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Kein Vodoo bei Vertiseit / Grassfish

Unglaubliche 224 % ist der Börsenkurs von Vertiseit seit Jahresbeginn gestiegen. Mit nur 15 Mio. Euro Umsatz wird der schwedische Digital Signage-Anbieter aktuell mit sagenhaften 93 Mio. Euro bewertet und einem Multiple vergleichbar mit Silicon Valley-Konzerne wie Salesforce oder Adobe. invidis analysiert und erklärt die Auswirkungen auf die Digital Signage-Branche.
Vertiseit ist an der Nasdaq gelistet (Foto: Vertiseit)
Vertiseit ist an der Nasdaq gelistet (Foto: Vertiseit)

Bewertungen von Digital Signage-Unternehmen im Rahmen von Verkaufsprozessen sind eine komplexe und oft hochemotionale Angelegenheit. Unternehmensbewertungen basieren in der Regel auf EBITDA-Multiples mit Zuschlägen für besonders langlaufende Recurring-Umsätze und Risikoabschläge für hohe Kundenkonzentration. Dutzende weitere Metriken lassen sich im Verkaufsprozess anwenden.

Vertiseit defies industry valuation conventions

Anders bei den wenigen börsennotierten Unternehmen: Hier ist die Bewertung einfach. Die Marktkapitalisierung – Börsenkurs mal Anzahl der ausgegebenen Aktien – lässt sich täglich ablesen. Ob sich diese Bewertung bei einer Übernahme beziehungsweise einem Komplettverkauf auch tatsächlich, oder sogar mit einem Zuschlag, realisieren lässt, steht allerdings auf einem anderen Blatt.

Historisch betrachtet wurden für Digital Signage-Integratoren Multiples zwischen 7 und 12 bezahlt. Software-Anbieter mit einem SaaS-Geschäftsmodell lagen aufgrund des höheren Anteils an wiederkehrenden Umsätzen eher am oberen Ende der Bewertungsskala oder sogar leicht darüber.

Entwicklung Börsenkurs Vertiseit AB seit Jahresbeginn 2021 (Foto: Screenshot)
Entwicklung Börsenkurs Vertiseit AB seit Jahresbeginn 2021 (Foto: Screenshot)

Wie lässt sich eine Bewertung wie gegenwärtig von Vertiseit erklären und kann jetzt jeder Integrator oder CMS-Anbieter mit einem Multi-Millionen-Exit rechnen?

Während wir es jedem mutigen und aufopferungsvoll arbeitenden Digital Signage-Unternehmer gönnen würden, sind solch hohe Bewertungen wohl eher die Ausnahme als die Regel. Sicherlich, derzeit ist viel Beteiligungskapital im Markt vorhanden. Darüber hinaus bietet die Digital Signage-Branche mit zweistelligen Wachstumsraten weiterhin ein attraktives Marktumfeld für Investoren. Zusätzlich treibt die stattfindende Marktkonsolidierung die Nachfrage nach interessanten Targets. Faktoren, die die Multiples nach oben treiben.

Auch eine rein mathematische Betrachtung wird zumindest kurzfristig zu rechnerisch höheren Multiples führen, denn bei vielen Anbietern sind die Ergebnisse in den letzten beiden Jahren im Vergleich zu Vor-Corona-Zeiten zurückgegangen oder stabil geblieben. Diese niedrigere EBITDA-Basis sorgt auch bei konstanten Kaufpreisen für höhere Multiples.

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Auf der anderen Seite werden sich Interessenten, insbesondere wenn es sich um strategische Investoren handelt, nicht von jeglicher wirtschaftlicher Grundlogik lösen. Denn schließlich müssen die Gewinne, die den Kaufpreis letztendlich rechtfertigen, auch in der Zukunft erwirtschaftet werden können. Darüber hinaus muss auch die „Story“ und das Timing für einen späteren Weiterverkauf oder Börsen-Exit stimmen. Dabei spielt auch die erhöhte Unsicherheit durch die Pandemie und die damit verbundenen Auswirkungen zum Beispiel auf die Supply Chain eine Rolle. Alles Faktoren, die die Bereitschaft, hohe Multiples zu zahlen, eher dämpfen.

Übertriebene Kaufpreisfantasien sind daher wohl eher hinderlich als zielführend. Insbesondere Unternehmen, für die der nächste Wachstumsschritt in Form eines Verkaufs oder Mergers ansteht, müssen sehr genau abwägen, ob Kaufpreismaximierung oder die Zukunft des Unternehmens wichtiger sind.

Übersicht der Übernahmen von Vertiseit (Foto: invidis)
Übersicht der Übernahmen von Vertiseit (Foto: invidis)

Insgesamt werden wir in Zukunft wohl steigende, aber eben auch eher moderat steigende Multiples beobachten.

Im Fall von Vertiseit wird neben dem schnellen Wachstum des Unternehmens und der hohen Schlagzahl bei Firmenübernahmen wohl von der Börse auch der Mut belohnt, mit ISV+ ein alternatives Geschäftsmodell zu etablieren. Zusätzlich verzeichnet Vertiseit  39 Quartale ununterbrochenem SaaS-Umsatzwachstum – also fast zehn Jahre. Hier stimmt also auch die Story, die Johan Lind sehr überzeugend zu verkaufen weiß.

Weitere Analysen und Insights präsentieren Florian Rotberg und Stefan Schieker von invidis consulting in der Keynote zur DSS ISE 2022 am 31. Januar in Barcelona.

DSS ISE 2022 am 31.Januar in Barcelona (Foto: ISE)
DSS ISE 2022 am 31.Januar in Barcelona (Foto: ISE)