Serie Banking 2.0

PSD2 pusht Fintechs, Retail Banken werden zu Back-End

Die Welt der Banken verändert sich europaweit: Die Mobile Payment Directive 2 (PSD2) gibt Fintechs und Online-Diensten tiefe Einblicke in die Konto-Historie von Endkunden. Schlimmstenfalls bleiben Retail Banken auf Kosten sitzen. Neue Risiken – und Chancen – zeichnen sich ab.
Der süße R2D2 veränderte Filmwelt, PSD2 verändert die Bankenwelt (Foto: Pixabay / gromit15)
Der süße R2D2 veränderte Filmwelt, PSD2 verändert die Bankenwelt (Foto: Pixabay / gromit15)

Beim Überfliegen der Schlagzeilen setzt der kopf-eigene Hauptprozessor schon mal die falschen Kontext-Bilder zusammen: Statt dem süßen pfeifenden Ein-Meter-Droiden R2D2 aus Star Wars ist aktuell MSD2 in den Medien. Eine andere Ähnlichkeit aber haben die Mobile Payment Directive 2 (P2S2), die seit 13. Januar 2018 EU-weit umgesetzt werden muss (Übergangsfrist: 18 Monate), und die weltbekannte R2-Einheit: Sie verändern ihre jeweiligen Märkte stark.

Die Welt der Banken, das Universum der Technikdienstleister und die Wirklichkeit der Consumer-Endkunden wird nun mindestens so umgekrempelt wie die Film- und Entertainment-Industrie der frühen 1970er Jahre. Mit der neuen Zahlungsdienst-Richtlinie können Endverbraucher einem Dienstleister den vollen Zugriff auf die eigenen Bankkontodaten geben, bis zu drei Monate rückwirkend. Damit können Fintechs, aber auch große Internetkonzerne neue Dienste anbieten, etwa Kontovergleiche. Möglich – und ein wahrscheinliches Szenario – ist auch, dass beispielsweise ein großer Onlinehändler aufgrund der Daten erweiterte Angebote macht. Dies könnten Konsumenten-Kreditfinanzierungen sein oder Angebote für bessere Hypothekenzahlungen. Endkunden müssen zwar aktiv zustimmen, geben damit aber automatisch ihre Identifizierungsmerkmale wie TANs oder biometrische Daten gleich mit ab. Zwar soll die BaFin als Aufsicht Missbrauch verhindern, dennoch wird aus Verbrauchersicht bei einer Zustimmung einem weiteren Kreis als bislang der Zugriff auf sehr persönliche Daten gewährt. Besonders große Onlinehändler könnten ihren Kunden den Service wiederum mit Rabatten auf die zu erwerbenden Produkte schmackhaft machen (die ja durch Zusatzangebote zu Neugeschäft in neuen Geschäftsfeldern führen).

Für die Retail Banken ergeben sich aus der Regel bislang diese Probleme beziehungsweise Themenkomplexe:

