Um die Denke der Cittadino zu verstehen, muss man sich die Historie des Unternehmens näher anschauen. Franz-Josef Medam begann seine Karriere als Dokumentarfilmer in den 80er Jahren für das öffentlich-rechtliche Fernsehen. Als Produktionsfirma für TV und Video produzierte die Cittadino hauptsächlich Dokumentationen für das Bundesministerium für Familie und Jugend.
1991 besorgte sich Medam die erste Version ‚Video for Windows’ aus England. „Für mich war damals klar, dass dies die Geburtsstunde ist, ab der sich Video und PC verbinden werden. Das war der eigentliche Anfang der Firma Cittadino als Anbieter von digitalen POS-Marketing Lösungen“, erinnert sich Medam.
invidis lounge ist unsere Serie von invidis Hintergrundgesprächen mit führenden Machern und Denkern der Digital Signage Branche. In Anlehnung an Lunch with FT und FAZ Die Lounge veröffentlicht invidis.de in regelmäßigen Abständen Hintergrundgespräche jenseits der Tagesaktualität zum Wochenende.
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1993 entwickelte das Unternehmen die ersten Touch-Screen Kiosk Systeme. Die Systeme wurden für Henkel und Motoport in der Fläche ausgerollt. 1994 gab es bei Motoport schon 150 Kiosk-Systeme, die im Verkaufsraum den kompletten Teilekatalog des Zubehörherstellers für Motorräder den Kunden interaktiv zur Verfügung stellten. „Das Highlight waren die Vollbild-Videos, so etwas gab es zu dieser Zeit noch gar nicht auf dem Markt. Die Kunden konnten sich Auspuffanlagen anschauen und den Klang anhören – im Stand und wenn das Motorrad an ihnen vorbei fährt. Der Sound dazu kam aus Bose-Boxen. Die Investition hat sich aber gelohnt, die Auspuffanlagen haben sich damit wesentlich besser verkauft“. |
1997 installierte Cittadino dann über 400 Kiosk-Systeme in der Drogeriemarktkette Ihr Platz (Anm. 2007 hat der Drogeriemarktkonzern Schlecker das Unternehmen aufgekauft und führt seitdem Ihr Platz als Premium-Zweitmarke). Beworben wurden vor allem Haarpflege und – coloration sowie dekorative Kosmetik. Cittadino entwickelte eine Software, die im Hintergrund alle Nutzerabfragen auswertete, damit ließ sich das Nutzerverhalten analysieren und mit den Kassendaten abgleichen. Gleichzeitig gab es bei Ihr Platz 3.000 Monitore, die mit CD-i Zuspielern ausgestattet waren. Das System wurde von der ProSieben Tochter e:max übernommen. Die Verteilung der Inhalte erfolgte nun via Satellit, ISDN wurde als Rückkanal genutzt. „Wir haben damals beraten, konzeptioniert, den Content erstellt, sowie die technische und installationstechnische Abwicklung gemacht. Das war 1998 sozusagen eines der ersten Digital Signage Systeme in Deutschland.“ |
Die Idee zur picturemachine wurde ein Jahr später – 1999 – geboren. „Meine damalige Vision war, das was e:max über Satellit und ISDN machte, also die Steuerung und Verteilung von Inhalten, rein über Datenleitungen zu realisieren.“ Medam ging von der Annahme aus, dass irgendwann Datenleitung in Bandbreite und Kapazitäten kostengünstig zur Verfügung stehen werden. Zu der Zeit kostete eine 2Mbit Datenleitung über 3.000 DM im Monat. Der klassische ISDN/DSL-Anschluss kostet im Vergleich dazu nur 150 DM, allerdings ohne Datenvolumen. Die Aufgabenstellung bei der Entwicklung der picturemachine Software war Bild- und Videoinformationen zu bündeln und auszuspielen. Damals war die Software eher ein Presenter und nicht für den Rollout in Ketten sondern für den Einzelhändler gedacht.
Picturemachine wurde von da an stetig weiter entwickelt und 2003 in Zusammenarbeit mit der Firma Henkel im ersten Metro Future Store gezeigt. „Wir waren damals Silberpartner und haben in diesem Umfeld dann die T-Systems kennen gelernt.“ Cittadino trat im Rahmen des Metro Future Store allerdings nicht als Softwareanbieter auf, sondern als Kommunikationsfirma, mit Schwerpunkt auf elektronische Kommunikation. Inhalte, Konzepte und die Positionierung der Produkte mittels elektronischer Medien am POS standen in diesem Projekt immer im Vordergrund, die Software war nur Mittel zum Zweck.
