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DooH im Orbit

Nicht schon wieder Weltraum-Werbung!

Der Weltraum, unendliche Werbeweiten: Ein Fachartikel bescheinigt Leuchtwerbung aus dem Orbit kommerzielle Machbarkeit. Wird nun der Albtraum vieler Werbegegner wahr? Beginnt ein neues DooH-Zeitalter? Oder alles kalter Milchstraßenkaffee? invidis ordnet ein.
So präsentierte Start Rocket die Idee von Orbit-Werbung vor vier Jahren. Nun gibt es eine Berechnung zum Return on Investment. (Foto: StartRocket)
So präsentierte Start Rocket die Idee von Orbit-Werbung vor vier Jahren. Nun gibt es eine Berechnung zum Return on Investment. (Foto: StartRocket)

Stellen Sie sich vor: Es ist eine klare Nacht, über Ihnen nur das Sternenzelt. Plötzlich zieht statt einer Sternschnuppe ein Coca-Cola-Schriftzug über den Himmel. Sehr unromantisch. Und für die meisten ein Horror-Beispiel, wie Marketing in die letzten werbefreien Winkel des Kosmos dringen könnte.

Die Vorstellung von Weltraum-Billboards, die den Nachthimmel zur Werbefläche machen, erhitzt aktuell die Welt des Internets: Online-Publikationen und die sozialen Medien malten Schreckensbilder der intrusiven Werbebotschaften. Out-of-Space Invaders sozusagen.

Signage Sunday

Mit Signage Sunday präsentiert invidis mit einem Augenzwinkern Themen und Geschichten jenseits des Digital Signage-Alltags. Projekte, Trends und Köpfe, die direkt oder auch nur indirekt Einfluss auf die Branche haben und die in der werktäglichen Berichterstattung untergehen würden. Oder auch nur Beobachtungen der Redaktion. Die besondere Wochenendberichterstattung mit invidis.

Der Anlass? Eine aktuelle Studie im Fachblatt Aeronautics, die sich im Detail mit den technischen Möglichkeiten von Weltraumwerbung – und deren möglicher Rentabilität – auseinandersetzte. Das Fazit der Autoren: „So unrealistisch die Idee auf den ersten Blick sein mag: Es zeigt sich, dass Space Advertising Potenzial für eine sinnvolle Kommerzialisierung hat.“

Da ist es, schwarz auf weiß. Weltraumwerbung ist möglich. Nike statt Venus. Mercedes statt Großer Wagen. McDonald’s statt Milchstraße.

Doch ist es tatsächlich so? Steht nun der Untergang des abendländischen Firmaments bevor?

Start Rocket schafft es in die Medien

Einen ähnlichen Medienwirbel gab es bereits vor rund vier Jahren: Damals verursachte ihn eine Agentur namens Start Rocket. Mit dem Ziel, Satelliten mit leuchtender Werbung ins All zu schießen, traf das Unternehmen um den Gründer Vlad Sitnikov einen Nerv: Die einen waren fasziniert, die anderen besorgt bis angewidert. Start Rocket gab sich selbstbewusst, nannte bereits Preise für eventuelle Kampagnen.

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Damals berichteten unter anderem NBC und Reuters. Pepsi Russland plante sogar schon eine Zusammenarbeit für eine orbitale Werbung.

Viele Bilder, mit denen aktuell vor allem in den sozialen Medien die Posts versehen werden, stammen übrigens von diesem Coup 2019.

Satelliten-Combo oder großes Weltraumsegel?

Doch wie sähe den Werbung im Weltraum – beziehungsweise im Orbit – aus?

Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten, eine Werbebotschaft im Orbit sichtbar zu machen: Durch eine große Struktur, die zum Beispiel Sonnenlicht auf die Erde spiegelt, oder mit einer Satellitenformation, in der jeder Satellit als ein Pixel fungiert – ähnlich den bereits etablierten Drohnenshows.

Mit letzterer Technologie beschäftigt sich auch der Aeronautics-Artikel. Selbst die im Fall Weltraumwerbung überaus enthusiastische Start Rocket sieht in der Einzelstruktur eines Spaceboards Nachteile: Zu groß die Fläche, zu anfällig gegen Mikropartikel und Weltraumschrott. Damit fallen die zumindest die als besonders störend empfundenen Riesen-Logos erst einmal weg.

In Formation fliegende Satelliten sind dagegen ein Forschungsfeld, dass auch für andere Applikationen bearbeitet wird, zum Beispiel für die Erfassung von kosmischer Gamma-Strahlung. Technische Voraussetzungen sind also vorhanden.

Wie viel kostet Weltraum-Werbung?

Auch wenn die Autoren der Studie nicht aus Mediaagenturen stammen, haben sie doch Profitabilitäts-Rechnungen angestellt. „Numerische Simulationen zeigen, dass der Umsatz einer Space-Advertising-Mission täglich 20 Millionen US-Dollar erreichen kann“, gibt das Skoltech-Institut an, das an der Studie mitgewirkt hat. Damit seien innerhalb eines Monats die Kosten für die Mission wieder eingespielt.

Auf den Vorwurf der Lichtverschmutzung gehen die Autoren der Studie auch ein: Die technischen Voraussetzungen würden eine Orbit-Kampagne nur in den Abend- und Morgenstunden möglich machen, nicht aber in der Nacht.

Es steht in den Sternen

Gibt es nun Grund für Gegner der extraterrestrischen Plakatierung, sich Sorgen zu machen? Zumindest nicht mehr als vorher auch. Auch wenn derartige Projekte technisch und finanziell machbar wären: Viele Fragen sind noch zu beantworten. Ist zum Beispiel eine solche Werbung überhaupt erlaubt? Wie gut nehmen die Leute derartiges Space Advertisement wahr? OoE, Out-of-Earth, wird Programmatic als Wachstumstreiber der Außenwerbung erst einmal nicht ersetzen.

Frühe Versuche von Orbit-Werbung

Wie die Studie berichtet, gab es durchaus immer wieder Versuche, Werbungen im Orbit zu platzieren. Beispielsweise war zur Feier des hundertjährigen Bestehens des Eiffelturms im Jahr 1989 geplant, eine Kette von hundert Solarreflektoren in die erdnahe Umlaufbahn zu bringen, die einen weltweit sichtbaren Lichtring bilden sollten. Eine weitere Werbekampagne im Weltraum sollte den Olympischen Spielen in Atlanta 1996 gewidmet sein. Die Idee war, eine große reflektierende Platte mit einer Länge von einer Meile und einer Breite von einer Viertelmeile zu starten, die auf der Erde sichtbar sein würde.