  • Kommunikation: Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich zahlreiche (Online-) Banking-Kunden bei der Hausbank beschweren, da diese ja Informationen weitergibt. Denn es ist kein unwahrscheinliches Szenario, dass Nutzer Bestimmungen eines Dienstleisters zustimmen, ohne deren Kern begriffen zu haben. Solche Kundengruppen würden dann mitunter wutschäumend später die eigene Bank dafür verantwortlich machen wollen.
  • Beschleunigung: Generell darf man davon ausgehen, dass die Regel ein weiterer Digitalisierungs-Turbo ist. Folge: Noch mehr müssen Banken ihren Kunden auf allen Kanälen potenziell alle Services zu Mini-Konditionen und in Echtzeit anbieten (oder dieses Bild zumindest glaubhaft vermitteln).
  • Crypto Currencies: Die Häuser, die ihren Feld-, Wald- und Wiesen-Kunden mittelfristig keine bezahlbaren Konten samt Hardware Wallets mit einer Anzahl an drei bis fünf anerkannten Kryptowährungen wie Etherum oder Bitcoin anbieten, verlieren noch mehr. Denn die neue Direktive ist eigentlich das beste Verkaufsargument für die Nutzung der digitalen Währungen als das was sie (eigentlich) sind: bequeme und sichere Zahlungsmittel. Sind diese weit verbreitet genug, müssen auch große Onlinehändler diese akzeptieren – zumindest nach dem „Geist“ der neuen Regeln, den aber sicherlich erst die Rechtsprechung noch weiter konkretisieren wird.
  • Kosten: Zugespitzt bedeutet dies, dass die eigene Hausbank für den Kunden zum reinen Back-End (-Dienstleister) wird. Der Kunde (oder die App, die er nutzt), wird dagegen zur eigenen Bank oder Meta-Bank. Die Kosten für den Betrieb der Systeme verbleiben bei der Hausbank. Durch die neue Transparenz werden sich potenziell deutlich mehr Kunden via cherry picking die besten Angebote für Finanzdienstleistungen suchen – automatisiert und auf einer schicken grafischen Benutzeroberfläche.
  • Kreditkarten: In Kooperation mit Visa oder MasterCard geben die meisten Bankinstitute bislang eigene Kreditkarten heraus. Je nach Kontomodell sind diese „umsonst“ (also durch andere Gebühren durch den Kunden finanziert) oder mit eigenen Gebühren ausgestaltet. Zumindest mittelfristig dürfte aber für viele Kunden die Kreditkarte an Attraktivität verlieren. Denn ihre Nutzung im (Online-) Handel kann durch neue Services nahezu überflüssig werden. In der Folge muss eine Bank also unter Umständen das eigene Kreditkartengeschäft als unrentabel einstellen oder verteuern.
  • Gebühren: Banken und Kreditkartenunternehmen verdienen bislang durch Gebühren, die sie dem Händler in Rechnung stellen, wenn dessen Kunde durch Nutzung der Kreditkarte oder seines Kontos zahlt. Springt ein Händler-eigener Dienstleister als neue Zahlungsart ein, entfallen auch diese Gebühren, obwohl wesentliche Teile der eigentlich genutzten Infrastruktur weiterhin bei der Bank liegen.
  • Compliance: Da die Regel in ihrer bisherigen Ausgestaltung zumindest auch den ein oder anderen auf die Idee bringen wird, ein betrügerisches (App-) Geschäftsmodell aufzusetzen (das womöglich von Bankaufsicht und Strafverfolgern erst spät als solches erkannt wird), ist es auch nicht ganz abwegig anzunehmen, dass der Aufwand für Compliance und Dokumentation zumindest mittelbar steigen könnte. Im Schadensfall muss schnell nachvollziehbar sein, wer wann wo welche Daten auch nur abgegriffen haben könnte. Die Erfahrungen aus dem Onlinehandel zeigen, wie schnell sich täuschend echte Fake-Shops aufsetzen lassen („Alle Prada-Taschen nur 17 Euro. Wir haben auch ein .de-Impressum“), bei denen Menschen guten Glaubens einkaufen. In Kombination mit einer ebenso schick aussehenden App lässt sich schneller und womöglich verschleierbarer abbuchen. Obendrein gibt es für digitalen Identitätsdiebstahl gleich noch extra Daten obendrauf.

Natürlich können Banken eigene Start-ups gründen (oder welche kaufen), die Services aufgrund der neuen Richtlinie anbieten. Dies bietet also für die (zumeist sehr großen) Institute große Chancen, die selbst stark an neuen digitalen Geschäftsprozessen interessiert sind.

Möglich wäre es natürlich auch, den eigenen Bankkunden ein Zweit-Konto schmackhaft zu machen, das ausschließlich für solche Apps bzw. Dienste genutzt wird. Damit könnten Endkunden verhindern, dass etwa die exakte Höhe ihrer Gehaltszahlungen sofort ersichtlich ist, dass sie ein Haus abbezahlen und ähnliches. Nochmals weitergedreht könnte eine Bank „Wegwerf“-(Unter-)Konten anbieten, die jeweils für drei Monate eingerichtet werden und die man als Endkunde automatisiert für die „Fütterung der App“ nutzt. Allerdings werden gewitzte Sparfuchs-Kunden über solche Lösungen schon selbst nachdenken, und in der Regel für so eine „Trash“-Lösung ein kostenloses Onlinekonto nutzen wollen.

Bleiben nun nur noch Cents für die Banken übrig? (Foto: Pixabay / blickpixel)
Bleiben nun nur noch Cents für die Banken übrig? (Foto: Pixabay / blickpixel)