„Wir machen Instore-Kommunikation, nicht nur Digital Signage. Wir haben heute immer noch über 2.000 Presenter und Touch-Screen Systeme im Handel laufen“, stellt Medam klar.
Die T-Systems wurde in dem Metro Projekt auf die Cittadino aufmerksam. Denn das Unternehmen machte etwas, das die T-Systems auch im Rahmen der Marktweiterenwicklung plante: die Verteilung von Inhalten über Datenleitungen. Daraus entstand eine Kooperation, die nach 5 Jahren darin mündete, dass sich die T-Systems 2007/2008 über die T-Venture an Cittadino beteiligte.
Heute beschäftigt Cittadino 25 feste Mitarbeiter und 10 freie Mitarbeiter im Content-Bereich. Das Unternehmen baut auf vier Säulen auf: Beratung, Content-Entwicklung, -Produktion, Redaktion und Inhaltebetrieb sowie Software-Entwicklung für Digital Signage Systeme.
„Wir sind eine Full Service Agentur und bieten den Kunden auch die Generalunternehmerschaft an. Rollouts für klein- und mittelgroße Projekte können wir problemlos mit eigenen Kapazitäten umsetzen. So schaffen wir es pro Monat ca. 30 Systeme auszuliefern. Beim Rollout von Konzern- bzw. Großprojekten unterstützt uns unser Partner die T-Systems“, erläutert Medam
Vor der Umsetzung steht allerdings immer das Konzept. Wie der ideale Beratungsprozess auszusehen hat, davon hat Medam ganz klare Vorstellungen. „Wir gehen zum Kunden und zeigen ihm, was wir uns konzeptionell und inhaltlich vorstellen können. Anhand von extra produzierten Content oder vorhandenem Material. Dabei sind wir nicht auf spezielle Branchen festgelegt. Wir haben von Banken, Konsumgüterherstellern über Friseure, dem LEH bis hin zu Reisebüros schon die unterschiedlichsten Konzepte entwickelt.“
Laut Medam ist es für den Kunden sehr interessant zu sehen, welche Gedanken sich jemand über die Gestaltung des Content für die Instore-Kommunikation macht, ohne vorher ein Briefing zu erhalten. „Die Grundregeln, wie Content auszusehen hat, haben wir von der Pike auf gelernt. Wir haben schon Konzepte mit großen Agenturen umgesetzt. Wir wissen worauf wir achten müssen.“
Cittadino setzt in der Beratung auf den Dialog mit dem Kunden. In Diskussion wird zusammen mit dem Kunden ein Konzept entwickelt wie guter Content auszusehen hat. Dabei geht es nicht um Technik, sondern darum wie der Kunde optimal die gewünschte Zielgruppe erreicht. Dieser Prozess beinhaltet 2-3 Workshops und zieht sich über einen Zeitraum von 1 ½ – 2 Monaten. „Dies dauert deswegen so lange, da der Kunden das Medium erst erspüren und erlernen muss“, stellt Medam immer wieder fest. Daher stellt Cittadino den Kunden meist ein Digital Signage System für die eigenen Geschäftsräume zur Verfügung. So kann sich der Kunden über einen längeren Zeitraum mit dem Medium auseinander setzen. Dies bietet auch die Chance sich Meinungen Dritter, wie bspw. von Lieferanten, einzuholen. Im Wechselspiel von Briefing und Debriefing entsteht so nach und nach das Content-Konzept.
Für Medam ist es wichtig zu betonen, dass picturemachine die bestehende Wertschöpfungskette des Kunden mit einbindet. „Es bedeutet nicht, dass Cittadino für die Content-Produktion beauftragt werden muss. Wenn der Kunde schon eine feste Agentur hat, so soll er diese weiter nutzen. Wir verdrängen nicht mit unserer Software, wir partnern“, stellt Medam klar. So setzt die TUI z.B. die Software von Cittadino ein, während die Inhalte und der Redaktionsbetrieb von der Marketingabteilung der TUI kommen.
