Innerhalb weniger Tage lassen zwei kleine Meldungen aufhorchen. Sie zeigen womöglich einen neuen Trend auf. In der Schweiz will der Berner Nahverkehrsbetreiber BernMobil ab 2017 ein Fahrgast-TV System einführen, bei dem digitale Werbung ausgespielt wird. Wie kürzlich berichtet, dauert der Ausbau des auf etwa 300 Screens projektierten Systems bis etwa 2019.
Das Interessante hinter dieser Story: Einen Pilot-Betrieb mit Fahrgast-TV führt BernMobil mit der APG|SGA durch. Diese hält aktuell die Werberechte bei dem Verkehrsunternehmen in der Hauptstadt der Schweiz, und wurde deshalb beim Aufsetzen des Versuchs auch als Partner gewählt.
Die APG|SGA zählt nach eigenen Angaben zu den zehn größten Außenwerbern weltweit, der weltgrößte Media Owner JCDecaux ist seit Jahren an ihr beteiligt, hält derzeit 30% der Aktien Jjahresbericht 2015). Laut Jahresbericht 2015 heißt dies: Umsatzerlöse von gut 313 Millionen SFr, ein Betriebsertrag von 316,7 Millionen SFr. Das Nettoergebnis lag bei 16,8% des Betriebsertrags, also bei mehr als 53,2 Millionen SFr.
Dagegen ist der Schweizer Marktführer bei Fahrgast-TV, passengertv – Holding ist die Livesystems Holding AG – deutlich kleiner.
Ähnliches Größenverhältnis beim gleichen Phänomen nun auch in Deutschland, genauer in Berlin. Hier ist das Berliner Fenster – Gesellschaft ist mcR&D, die auch das Münchner Fenster betreiben, die Deutschlands größter Fahrgast-TV Betreiber ist – seit Jahren Partner bei der BVG, den Verkehrsbetrieben in der deutschen Bundeshauptstadt.
Da sich das Land Berlin nach den Neuwahlen und angesichts dauer-klammer Kassen derzeit anschickt, alle alten Werbeverträge loszuwerden, und durch neue Ausschreibungen letztlich zu mehr Geld zu kommen, stehen auch die Verträge der BVG zur Disposition, beziehungsweise wird das Fahrgast-TV wohl neu ausgeschrieben.
Und beim Thema Fahrgast-TV meldete jüngst niemand Geringeres als Jean-François Decaux, Co-CEO JCDecaux ein offenbar weitergehendes Interesse an. In einem längeren und interessanten Interview mit dem in Berlin erscheinenden Tagesspiegel sagte er (auf Seite 1 des im Web dreiseitigen Interviews), als es um die sieben durch Ausschreibung definierten Lose ging: „Die BVG führt derzeit eine Markterkundung durch, um mögliche Loszuschnitte zu erarbeiten. Wahrscheinlich sind ein Los für Wartehallen, eines für die Verkehrsmittelwerbung in Bussen, Trams und U-Bahnen und wohl noch ein Los für die Fahrgast-TV-Informationen, das sogenannte Berliner Fenster.“
Um dann an anderer Stelle auf die Frage „Wenn es bei sieben Verträgen bleibt, wären sie [sic!] raus?“ zu antworten: „Interesse an den Werbeaufträgen haben wir, natürlich.“ Da das Fahrgast-TV System per definitionem ein werbefinanziertes ist, darf man also davon ausgehen dass JCDecaux, beziehungsweise deren Tochter und Marke Wall durchaus auch ernsthaft prüft, in diesen Bereich zu expandieren.
Wenn das explizit ein Thema für den Vorstand ist, kann man zudem in Erwägung ziehen, dass Fahrgast-TV zwar künftig nicht an erster Stelle, wohl aber vermehrt, ein strategisches Thema ist. Bekanntlich liegt das Modell von JCDecaux darin begründet, identische Services möglichst global anzubieten.