenkern jedes noch so kleinen Händlers vor Ort.
Gerade die Marke Saturn war in der Vergangenheit so positioniert worden, dass hier mit einem Mehr an Service und Beratung ein Unterschied zu Media Markt betont wurde. In den vergangenen Jahren hatte MSH zunächst bei Saturn und später auch bei der roten Schwester-Marke durch neue Flagships und folgende Roll-outs dafür gesorgt, dass die stationären Filialen kundenfreundlicher wurden und auch für Multichannel optimiert wurden. Auch ESL, also elektronische Preisschilder, wurden frühzeitig eingeführt. Weitere digitale Tools wurde am Point of Sale eingeführt, teilweise temporär, um gleichzeitig mit mehr Technologie und Beratung punkten zu können.
Nun könnte die neue Führung diese Schritte nachträglich entwerten. Offenbar fühlt sie sich unter Druck: Wert der Ceconomy-Aktien wurde in den letzten 12 Monaten nahezu halbiert.
Damit wird ein Schwenk eingeschlagen, der besonders für Saturn schmerzhaft sein könnte.
Inzwischen gibt es die Marke Saturn lediglich noch in Luxemburg, Österreich und Deutschland.
Man benötigt wenig Fantasie, um sich auch ein zumindest als Planspiel angedachtes Aufgeben der Marke Saturn vorstellen zu können.
Als Folge wäre die Schließung von Filialen hierzulande die nahezu automatische Konsequenz. Denn wenn die Marken weniger unterscheidbar sind, und Saturn zu Media Markt würde, läge schnell der Schluss nahe, dass es in Deutschland zu viele Filialen gibt – zumindest in einigen Städten und Regionen. Dann würden nicht nur in der Zentrale Stellen gestrichen.
Im vergangenen Jahr war spekuliert worden, dass Saturn als Marke geopfert wird. Noch im Juni 2018 hatte MSH dagegengehalten: „Saturn wird es auch weiterhin in Deutschland geben. Wir halten an unserer Zwei-Marken-Strategie fest.“
Wie lange man sich an dieses Versprechen halten wird, wird sicherlich mehr vom Kapitalmarkt und dem Erfolg oder Misserfolg im Kampf gegen Online-Riesen wie Amazon fremdbestimmt werden, als von historisch gewachsenen Strukturen oder etwaigen emotionalen Erwägungen des Top-Managements.
Weiteres Problem an der Zwei-Marken-Strategie: Marketer und Marktforscher berichten in den letzten Jahren immer wieder, dass Konsumenten die beiden Marken schnell verwechseln. Grund dafür sehen sie in den oben erwähnten Annäherungen in der Wirkung am Point of Sale bei der gleichzeitigen Ähnlichkeit in der werblichen Kommunikation.
Werden Media Markt und Saturn zu reinen Discountern für Weiße Ware und Unterhaltungselektronik? – Und, wäre dann die Arbeit der vergangenen 5 Jahre perdu? – Bräuchte man überhaupt noch so viele oder so große Filialen? – Oder stattdessen einen großen Onlinestore sowie mehrere Kleinst-Filialen vor Ort, die quasi als kleine Logistik-Lager dienen?
Denkt man den erst vor 6 Monaten eingeschlagenen Weg weiter, könnte ein Radikalumbau starten, der in zwei oder mehr Schritten erfolgt, und in einem Zeitraum von vielleicht 5 Jahren ablaufen könnte. Zunächst könnte eine der Marken bald Geschichte sein. Nachdem sich die öffentliche Aufregung in Deutschland gelegt hat (Konsumenten, Gewerkschaften, Politik), könnte dann der Rasenmäher die Gartenschere in einem zweiten Schritt ersetzen.
Denn, den Kursschwenk fortschreibend, könnte MSHs neues Management das Filialgeschäft vor Ort de facto ganz fallenlassen und künftig lediglich kleine Stützpunkte unterhalten, die primär für Auslieferung und Technikdienstleistungen wie Installationen zuständig wären. Weniger Handel durch persönliche Beratung würde auch bedeuten, dass Tausende Arbeitsplätze aus Unternehmenssicht überflüssig sind.
Dies wäre eine Möglichkeit. Ob es so oder ähnlich kommt, ist damit nicht gesagt. In der Geschichte von Saturn und Media Markt hat es auf längere Sicht so viele Veränderungen, Rechtsstreitigkeiten und interne Unstimmigkeiten bei der Strategie gegeben, dass einen das Unternehmen immer wieder überrascht hat.
Eine der wenigen Konstanten war eine gewisse Wagenburg-Mentalität gegenüber der Außenwelt.