Am späten Vormittag des 20.8. in der Hauptreisezeit fiel am Flughafen London Gatwick (LGW) alle mehr als 1.200 Fluginformationsdisplays (FIDS) in beiden Terminals aus. Ein Bagger hatte die Vodafone Fiberglas Internetleitung zum Flughafen gekappt. Das erst kürzlich fertiggestellte Digital Signage-System fiel für die kommenden 7+ Stunden komplett aus. Alle anderen OPS-Systeme liefen danke Redundanzen ohne Probleme weiter.
Der Flughafen stand nun vor der Herausforderung, mehrere zehntausend Passagiere über ihre Abfluggates manuell zu informieren. LGW-Mitarbeiter behalfen sich mit klassischen Whiteboards und Markern. In kurzen Abständen aktualisierten die Servicemitarbeiter ihre Whiteboards mit Schwamm und Markern. Eine logistische und menschliche Herausforderung die sich über sieben Stunden bis in den Abend hinzog. Trotz Informationschaos konnten aber am Montag, 20. August fast alle Flüge mit Passagieren abheben.
Due to damage to a Vodafone fibre optic cable, we are continuing to display our flight info manually. Contingencies are working – we have whiteboards and friendly staff on hand to help, and tens of thousands of passengers have departed on time. Apologies for any inconvenience.
— GatwickVoice (@GatwickVoice) 20. August 2018
The earlier issue with our flight screens in the terminals has now been resolved. No flights were cancelled and tens of thousands of passengers got away on holiday, thanks to our dedicated staff and whiteboard technology.
We would like to apologise to anyone impacted today.— GatwickVoice (@GatwickVoice) 20. August 2018
Besonders brisant war der Ausfall der „ausfallsicheren Digital Signage-Cloudlösung“ dadurch, dass der Flughafenbetreiber sich erst noch wenige Wochen vorher als weltweiter Pionier feierte und Branchen-Preise für das System einheimste.
„Das neue cloudbasierte FIDS sind ein innovatives, kostengünstiges System, das leicht skalierbar, flexibler und belastbarer ist und deutlich weniger Infrastruktur und Wartung erfordert.
Bei älteren FIDS-Systemen muss die Software auf einen separaten PC hinter dem Bildschirm geladen werden, um sie auszuführen – während die 1.200 cloudbasierten Bildschirme des Flughafens nun über einen Webbrowser von jedem Betriebssystem aus erreichbar sind. Das neue Echtzeitsystem ist daher extrem schnell und reagiert auf Aktualisierungen, was in Zeiten von Unterbrechungen von entscheidender Bedeutung ist.“ (Pressemeldung vom 18.05.2018)
Dem cloudbasierten Digital Signage-System fehlte offensichtlich eine funktionierende redundante Connectivity. Eine Failover-Lösung war am 20. August weder über das Airport-eigene WLAN noch über Mobilfunk verfügbar. Mal davon abgesehen das bei IROPS (Irregular Operations) öffentlich zugängliche Funknetzwerke selber oft ihre Limits erreichen, ist die notwendige Datenrate von FIDS Systemen nicht sehr hoch. Laut Flughafen Gatwick benötigen alle 1.200 FIDS Screens maximal 3 Mbit/s. Zurückgreifen auf lokal-zwischengepufferte Inhalte ist datengetriebenen Projekten wie FIDS-Anwendungen natürlich schon innerhalb von wenigen Minuten nutzlos.
Vielen Dank an Dave Haynes von sixteen:nine der noch weitere Hintergrundinformationen vom 16. Februar 2018 zum Launch des FIDS-Systems recherchiert hat. Das flughafenintern entwickelte System war der ganze Stolz des Airports, wie die LGW-Pressemitteilung zeigt:
Gatwick ist der weltweit erste Großflughafen, der ein cloudbasiertes Flight Information Display System (FIDS) einführt – ein innovatives, kostengünstiges System, das leicht skalierbar, flexibler und belastbarer ist und deutlich weniger Infrastruktur und Wartung erfordert.
Bei älteren FIDS-Systemen muss die Software auf einen separaten PC hinter dem Bildschirm geladen werden, um sie auszuführen – während die 1.200 cloudbasierten Bildschirme des Flughafens nun über einen Webbrowser von jedem Betriebssystem aus erreichbar sind. Das neue Echtzeitsystem ist daher extrem schnell und reagiert auf Aktualisierungen, was in Zeiten von Unterbrechungen von entscheidender Bedeutung ist.
Das neue System – VisionAir – kann auch nativ auf Smart TVs betrieben werden. Das spart Infrastruktur- und Wartungskosten sowie Zeitaufwand für Ingenieure. Das neue System ist es auch:
- Flexibel – und kann von einem Internet-Browser oder einem mobilen Gerät ausgeführt werden und erfordert keine installierte Software. Inhalte können auch gemeinsam mit anderen Organisationen – wie Fluggesellschaften und Ground Handler – verwaltet werden, und je nach Bedarf können verschiedene Arten von Inhalten gehostet werden – von den kleinsten mobilen Geräten bis hin zu den größten Videowänden.
- Widerstandsfähig – im Gegensatz zu herkömmlichen Systemen – ist das System robuster gegen Netzwerkausfälle oder Stromausfälle mit mobiler Batterieversorgung und 4G-Backup, falls erforderlich. Es beinhaltet auch eine völlig unabhängige Management-Schnittstelle, die den Betrieb völlig unabhängig von der Infrastruktur oder dem System des Flughafens unterstützt, wenn dies erforderlich ist.
- Intelligent – das System kennt die Bildschirmpositionen in Bezug auf das Flughafenlayout und kann je nach Situation die entsprechenden Meldungen zielgerichtet ausgeben.
- Nachhaltiger – kann die Hintergrundbeleuchtung steuern und hilft, den Energieverbrauch zu reduzieren, wo immer dies möglich ist.
Das Projekt VisionAir begann im Jahr 2015, als der Flughafen Gatwick beschloss, cloudbasierte FIDS im Einklang mit der Cloud-Migrationsstrategie des Flughafens zu entwickeln. AirportLabs hat die Lösung entwickelt und das System mit 1200 Bildschirmen bis Mitte 2017 in Betrieb genommen und bietet seitdem ununterbrochenen Service.
Der Flughafen Gatwick ist einer der wenigen Airport-Betreiber die einen Großteil der IT-Lösungen selber entwickeln. Offensichtlich fehlte der eigenen FIDS-Lösung dieses Mal noch die richtige „Fall-Back“-Absicherung. Für Business Critical Systeme sind Redundanzen absolut notwendig. Generell muss aber erwähnt werden, dass man am Airport in London Gatwick überaus erfolgreich innovative Customer-Journey-Projekte realisiert hat. So verfügt LGW über ein überaus smartes mobilbasiertes Wayguiding System mit mehr als 2.000 Beacons und große screenbasierte Checkin-Signage-Lösungen.
Aber in Erinnerung bleibt erstmal der große „Fail“ vom vergangenen Montag.