Dabei sind die Ziele der Kunden laut Medam sehr unterschiedlich. „Nicht immer geht es um Abverkaufssteigerung. Wir schauen uns den Kunden genau an. Industriekunden haben eine ganz andere Zielstellung als Handelspartner. Außerdem unterscheiden wir zwischen Systemen die im Bereich der Vermarktung liegen und solchen, die auf Abverkaufssteigerung abzielen. Da ist ein himmelweiter Unterschied. Dann gibt es noch Systeme, die nur eine Frequenzerhöhung anstreben.“
Ein Ziel verfolgen alle Kunden aber gleichermaßen: aus der Masse herauszustechen. Eine Kaufmannsweisheit lautet: „Wer wirbt verkauft“. Und das trifft auch heute immer noch zu. Nur dass die Schiefertafel immer öfter von digitalen Systemen verdrängt wird. Wer Informationen zu und über seine Ware in Richtung des Kunden kommuniziert, der verkauft einfach besser. Und das zahlt voll auf das Konto von Digital Signage ein – zahlreiche aktuelle Marktforschungen belegen dies. „Wir kennen die Stellschrauben an denen man drehen muss, um die gewünschten Effekte zu erzielen. Die Erwartungshaltung des Handels ist allerdings sehr hoch. Wir versuchen den Kunden dann ein zu bremsen und nicht das Blaue vom Himmel zu versprechen“, sagt Medam und ergänzt: „Der Handel muss solche Systeme auch leben wollen. Nur ein solches System zu haben, bringt rein gar nichts.“
Für Cittadino und alle anderen Marktteilnehmer sei es wichtig, dass der Handel Digital Signage als neue Kommunikationsform akzeptiert und anfängt es für seine eigenen Bedürfnisse zu nutzen. Wie das aussehen kann, zeigt das aktuelle Beispiele bei promediatheken TV. In beidem wie auch in zahlreichen anderen Projekten erstellt Cittadino die Inhalte. Bei promediatheken TV liegt der Fokus auf qualitative Produktberatung und Abverkaufssteigerung liegt. Andere Kunden nutzen das Digital Signage System, um aus einem exklusiven Umfeld herauszustechen, die Kunden in die Filiale zu ziehen, also zur Frequenzerhöhung, und sie für zusätzliche Produkte zu interessieren.
Wie in allen Projekten dreht sich alles um die Inhalte. Da meist mit beschränkten Budgets gearbeitet werden muss, greift man auch auf eine Zweitverwertung von Inhalten zurück. „Wir nutzen die vorhandenen Contents und passen sie an das Medium an. Dies erfolgt mit enger Abstimmung mit dem Marketing bzw. der jeweiligen Werbeagentur “, erklärt Medam. „ In jedem Fall ist spezieller Content für das System nötig. Dies ist für uns der rote Faden, der sich durch unsere 20-jährige Erfahrung im Bereich Multi-Media und Digital Signage zieht.“
Cittadino ist z.B. mit einem System für Akzo Nobel auch über die Landesgrenzen hinaus tätig. Medam schränkt jedoch ein: „Wir sind zurzeit ein deutsches Unternehmen mit einer europäischen Ausprägung. Allerdings sind wir noch nicht europaweit präsent. Wir haben zwar auch Systeme in anderen Ländern, darauf lag aber bisher noch nicht der Fokus.“
Wie es weiter geht in diesem Jahr mit der Cittadino weiß Medam ganz genau. 3.000 Systeme sind für 2010 in der Pipeline. Diese werden in zwei Großprojekten und weiteren zwei bis vier kleineren Projekten ausgerollt. Wie immer sind die Projekte und damit die Kundenanforderungen vollkommen unterschiedlich. „Es ist eine Durchmischung aus Retail, Dienstleister und Kleingewerbe“, sagt Medam und fügt hinzu: „2010 läuft positiv an. Für uns wie für viele andere ist dies ein Entscheidungsjahr. Aber wir sind gut aufgestellt“
Cittadino nur als Softwareanbieter zu bezeichnen wäre vermessen. Die picturemachine ist ein Werkzeug zur Erfüllung der Kundenanforderungen. Und das möchte Medam auch so herausstellen: „Ich glaube, dass wir mit Cittadino und damit wie wir Themen angehen und umsetzen ein Alleinstellungsmerkmal im Markt haben. Wir haben eine inhaltlich tiefe Kompetenz. Wir sind nicht nur eine Firma, die Software baut und darum ein bisschen Content, sondern wir sind ein Unternehmen, das komplette Konzepte entwickelt und diese Konzepte mit eigener Software und eigener Content-Produktion zum Erfolgt unserer Kunden führt.“