Anzeige
Lockdown zum Jahreswechsel

Zerreißprobe für Textilhändler

Der stationäre textile Einzelhandel hatte mit den Lockdowns und Corona-Einschränkungen bisher ein rabenschwarzes Jahr. Die Zahl der Großinsolvenzen stieg in den ersten neun Monaten 2020 rasant. Der letzte Hoffnungsträger vor dem allgemein stets schwachen Geschäft zum Jahresstart 2021 ist Weihnachten – falls die Regeln bis dahin gelockert werden. Doch es gibt auch smarte Krisengewinner.
Gesichtsmasken gehören nach Corona zur neuen Retail-Realität (Foto: unsplash)
Gesichtsmasken gehören nach Corona zur neuen Retail-Realität (Foto: unsplash)

Das Bild im Retail könnte aktuell kaum unterschiedlicher sein: Lebensmittel- und Onlinehändler fahren satte Zuwächse ein, während der stationäre Einzelhandel vor großen Herausforderungen steht. Insbesondere der stationäre textile Einzelhandel hatte mit Lockdowns und pandemiebedingten Einschränkungen 2020 stark zu kämpfen. Entsprechend hoch ist die Zahl der Großinsolvenzen bei Textilhändlern in den ersten neun Monaten 2020, wie eine Analyse des Hamburger Finanzdienstleisters Euler Hermes Deutschland ergab. Insgesamt sind acht große Textil-Retailer in die Insolvenz geschlittert, fünf mehr als im Vorjahreszeitraum (+166%).

Für 2020 erwartet Euler Hermes Umsatzverluste von rund 12 Milliarden Euro im Bekleidungseinzelhandel. Nach dem drastischen Einbruch während des Lockdowns im März und April, hatten sich die Umsätze zwar sukzessive erholt. Doch komplett betrachtet von Januar bis September sind sie mit -26% deutlich unter dem Vorjahresniveau. Unterschiede zwischen Bekleidung und Accessoires gibt es dabei kaum. Sollte das äußerst wichtige Weihnachtsgeschäft jetzt ebenfalls beschnitten werden, droht eine weitere Insolvenzwelle. Hinzu kommt, dass nach Weihnachten die ohnehin Umsatzschwache „Saure-Gurken-Zeit“ zum Jahresstart 2021 bis in den März folgt.

Zu den Krisengewinnern dagegen zählen derzeit besonders Retailer mit einer maßgeschneiderten Multichannel-Strategie. Wer neben stationär auch online kann, kommt besser durch die Krise. Der Onlinehandel legte bei den Umsätzen von Januar bis August 2020 laut Euler Hermes um insgesamt 22% zu. Für das Gesamtjahr 2020 prognostiziert der Finanzdienstleister ein Wachstum um satte 18%. Im Vergleich zu den gerade mal 8% im Jahr 2019. Auch für 2021 sind die Aussichten im E-Commerce gut. Zwar erwarten die Euler Hermes Experten kein erneutes Rekordjahr wie 2020, aber mit rund +10% Umsatzwachstum soll auch 2021 deutlich über dem Langzeitdurchschnitt von 7-8% liegen.

Corona & Retail: Weihnachtsgeschäft auf der Kippe

„Viele Verbraucher haben in diesem Jahr ihre Konsumgewohnheiten drastisch verändert“, sagt Aurélien Duthoit, Senior Branchenanalyst bei Euler Hermes. „Auch vorher nicht online-affine Verbraucher kaufen plötzlich verstärkt im Netz. Wenn sie dort zufrieden sind – und die Onlinehändler tun alles dafür, dass das der Fall ist – könnten sie eventuell für den stationären Handel nachhaltig verloren sein. Dafür müssen die Einzelhändler in Zukunft passende Konzepte entwickeln, um sie wieder zurück zu locken.“ Hier stehen die Chancen auch gut für Digital Signage-Anbieter, ihre Lösungen zu platzieren. Ob smarte Zutrittskontrolle mit Mehrwert als Werbedisplay, die Interaktion von InStore-Displays mit mobilen Geräten der Kunden oder auch zielgerichtete datenbasierte Spots vor den Geschäften.

Fest steht: Die Corona-Pandemie wirkt wie Brennglas und verstärkt Effekte eben in beide Richtungen. Natürlich gibt es in jeder Krise Gewinner und Verlierer. Zu den Gewinnern gehören aber Unternehmen, die ihre Strategie, Zielgruppe und Kostenstruktur kennen und deren Geschäftsmodell nicht nur auf einem Standbein steht. Wer sich schon vor der Pandemie gut auf den Strukturwandel vorbereitet und investiert hatte, konnte vom Online-Boom in Zeiten von Covid profitieren, befindet Euler Hermes. Wer diesen Trend verpasst hat, hängt inzwischen am seidenen Faden. Das hoffentlich erfolgreiche Weihnachtsgeschäft und das Umsatztief zum Jahresstart 2021 stellen die große Zerreißprobe für Textilhändler. Wer hier punktet, kann sich dafür auch in eine gute Ausgangssituation für das kommende Jahr bringen.

Corona in Deutschland: Fünf wichtige Trends im Retail