Eine koordinierte Attacke von Aktivisten traf Europas Außenwerber: Auf insgesamt 500 Werbeflächen von JC Decaux, Clear Channel und anderen waren sogenannte Adhacks zu sehen. Verschiedene Organisationen überklebten bestehende Plakate mit Fake-Kampagnen, die eine Reihe von Fluggesellschaften angreifen.
„Bei Lufthansa lenken wir Sie mit Baumbildern ab, während wir den Planeten braten.“ ist auf einem der Plakatmotive zu lesen. Daneben zeigt eine Illustration einen Flugpassagier, der eine Baumlandschaft in einem Magazin betrachtet – durch das Flugzeugfenster ist ein brennender Wald zu sehen. Unter der Karikatur und dem Slogan steht etwas weniger auffällig: Greenwash Ads by DDB München. Daneben der Hashtag „BanFossilAds“.
Werbestopp für Fluggesellschaften gefordert
DDB München ist für die OoH-Kampagnen der Lufthansa zuständig. Mit dem Plakat greifen die Verantwortlichen also nicht nur die Fluggesellschaften selbst, sondern auch deren Werbeagenturen gezielt an. Das Aktivistenportal Brandalism erklärt, diese würden einen „High Carbon Lifestyle“ als glamourös verkaufen und somit indirekt die Klimakrise befeuern.
invidis Kommentar
Es wurde alles schon zigmal betont: Dass es sich bei derartigen Aktionen um Sachbeschädigung handelt. Dass es sich um kleine, radikale Randgruppe handelt. Dass das Verbot von Werbung nicht nur sinnlos, sondern in gewissem Maße auch schädlich sein könnte. Dass die Städte für ihre Infrastruktur auf das Geld von Außenwerbern setzen.
Solche Aktionen wie diese sind nicht neu. Das – wohldokumentierte – Archiv auf der Brandalism-Seite geht bis in Jahr 2012 zurück.
Bei der jüngsten Aktion kommen zwei Arten von Protestgruppen zusammen: Klimaaktivisten und Werbe-Gegner, die in der Gegnerschaft zu bestimmten Werbekunden und den Agenturen ein gemeinsames Ziel gefunden haben. Plötzlich haben in einer angespannten globalen Lage derartige Attacken mehr Gewicht, die Relevanz scheint höher zu sein.
Die Außenwerbung, die sich als letztes Massenmedium im öffentlichen Raum sieht, ist nun auch die als sichtbarstes Medium im Stadtbild Projektionsfläche für oft unfaire, unreflektierte und schädigende Diskussionen aus der Gesellschaft heraus. Außenwerbung wirkt und generiert Sichtbarkeit – ein Alleinstellungsmerkmal, das offensichtlich auch von Aktivisten geschätzt wird.
Das bedeutet nicht, derartige Aktionen gutzuheißen oder zu relativieren. Das bedeutet das Drehen an Stellschrauben und vor allem Aufklärung. Was OoH leisten kann. Als Werbeplattform, aber auch als Öffentlichkeitsplattform.
Balthasar Mayer
Aktivisten fordern mit #BanFossilAds einen Werbestopp für Unternehmen, die Produkte und Dienstleistungen mit hohem Carbon Footprint verkaufen. Neben Lufthansa und DBB wenden sich die Attacken gegen British Airways und die Agentur Uncommon sowie Easyjet mit der Agentur VCCP. Weitere Plakate beschimpfen den Konzern Ryanair als „Ruinair“ und prangern Flughafenexpansionen an. Vor allem Vielflieger und Business-Class-Passagiere seien für zusätzliche Luftverschmutzung verantwortlich, sagt Brandalism. In England überklebte eine Gruppe beispielsweise eine Werbefläche von Clear Channel mit einer gefälschten British-Airways-Kampagne. Das Motiv liest „Mit dem weltweit ersten Golfplatz an Board machen wir die Business Class grün.“
Auch Außenwerber sind im Visier
Betroffen waren Out-of-Home-Standorte in Großbritannien, den Niederlanden, Spanien, Italien, Portugal, Belgien und Frankreich. Laut Brandalism waren unter anderem Adfree Cities (UK), Badvertising (UK), Résistance à l’Agression Publicitaire (France), Climáximo (Portugal), Greenpeace International und 35 weitere Organisationen an der Aktion beteiligt. Auch die Gruppierung Liège sans Pub nahm an den sogenannten Adhacks teil.
Auf ihrer Website positioniert sie sich gegen den Außenwerber JC Decaux, der 2017 erneut den 15-jährigen Zuschlag für die Werbeflächen im belgischen Lüttich bekam. Die Organisation kritisiert die finanzielle Abhängigkeit der Stadt von Werbetreibenden. Das erklärte Ziel dieser länderübergreifenden Aktion sind zwar die Fluggesellschaften und deren Werbeagenturen, indirekt wendet sich die Kritik so jedoch auch an die Außenwerber.