In 15 Jahren hat sich TV-Wartezimmer zum erfolgreichen Player entwickelt. Geschichte, Gegenwart und die Pläne für die Zukunft waren die Themen im invidis-Interview mit Gründer und Geschäftsführer Markus Spamer.
Im Jahr 2003 gegründet, betreibt TV-Wartezimmer in ganz Europa mehr als 7.000 Systeme, die vornehmlich in Arztpraxen installiert sind. „Deutschlandweit betreiben wir mehr als 6.000 Systeme“, sagt Gründer und Geschäftsführer Markus Spamer im Interview mit invidis. „In Österreich konnten wir unsere Präsenz auf 1.000 Screens erhöhen. Wie im deutschen Markt sind wir damit auch dort Marktführer in der digitalen Arzt-Patienteninformation.“ Möglich machte das die Anfang 2019 erfolgte Übernahme der Vita Wartezimmer GmbH, die mehrheitlich dem österreichischen Apothekerverlag gehört hatte.
Das in Freising ansässige Unternehmen mit insgesamt etwa 140 Mitarbeitenden wuchs – ebenfalls zu Beginn des Jahres – durch einen weiteren Zukauf. So wurden im Januar die verbleibenden 50% eines bislang mit dem Dentalverlag Quintessenz betriebenen Joint Ventures erworben (vgl. Infografik am Ende des Artikels).
Auch im zuvor abgelaufenen Kalenderjahr war die Firma erfolgreich. Denn im Jahr 2018, dem besten Vertriebsjahr überhaupt, stiegen die Netto-Mediaumsätze des Unternehmens um 90% auf 2 Millionen Euro an. Die Anzahl der Neukunden hat in diesem Zeitraum ebenfalls deutlich zugelegt – um 60%. Erstmals warben Unternehmen wie CP GABA, ARAG oder die Paul Hartmann AG im Programm von TV-Wartezimmer.
Damit hat sich Spamers Ansatz – Aufbau einer großen Reichweite, danach Anziehen der Vertriebsanstrengungen – bislang als nachhaltig erfolgreich erwiesen. Für 2019 ist eine ebenfalls sehr starke Steigerung beim Vertrieb geplant, signalisiert Markus Spamer.
Mit dem Rezept, Arztpraxen eine einfach zu bedienende und durch den Dienstleister installierte und gewartete, regionalisierbare Lösung zu bieten, konnten die Ärzte überzeugt werden. Dies zeigt sich auch in der Treue der Kundschaft, die in aller Regel Folgeverträge abschließt. Mancher ist seit Langem dabei, etwa der dritte Kunde, den das Unternehmen überhaupt gewinnen konnte – Kunde 1 und Kunde 2 haben ihre Praxen aufgegeben und hatten keine Nachfolger gefunden.
Regional kann sich TV-Wartezimmer in Europa weiter entwickeln: In der Schweiz werden etwa 50 Screens betrieben, fünf in Luxemburg sowie einer in Belgien. Dass TV-Wartezimmer in den beiden letztgenannten Ländern aktiv ist, liegt schlicht daran, dass deutsche Ärzte, die Bestandskunden waren, irgendwann ihre Praxen verlegt haben. Und Kunde bleiben wollten. „Auch nach langer Diskussion waren die Ärzte nicht davon abzubringen, unsere Systeme weiter nutzen zu wollen“, sagt Markus Spamer schmunzelnd. Ein besseres Kunden-Feedback kann es eigentlich gar nicht geben.
Insgesamt besteht der Content aus drei Bereichen. Segment 1 liefert die Hingucker wie Nachrichten oder Dokus, die von Partnern wie Tagesschau, Sky Sport News, Marco Polo oder anderen stammen. Dieser Programm-Part wird DooH-gerecht aufbereitet, und weckt das Interesse bei den Patienten. Eine große Bandbreite aus inzwischen über 800 eigen-produzierten Patientenfilmen ist die zweite Programmsäule und schafft Vertrauen und Kompetenz. Diese Filme sind zudem größtenteils medizinisch zertifiziert. Dazu arbeitet TV-Wartezimmer mit entsprechenden Fachgesellschaften zusammen. Beim Programm in den Praxen hat man sich bei der dritten Programmsäule, den werblichen Inhalten, auf einen Maximalanteil von 15% selbst beschränkt. Aufgrund dieser Content-Mischung kommt ein hochwertiges Programm zustande, von dem Rezipienten, Ärzte und Werbungtreibende gleichermaßen profitieren.
Jeder Deutsche ist im Schnitt elf Mal im Jahr beim Arzt. TV-Wartezimmer erreicht damit in seinen Netzen allein in Deutschland 7 Millionen Menschen im Monat (netto). Durchschnittlich verbringen die Deutschen etwa 40 Minuten in einem Wartezimmer, sodass das Medium abwechslungsreich und unterhaltend sein muss. Im Gegensatz zu früheren Versuchen mancher Mitbewerber setzt man natürlich auf Bewegtbild ohne Ton. Letzteres funktioniert in einem Wartezimmer aus verschiedenen Gründen nicht – ein ständig schwankender Soundteppich würde hier Wartende oder Mitarbeitende nur stören.
Wie sieht die Zukunft aus? „Generell ist Wachstum ein wichtiger Faktor für uns“, so Markus Spamer. „Unser Vorteil: Wir sind quasi in jedem Dorf vertreten, denn wir decken 1.700 Orte ab. Wir sind damit der einzige Anbieter, der wirklich flächendeckend präsent ist. Und das nicht so flüchtig wie im Supermarkt, wo die Zeit vor dem Screen erheblich kürzer ist.“
Für Spamer ist klar: „DooH wird irgendwann mal das regionale Medium sein, so wie es die lokalen Tageszeitungen bislang sind. Jeder Screen ist technisch ansteuerbar. Teilweise ist dieses Vorgehen schon gängige Praxis. Kunden wünschen zum Beispielsimple Anzeigen, die nur in Wartezimmern erscheinen, wenn in einem Umkreis von 2,5 Kilometern eine Apotheke vorhanden ist. Auch lokale Fitnessstudios werben so, etwa in der Nähe von Orthopäden.“
Er sei fest davon überzeugt, in wenigen Jahren hänge in jedem Wartezimmer ein Screen. Klar ist, dass TV-Wartezimmer hier weiter die erste Geige spielen möchte. Eine Investition, die man durchaus aber nicht alleine stemmen möchte. „Es finden Gespräche mit potenziellen Partnern und Investoren statt“, bestätigt der Firmengründer. „Ein solcher Partner muss aber mehr mitbringen als Geld – etwa Content oder eine spannende Story, wie Wachstum in den nächsten Jahren erreichbar ist.“
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