Shell betreibt mehr als 45.000 Tankstellen in 70 Ländern, davon gut 2.000 in Deutschland. In einem aktuellen FAZ-Interview (Paywall) erläutert Shell Manager Kapitany was Europas größter Mineralölkonzern noch alles in Planung hat. Weitere 10.000 Tankstellen will der niederländisch-britische Konzern in den kommenden Jahren eröffnen. Bereits heute kommen täglich 30 Millionen Kunden zu einer Shell-Tankstelle. Der Konzern hofft, mit den zusätzlichen Stationen die tägliche Frequenz auf 40 Millionen Kunden zu steigern.
Mehr als die Hälfte der Kunden kommen nicht für Benzin oder Diesel, sondern alleine um in den Tankstellen-Shops Convenience-, Tabak-Produkte oder Getränke zu kaufen. Einen zusätzlichen Frequenz-Schub erwartet Shell auch mit Ladestationen für Elektrofahrzeuge. Diese sollen kurzfristig das Mineralölgeschäft ergänzen. Attraktiv sind nicht die Stromumsätze – Ladestationen sind heute nicht kostendeckend zu betreiben – sondern die zusätzlichen Shop-Einnahmen. Insbesondere die durch den Ladevorgang längere Aufenthaltsdauer von 20-30 Minuten bietet viel Umsatzpotenzial.
Somit werden sich auch Digital Signage und DooH-Konzepte anpassen müssen. Jenseits von Tank & Rast, die ein ganzheitliches Digitalkonzept für ihre Raststätten an Bundeautobahnen realisiert haben, sind Tankstellen ein großer Flickenteppich. Verschiedenste digitale Touchpoints kämpfen um die Aufmerksamkeit des Konsumenten.
- Am relevantesten, wenn auch mit den kleinsten Displays realisiert, sind die Tabak-Netzwerke. Der Point of Sale ist neben Out-of-Home der letzte Ort an dem Tabakunternehmen noch werben dürfen. Die Screens werden direkt in die Tabakregale integriert. Integratoren wie die beiden norddeutschen Unternehmen PMS oder Nordland sind in diesem speziellen Markt gut aufgestellt. Tausende von Screens werden an Tankstellen und anderen Tabak PoS betrieben. Wie lange noch Tabakwerbung erlaubt ist, bleibt abzuwarten.
- Pump-TV. In der Schweiz ein großer Markt haben sich kleine Displays an der Zapfsäule in Deutschland oder Österreich nie durchsetzen können. Netzwerkbetreiber schwärmen von der hohen „Dwell-Time“ während des Zapfvorgangs. Die niederländischen MyAdBooker optimierten für Shell die zielgruppengenaue Werbung an der Zapfsäule. Das Konzept präsentierte Radjen van Willsem bereits auf der DSS 2017 in München. Integrierte Kameras erkennen das niederländische Kennzeichen, über offenen staatliche Datenbanken können damit Hersteller, Typ und Erstzulassung ausgelesen werden. Die Werbung kann somit extrem zielgerichtet ausgespielt werden (z.B. Garantieverlängerung, TÜV muss erneuert werden, Volvo Spot wird BMW-Fahrern angezeigt)
- Convenience & Cafe – da 50% der Kunden ausschließlich den Shop betreten, sind digitale Touchpoints im Verkaufsraum die beliebteste Digital Signage-Anwendung. Ob Food & Beverage, Shop-Artikel oder Serviceleistungen (Vignette etc), Werbung auf Screens am POS funktionieren einwandfrei.
- Auch stark verbreitet aber weitaus umstrittener sind in Zahlschalen integrierte Screens, sogenannte Paytray-Screens. Einige Werbekunden lieben es, für andere sind die Screens zu spät im Customer Journey. Aber ein Großteil der großen Mineralöl-Konzerne setzen auf Paytray.
- In der DACH-Region kaum noch anzufinden sind Amscreens Courtyard Screens. In Großbritannien laufen die zusätzlichen Screens an der Kasse aber an tausenden von BP-Tankstellen sehr erfolgreich. Ursprünglich eine Kombination aus kleinem LCD-Screen und LED-Laufband setzt Amscreen auf nützliche (Verkehrs)Informationen und Werbung. In Deutschland aber kam Amscreen zu spät auf den Markt. Tankstellen waren bei Markteintritt von Amscreen schon mit Digital Signage überfrachtet. Ein zusätzlicher digitaler Touchpoint mit minderwertigen Screens war nicht mehr am Markt zu etablieren.
Die Mehrzahl der Digital Signage- bzw. DooH-Konzepte zielen bisher auf kurze Verweildauer ab. Mit zunehmender Aufenthaltszeit von Ladesäulen-Kunden werden auch Digital Signage-Konzepte angepasst werden müssen. Auch wenn heute die Anzahl der Elektrofahrzeug-Kunden bisher noch zu klein ist für dedizierte digitale Touchpoints, zeigen Anbieter wie Volta in Nordamerika bereits den richtigen Weg.
Digitale Konzepte umfassen Mobile sowie Screens an den Ladesäulen. Stories und Kampagnen werden mobil angeteasert und während des Ladevorgangs länger erzählt. Der Customer Journey startet insbesondere bei Elektrofahrzeugkunden schon weitaus früher – denn real-time Verfügbarkeit von Ladesäulen ist ein großes Thema.