Herr Guggenheim, geben Sie uns bitte eine kurze Beschreibung zu Minicom.
Ronni Guggenheim: Minicom ist ein israelisches Unternehmen, das 1988 gegründet wurde und dessen Hauptsitz sich in Jerusalem in Israel befindet. Darüber hinaus haben wir zwei weitere Kontinentalhauptsitze, einmal in Zürich, zuständig für EMEA, und den zweiten in New Jersey, der das nordamerikanische Geschäft verantwortet.
Wir beschäftigen heute 180 Mitarbeiter weltweit und sind in zwei Hauptmärkten tätig. Der eine Hauptmarkt ist das Geschäft mit KVM (Datacenter- und Server-Management). Hier gehören wir zu den drei führenden Herstellern. Der zweite Bereich ist der boomende Digital-Signage-Bereich. In diesen ist Minicom schon sehr früh als Pionier eingestiegen.
Mit unseren Produkten besetzen wir eine kleine, aber wichtige Nische, die wir „The Last Mile of Digital Signage“ nennen. Last Mile ist die strukturierte Verbindung zwischen dem Player-PC, der den Inhalt abspielt, und den Bildschirmen, die dessen Inhalte wiedergeben.
Wie ist Minicom auf die Idee gekommen, Produkte für diesen Markt zu entwickeln?
Ronni Guggenheim: Wir sind durch einen Zufall auf den Digital-Signage-Markt gestoßen – man könnte fast sagen: „by mistake“. Wir haben in unseren Anfängen PC-Schulungsraumsysteme hergestellt. Also Verbundsysteme, um Schüler mit Lehrer zu verbinden.
Es muss so 98/99 gewesen sein, als wir gesehen haben, dass ein solches System für eine Digital-Signage-Installation „missbraucht“ wurde. Daraufhin haben wir dann das erste System entwickelt, um Videoinhalte von einem PC via CAT-Kabel zu übertragen. Der CAT5-UTP-Extender wurde dann 99/2000 auf den Markt gebracht. Damals gab es den Begriff „Digital Signage“ noch nicht. Wenn man im Internet danach gesucht hat, ist man auf großformatige HP-Plotter gestoßen.
Ronni Guggenheim, President Minicom Europe, ist seit 1996 führendes Geschäftsleitungsmitglied bei der Minicom Advanced Systems Ltd. Bis 2002 leitete Guggenheim die gesamten Vertriebs- und Marketing-Aktivitäten als VP Sales & Marketing im Hauptsitz Israel. Seit 2002 ist Ronni Guggenheim mit dem intensiven Aufbau der Aktivitäten in Europa von Zürich aus betraut. Minicom unterhält eigene Vertriebsstrukturen in der Schweiz, Deutschland, Frankreich, England und Italien sowie Distributionspartner in sämtlichen Schlüsselmärkten in Europa.
Ihre Produkte sind nur ein kleiner Teil eines DS-Projektes (Last Mile). Heißt das, dass Sie nur als Partner zu einem Projekt hinzugezogen werden?
Ronni Guggenheim: Das ist ein Handicap, das wir als Nischenanbieter in dieser gesamten Anwendung haben. Unser Anteil am Projekt beläuft sich auf ca. 10–15 % des Gesamtumsatzes am Investitionsvolumen. Wir haben es allerdings durch unser Marketing geschafft, dass wir als Marktführer wahrgenommen werden. Dementsprechend sind wir oft federführend in einem Projekt, obwohl wir nur einen kleinen Teil der Gesamtlösung abdecken. Wir haben keinen Direktvertrieb und verkaufen unsere Produkte ausschließlich über Partner. Unser Know-how in diesem speziellen Bereich ist sehr groß, und wir stehen damit unseren Partnern jederzeit zur Seite.
Allianzen werden für den D-A-CH-Markt immer wichtiger. Nun ist Minicom Teil einer Digital-Signage-Lösung, die von Ingram Micro an deren Reseller verkauft wird. Ist die Partnerschaft eine direkte Reaktion auf die Bedürfnisse des Marktes?
Ronni Guggenheim: Im Markt besteht immer noch ein großer Erklärungs- und Erziehungsbedarf. Dementsprechend kann man mit den richtigen Partnern die Produkte besser an den Markt herantragen, wenn man Teil einer Gesamtlösung ist. Dieses Vorgehen ist nicht unbedingt Sales-getrieben. Der Kunde soll alle Komponenten aus einer Hand bekommen. Alle Beteiligten dieser Partnerschaft bedienen jeweils nur ihre Nische und können allein keine Anwendung auf die Beine stellen. Somit muss man sich auf die eine oder andere Weise zusammentun. Weil Ingram Micro spezifisch die mittleren und kleineren Wiederverkäufer bedient, sind sie ein sehr wichtiger Partner in diesem Zusammenhang.
Im Gegensatz zu anderen Marktteilnehmern erachten wir die Reseller für sehr wichtig. Die großen Projekte sind sehr glänzend, sexy und shiny. Aber das echte Business wird in den kleineren-mittelgroßen Projekten gemacht, in denen 20 bis 50 Bildschirme vernetzt werden sollen. Hier wollen wir mit unseren Partnern präsent sein, ohne unter dramatischen Margendruck zu kommen.
