„Das Gras auf der anderen Seite ist immer grüner“ ist ein bekanntes Sprichwort und triff auch als widerkehrendes Verhaltensmuster in der Digital Signage auf. CMS Anbieter aus Europa sehen in der Expansion in die USA ihre Wachstumschance und unterschätzen meistens, wie anders der Digital Signage Markt dort tickt.
In Nordamerika dominieren wenige Großintegratoren für Digital Signage, ProAV und Retail Tech den Markt: Jenseits der Milliarden-Umsatzgrenze AVI-SPL und Diversified und Anbieter wie Stratacache und MoodMedia mit gut dreistelligen Millionenumsätze. Jenseits der großen Anbieter sind hunderte regionale und lokale Integratoren aktiv, die in der Regel aber nicht die ganze USA abdecken.
Die üblichen Digital Signage Projekte jenseits der Flagshipstores in New York City, Chicago oder San Francisco sind ziemlich unspektakulär und liegen in Bezug auf Projektkomplexität hinter Europa zurück. Damit sind einige der europäischen Features gar nicht groß nachgefragt. Es stellt sich die Frage, warum der ohne Frage große nordamerikanische Digital Signage Markt europäische DS Software benötigt? Mal davon abgesehen, dass eine lokale Präsenz und Supportstrukturen mit 6-9h Stunden Zeitverschiebung notwendig sind.
Mehr Potential als Software-Kunden bieten Vertikalmarkt-Spezialisten, die USA-weit Kunden mit Branchenlösungen erfolgreich bedienen. Hier spielt die Anbindung an Branchen Backendplattformen und die Abbildung von branchenüblichen Prozessen eine wichtige Rolle. Typisches Beispiel sind QSR und DooH. Aber hier sind nordamerikanische Anbieter wie Stratacache (QSR) oder Broadsign (DooH) bereits weltweit führend.
Direktvertrieb dominiert
Ein Absatzkanal, der in Europa weitaus weniger relevant ist, ist der Direktvertrieb (Long Tail) via Website und Call-Center. In diesem Bereich von Digital Signage Software werden auch die wenigen Erfolgsgeschichten geschrieben. Bestes Beispiel ist Intuiface, die das Maß aller Dinge sind in der Art der Kundenakquise, Community und Service-Struktur. Intuiface aus Toulouse erzielt mehr Umsatz in Nordamerika als im europäischen Heimatmarkt. Allerdings war dazu auch ein großes Büro in den USA notwendig. Das Long Tail Geschäft wird in den USA von vielen Anbietern bedient – besonders aktiv ist seit zwei Jahren Spectrio, die durch eine Reihe von Übernahmen u.a. das gefeierte DS Startup Enplug in den letzten Monaten von sich aufmerksam gemacht hat.
Auf den ersten Blick verlockend sind im Long Tail Geschäft die am Markt zu erzielenden vielfach höheren Lizenzpreise. Doch nach Abzug der hohen „Customer Akquisition Costs“ und die in der Regel kleinen Projekte ist das Potential erheblich weniger attraktiv. Nordamerika kann ein sehr interessanter Markt sein, es bedarf aber „People on the Ground“, Fachwissen und Kapital. Denn es ist nicht billig Überseemärkte erfolgreich zu erschließen und viele der Wettbewerber sind dank Private Equity mit viel Kapital ausgestattet.
Auch andersherum stehen nordamerikanische Anbieter in Richtung Europa vor ähnlichen Herausforderungen. Europa ist ungleichmäßig komplexer mit 22 unterschiedlichen Sprachen allein in der EU und vielen unterschiedlichen Regulierungen.
invidis Kommentar
Die Versuchung Nordamerika ist nicht neu, die Herausforderungen des Markteintritts werden seit jeher unterschätzt. Deshalb haben selbst große CMS Anbieter nach einiger Zeit wieder den Rückzug angetreten. Denn Europa bietet immens viel Potential und ruft nach Konsolidierung. Die zunehmende Konsolidierung ist wahrscheinlich einer der Gründe warum europäische DS-Anbieter die Expansion bzw. „Flucht“ nach Nordamerika antreten.
invidis analysiert seit Monaten den Digital Signage Software Markt in Europa und wir freuen uns die Ergebnisse auf der DSS Europe 2021 in unserer Keynote zu präsentieren und auf der Bühne mit Panelteilnehmern zu diskutieren.