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DSS Europe 2019

Von Alibaba und WeChat lernen

München | Überrollen chinesische Unternehmen die westliche Retail-Welt? – Nein, findet Fredrik Holmvik, Retail & Omni Channel Strategist, Processverkstad 17. Dennoch gebe es einiges von ihnen zu lernen, so Holmvik beim Digital Signage Summit Europe (DSSE) 2019.
Fredrik Holmvik gab zahlreiche Impulse und Insights (Foto: Frank Böhm)
Fredrik Holmvik gab zahlreiche Impulse und Insights (Foto: Frank Böhm)

Der Digital Signage Summit Europe 2019 fand am 3. und 4. Juli 2019 im Munich Hilton am Flughafen München statt.

China: Seit dem Tod Mao Tse Tungs im Jahr 1976 über die Wende ind er Politik 1978 und den offiziellen Start in eine neue ökonomische Zukunft 1980 hat sich das asiatische Land rasant verändert. Inzwischen sind etwa 20 Städte mit jeweils mehr als 10 Millionen Einwohnern ein Symbol für die Veränderungen, ebenso Unternehmen wie das vom ehemaligen Englischlehrer Jack Ma gegründete Alibaba.

Fredrik Holmvik machte in seiner Präsentation „New Retail: How Alibaba & Co change Retail“ den großen Sprung nach vorn und zeigte, wie die 1999 als E-Commerce-Unternehmen gegründete Plattform sich weiterentwickelt hat. Denn Jack Ma war im Herbst 2016 soweit, schon von New Retail zu reden, als westliche Firmen bestenfalls gerade einmal ihre Online-Hausaufgaben gemacht hatten und begannen, auf Omnichannel zu setzen.

Holmvik, der in den letzten Jahren für den schwedischen Retailer ICA gearbeitet hat, ist seit einiger Zeit als unabhängiger Consultant tätig und untersucht, wie und warum chinesische Firmen so innovativ sein, was sie von westlich geprägten Konzernen unterscheidet.

Eine der Kernthesen: Da sich die chinesische Gesellschaft von einem sehr niedrigen Niveau aus entwickelte, kam es zum Leapfrogging, dem Auslassen einzelner Stufen im Entwicklungsprozess, und auch zu einem Trampolineffekt.

„Als die Menschen und Wirtschaft einen gewissen Wohlstand erreicht hatten, war das Internet einfach schon da“, so Holmvik. Folge: Man setzt direkt auf E-Commerce. Beziehungsweise: M-Commerce, da die Durchdringung mit Smartphones ebenfalls rasant vonstatten ging. Allein die pure Menge an Desktop-Nutzern und Mobil-Nutzern ist ein Pfund. Das zeigte der Referent in einem simplen Vergleich mit den USA.

Und warum setzt Alibaba mit seinen HEMA Stores und deren schnellen Roll-out seit einiger Zeit auch auf Stores vor Ort? – In den Läden kann mit modernen Methoden bezahlt werden, geordert wird aber sehr oft von zuhause aus. Menschen, die innerhalb eines bestimmten Radius wohnen, wird die Lieferung von Lebensmitteln aus den HEMA Fresh Stores garantiert. „Inzwischen ziehen Menschen deshalb bewusst in die Gegenden, in denen sich die Stores befinden“, sagte Fredrik Holmvik.

Eine ganz andere Denke bei anderen Ausgangsvoraussetzungen. Ein weiteres Fallbeispiel war WeChat, das manche unbedarfte Westler als eine Art WhattsApp-Klon betrachten. Nichts wäre falscher: „In der App ist alles enthalten: Messaging, Payment, Funktionen zahlreicher Onlinedienste, die es in der westlichen Welt als einzelne Applikationen gibt.“ So wird gehandelt, gekauft und bestellt – eigentlich kann man sein gesamtes (Online-)Leben in der Lösung verbringen. Heraus kommen traumhafte Nutzungsdauern und Zahlen.

Dass die Sache auch einen haken hat – zumindest aus westlicher Sicht – verhehlte Holmvik nicht, WeChat wurde 2011 vom chinesischen Konzern Tencent gegründet. Die Lösung kann – und wird – für alle möglichen Interaktionen genutzt. Da alle Daten direkt bei der chinesischen Regierung, respektive der KP landen, ist der Dienst ein Baustein der neuen digitalen Totalüberwachungsstrategie in dem Land, das eben keine Demokratie ist.

Und hier ist Holmvik überzeugt, liegen die Gründe, warum chinesische Firmen solche Modelle eben nicht 1:1 im Westen werden übersetzen können: kulturell gibt es große Unterschiede. Themen wie Datenschutz sind etwa in Europa von hohem Interesse. Und sie werden anders gewichtet, als in einem Staat, der gerade ein veritables digitales Punkte-Belohnungs- und Bestrafungssystem aufzieht, das mittels AI und Kameras in jedem Winkel des Alltags arbeitet.

Aber, so der Retail-Experte, wer sich Inspirationen holen wolle, der müsse den Blick in den Fernen Osten wagen, nicht die Inspiration in Kalifornien suchen. Wenn selbst Facebook bestimmte Strategien der Chinesen adaptiere, sei dies schon mal ein Grund.

„Es funktioniert auch längst nicht alles. Glauben Sie nicht alles, was Sie in irgendeinem Video sehen“, so Holmvik. Er hat einige Stores besucht, vom Starbucks in China, der mittels Augmented Reality auf Kundenfang geht. Aber, so der schwedische Fachmann, das funktioniere vor Ort eben nicht besonders gut. Und inn anderen Geschäften, die mit QR Codes und Instant Payment arbeiteten, funktionierten bei einem seiner Tests die überwiegende Anzahl dieser Codes eben nicht.

Auch chinesische Handels- und Internetgiganten können nicht zaubern – diese beruhigende Einsicht gab Holmvik den Interessierten mit auf den Weg.Allerdings stehen sie für zahlreiche Innovationen, die wiederum als Inspiration dienen können. Das letzte Modell kommt einem ja aus historischer Perspektive ebenfalls bekannt vor.

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