38 Prozent der deutschen Verbraucher kämpfen mehrmals pro Woche oder sogar täglich mit spürbaren Verzögerungen bei der Internetnutzung. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle repräsentative Online-Umfrage, die DE-CIX, der Betreiber eines der weltweit größten Internetknoten in Frankfurt, durchgeführt hat.
Besonders deutlich nehmen junge Erwachsene sowie Berufstätige im Homeoffice solche Verzögerungen wahr. Aber auch mehr als ein Drittel der Altersgruppe über 55 Jahren ist den Studienergebnissen zufolge häufig von stockenden Internetverbindungen betroffen (34 Prozent). Die Bevölkerung im urbanen Raum (Städte mit mehr als 100.000 Einwohnern) berichtet überraschenderweise häufiger von Geschwindigkeitseinschränkungen als die Befragten in ländlichen Gegenden (Wohnorte mit weniger als 20.000 Einwohnern). Die Verantwortung für die Verzögerungen suchen die Internetnutzer meist außerhalb ihres eigenen Haushalts.
Frust weiter an der Tagesordnung
In der Corona-Pandemie haben sich große Teile des täglichen Lebens ins Internet verlagert, und auch heute nach mehr als zwei Jahren sind viele dieser digitalen Lebensgewohnheiten geblieben. Die flächendeckende Versorgung der deutschen Bevölkerung mit schnellem, latenzarmem und stabilem Internet geht offenbar kaum voran.
Verzögerungen bei der Internetnutzung rauben den Deutschen Zeit und Nerven. 38 Prozent solcher Verzögerungen gehören mehrmals die Woche bis täglich zum Internetalltag der Deutschen. Bei einer vergleichbaren Befragung im vergangenen Jahr hatten noch 33,5 Prozent der Befragten Probleme gemeldet. Lediglich acht Prozent der diesjährigen Befragten geben dagegen an, nie derartige Beeinträchtigungen zu erleben. Dabei nehmen die jungen Altersgruppen der 18-24- Jährigen (45 Prozent) und der 25-34-Jährigen (39 Prozent) die Verzögerungen deutlicher wahr als die älteren Befragten. Doch selbst in der Altersgruppe der über 55-Jährigen berichtet über ein Drittel (34 Prozent) über Geschwindigkeitsprobleme bei der Internetnutzung.
Am häufigsten stellen die Befragten in diesem Jahr Verzögerungen bei Video- oder Musik-Streaming fest, etwa mit Netflix, Spotify oder Youtube (35 Prozent), gefolgt von Geschwindigkeitsproblemen bei der Arbeit im Homeoffice, zum Beispiel bei Videokonferenzen, Webinaren oder der Nutzung von Cloud-Anwendungen (21 Prozent).
Aber auch die Nutzererfahrung bei Transaktionen wie zum Beispiel Online-Banking sowie beim Online-Shopping wird mehrmals wöchentlich bis täglich von Verzögerungen durch eine schlechte Internetverbindung beeinträchtigt (18 Prozent). Darüber hinaus machen sich Internetstörungen in der Freizeit bei 17 Prozent der Befragten beim Livestreaming von Sportveranstaltungen oder Konzerten bemerkbar.
Ist das Internet besser als sein Ruf?
Der Internetversorgung auf dem Land eilt im Allgemeinen kein guter Ruf voraus. Daher hat DE-CIX in diesem Jahr auch das Wohnumfeld der Befragten betrachtet. Dabei schnitt die Internetversorgung auf dem Land aus Anwendersicht sogar etwas besser ab als in der Großstadt: Während 38 Prozent der Bevölkerung von deutschen Kleinstädten und ländlichen Regionen (<20.000 Einwohner) angeben, mehrmals pro Woche bis täglich mit Verzögerungen bei der Internetnutzung zu kämpfen, klagen 41 Prozent der Großstädter (Städte >100.000 Einwohner) über entsprechende Einschränkungen. Dem stehen mit 35 Prozent vergleichsweise wenig betroffene Bewohner von Mittelstädten (20.000 bis 100.000 Einwohner) gegenüber.
„Dass die qualitative Wahrnehmung der vorhandenen Internetverbindung bei der Bevölkerung auf dem Land, in Mittel- und Großstädten doch relativ eng beieinanderliegt, hat uns überrascht“, sagt Harald Summa, Geschäftsführer von DE-CIX. „Liegt es daran, dass das Internet in den deutschen Großstädten wirklich schlechter ist, oder sind die dort Ansässigen einfach anspruchsvoller? Fest steht, dass nach dem jüngsten Kabinettsbeschluss der Bundesregierung zum Recht auf ‚schnelles‘ Internet bundesweit konkreter Handlungsbedarf für alle Anbieter digitaler Infrastruktur in puncto Latenz besteht. Die Vorgabe lautet maximal 150 Millisekunden – und davon sind wir nicht nur in entlegenen Gegenden, etwa aufgrund des langsamen Glasfaserausbaus, weit entfernt. Das hat unsere Studie eindrucksvoll gezeigt.“
Das Netz soll verantwortlich sein
Dass mögliche Ursachen mangelhafter Internetleistung in erster Linie außerhalb des eigenen Einflusses liegen, darüber herrscht wie im vergangenen Jahr weitgehende Einigkeit unter den Befragten: 41 Prozent nennen Netzüberlastung als Grund für die erlebten Verzögerungen, 32 Prozent einen schlechten lokalen Netzausbau und 19 Prozent sagen, dass ihr Internetprovider nicht genügend Bandbreite anbietet. 12 Prozent vermuten den Grund für die Probleme bei langsamen Servern von Content-Anbietern wie Netflix. Nur 10 Prozent der Befragten schreiben ihren veralteten Endgeräten wie Laptops oder Smartphones die Schuld an Beeinträchtigungen bei der Internetnutzung zu.
Um frustrierende Nutzererlebnisse schnell abzubauen und künftig ganz auszuschließen zu können, sieht Harald Summa zwei Ansatzpunkte: „Nach wie vor müssen wir in Deutschland dringend den Ausbau digitaler Infrastruktur vorantreiben. Anders lassen sich Konnektivitätsprobleme im Homeoffice oder beim Streaming am Feierabend nicht dauerhaft beheben. Dabei spiele nicht nur der Netzausbau, sondern auch der Aufbau von mehr Rechenzentren und Internetknoten in Nutzernähe eine Rolle. Hier haben wir beispielsweise mit dem neuen DE-CIX Leipzig einen bedeutenden Schritt für Ost- und Mitteldeutschland angekündigt. Je weiter entfernt vom Nutzer Inhalte und Dienste gehostet werden, desto größer ist schlussendlich die Latenz, also die Verzögerung beim Datenaustausch zwischen den beteiligten Netzwerken – und desto stärker wird es beim Live-Streaming in HD/4K ruckeln. Besonders bei Zukunftstechnologien wie dem autonomen Fahren oder ferngesteuerten Operationen sind geringe Latenzen dann sogar lebenswichtig.“
Zur Befragung
Die verwendeten Daten beruhen auf einer Online-Umfrage von Yougov Deutschland, an der 2.100 Personen zwischen dem 25. und 27.05.2022 teilnahmen. Die Ergebnisse wurden gewichtet und sind repräsentativ für die deutsche Bevölkerung ab 18 Jahren.