Viele Anbieter haben Schwierigkeiten, Digital Signage an den richtigen Mann zu bringen. Sind die IT-Reseller auf diese Marktsituation vorbereitet? Welche Verkaufshilfen gibt die Allianz den Resellern an die Hand?
Ronni Guggenheim: Man muss unterscheiden zwischen den Großprojekten und dem Run Rate Business, das wir anstreben. Es ist ein großer Durchbruch für den Markt, dass wir jetzt überhaupt von Run Rate Business sprechen. Früher gab es nur die Top-Tier-Projekte, wie eine EDEKA in Deutschland, ein Coop in der Schweiz. Das waren die Projekte – Punkt.
Heute sprechen uns kleinere Reseller und Integratoren an, deren Kunden eine kleine Digital-Signage-Lösung einsetzen wollen. Dies ist genau der Kernbereich, den Ingram Micro abdeckt. Wir sind heute an dem Punkt, wo kleine Unternehmen, wie der Bäckermeister, der zwei oder drei Filialen besitzt, den Investitionsbedarf entdeckt hat und realisiert, dass er auf diese Weise seinen Kunden ansprechen kann. Das ist aus unserer Sicht ein Durchbruch im Digital-Signage-Markt: der Retailer, der sein kleines Netzwerk aufbauen will.
Der nächste Schritt ist, dass wir (die Allianz) unser Know-how an die Reseller weitergeben. Dazu planen wir Seminarreihen, interaktive Schulungen und Konfigurationshilfen im Internet. Diese Tools sind geplant und werden über das Jahr hin implementiert. Das ist einer der wichtigsten Punkte. Ziel ist es, die Hemmschwelle, die aufgrund des fehlenden Know-hows besteht, zu senken, damit das Run-Rate-Geschäft entsprechend ohne große Intervention und Support laufen kann.
Wir haben ganz bewusst einfache Pakete ausgewählt. Keine komplexen Produkte. Broadsign hat eine einfach zu bedienende Lösung, die für den Distributionsmarkt speziell in ihrer Funktion beschränkt wird, damit sie in dieses Modell passt. Um die Initialkosten zu senken, arbeiten wir mit einem Abonnement, nicht mit Lizenzen. Die Lizenzkosten waren bisher eine hohe Einstiegsbarriere. Minicom bietet zusätzlich zu den Highend-Lösungen ebenso wie Philips Produkte im Entry-Level-Bereich an, daher halten sich die Kosten stark im Rahmen. Die Preise werden in Kürze veröffentlicht. Die gemeinsam angebotene Lösung wird voraussichtlich weit unter 5000 Euro liegen.
Haben die Ingram-Reseller Vorteile, die sie in bestimmten Verticals nutzen können?
Ronni Guggenheim: Ingram Micro als IT-Distributor geht den Pro-AV-Markt strategisch an. Wir erhoffen uns mit dem Bundle genau diesen Markt bedienen zu können und durch die Reseller in die Verticals vorzustoßen, die sie eh schon bedienen.
Auch andere Hersteller bieten Video-over-CATx-Produkte an. Welches USP hat Minicom? Ist Minicom in dieser Konstellation austauschbar?
Ronni Guggenheim: Ich denke, wir sind ein Pionier in diesem Markt und haben diesen mit erzogen und trainiert. Wir sind die einzige Firma in diesem Bereich, die sich explizit auf den Digital-Signage-Markt eingeschossen hat. Ein großer Kostenblock bei Digital-Signage-Projekten entfällt auf die Installation. Wir haben Produkte entwickelt, die ganz spezifisch an die Bedürfnisse der Installateure angepasst sind. Zum Beispiel liefern wir eine Software, die die Anpassung des Bildsignals zentral vom PC aus ermöglicht. Der Installateur muss somit nicht jeden CAT-Extender am Gerät selbst justieren. Das erleichtet die Installation ungemein.
Außerdem bieten wir sehr viel Added Value um unsere Produkte herum. Dazu gehören Whitepaper, Case Studies und Consulting. Darüber hinaus sind wir mit den meisten SW-Herstellern liiert und damit quasi neutral.
Es wird viel über Interaktivität gesprochen. Wie wichtig ist dieser Punkt bei aktuellen Projekten? Kann dies technologisch mit Minicom-Produkten abgebildet werden?
Ronni Guggenheim: Wir decken den Bereich Interaktivität beschränkt, aber gezielt ab. Jeder Touch benötigt einen eigenen Computer. Unsere Produkte ermöglichen es, das dieser in einem zentralen Serverraum steht kann. Interaktivität erfordert eine ständige Übertragung vom Display zum Rechner. Mit unseren Produkten können wir diese Signale ohne Probleme übermitteln. Wir sehen in der Konsolidierung der einzelnen Player-PCs einen Trend. Wir sprechen von „intelligence into the server room“. Das heißt, der Player wird vom Publikum ferngehalten. Der Vorteil liegt in der zentralen Überwachung aller Hardware-Komponenten. Hier greifen wir dann auf unsere Kompetenzen aus dem KVM-Markt zurück. Dies ist eine USP von uns.
Lesen Sie im zweiten Teil des Interviews: „Tesco hat in Deutschland einen hemmenden Einfluss“.