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Werbeverbot

Zürich will DooH verbieten

In der Wirtschaftsmetropole der Schweiz droht das Aus für DooH: Die rot-grüne Fraktion setzte im Gemeinderat den Abbau von digitalen Werbeflächen durch. Wieder ist das im öffentlichen Raum so gut sichtbare Medium Opfer von Konsumkritik.
Screens will diesen will die rot-grüne Fraktion in Zürich abschaffen: eine DooH-Fläche von Clear Channel in der Zürcher Bahnhofstrasse. (Foto: Clear Channel Schweiz)
Screens will diesen will die rot-grüne Fraktion in Zürich abschaffen: eine DooH-Fläche von Clear Channel in der Zürcher Bahnhofstrasse. (Foto: Clear Channel Schweiz)

Was in Genf 2021 geschah, scheint sich in Zürich zu wiederholen: Die Politik will die Außenwerbung abschaffen – zumindest die digitale. Die Fraktionen der SP, Grünen und AL forderten einen Abbau aller DooH-Flächen und Leuchtdrehsäulen im Stadtgebiet. Im Gemeinderat setzten sie sich mit einer Mehrheit von 61 zu 55 Stimmen durch. Nun soll der Stadtrat den Beschluss prüfen.

Geht die Forderung durch, müssten die OoH-Betreiber ihr digitales Inventar an Straßen sowie an den Haltestellen der Verkehrsbetriebe Zürich abbauen. Somit würde das Verbot die vier größten Schweizer Außenwerber betreffen: APG|SGA, Neo Advertising, Clear Channel Schweiz und Livesystems. Auch für die Stadt selbst und für die Verkehrsbetriebe würden Einnahmequellen wegfallen. Stadtrat André Odermatt von der Sozialdemokratischen Partei SP, der sich gegen die Forderung aussprach, rechnet mit Ausfällen von 28 Millionen Franken.

Auch die Leuchtdrehsäulen von Clear Channel in Zürich sollen abgebaut werden. (Foto: Clear Channel Schweiz)
Auch die Leuchtdrehsäulen von Clear Channel in Zürich sollen abgebaut werden. (Foto: Clear Channel Schweiz)

Ohne DooH zu Netto Null

Die rot-grüne Fraktion begründet die Forderung mit dem Energieverbrauch der Screens. Eine Abschaltung würde der Stadt helfen, ihre Klimaziele zu erreichen – Zürich hat sich offiziell zum Ziel der 2000-Watt-Gesellschaft und zum Klimaziel Netto Null bis 2040 bekannt. Die Parteien beziehen sich dabei auf ein Energiebilanz-Dokument der Stadt Zürich und des Außenwerbers Clear Channel Schweiz von 2017, in dem es heißt, dass „die zusätzliche Installation von digitalen Werbeträgern oder der Ersatz eines Plakat-Scrollers mit einem LCD-Werbescreen […] sowohl den Energiebedarf als auch die Treibhausgasemissionen [erhöhen]“.

invidis Kommentar

Entgegen dieses Vorwurfs schneidet DooH in einer Studie des IDOOH als das umweltfreundlichste aller Medien ab. Was die Fraktionen beim Energiebilanz-Dokument von 2017 nicht berücksichtigen: Bezogen auf die Anzahl der Werbekontakte ist DooH als „One-to-Many“-Medium umweltfreundlicher als Print, Display, Online Audio oder Radio. Gibt es in Zürich keine DooH-Screens mehr, verlagern sich Werbebudgets mit großer Wahrscheinlichkeit auf diese Medien.

Dorn im Auge von Konsumkritikern

Zudem heißt es im Beschlussprotokoll: Werbeträger fördern den Konsum im Stadtgebiet und erzeugen damit auch indirekt Emissionen. Dieses Argument löste nicht nur Unverständnis bei den wirtschaftsliberalen Parteien FDP und SVP aus. Auch die NZZ wettert in einem Kommentar: „Wenn Rot-Grün ernsthaft davon ausgeht, dass die Stadtbevölkerung weniger einkauft, weil ein paar Werbetafeln fehlen, dann ist das erstens bevormundend und zweitens schlicht weltfremd.“

Auch in deutschen Städten diskutiert die Öffentlichkeit über DooH: In Hamburg und Berlin versuchen Werbefrei-Initiativen derzeit, mehr Unterstützer zu bekommen. Die Argumente sind ähnlich wie in Zürich: Energieverbrauch, Leuchtverschmutzung, Anregung zum Konsum.

Von den Außenwerbern kam noch keine Reaktion. Schließlich muss der Stadtrat erst prüfen, ob die Abschaltung Sinn macht und wie man vorgehen würde. Die Screens würden also nicht von einem Tag auf den anderen verschwinden. In Genf konnte der Beschluss vor Abbau der Werbeflächen wieder revidiert werden (invidis-Artikel). Ein Bürgerreferendum verhinderte den Beschluss.

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