Sascha Lobo beherrscht die Kunst des sanften Hinterhalts. Der Digitalexperte und Keynote-Speaker der Plakadiva-Preisverleihung 2023 ließ gleich zu Beginn seines Vortrags verlauten, wie sehr er DooH-Werbung liebe. Man solle sich vorbereiten auf eine Welt, in der DooH im Fokus stehe. Die digitale Außenwerbung müsse noch viel mehr ausgebaut werden. Die Sympathien des Plakadiva-Publikums – Agenturen, Außenwerber, Kreative – hatte er damit schnell auf seiner Seite.
In die zustimmende Stille fragte er daraufhin, warum das alle sagen aber niemand wirklich umsetze. Er habe nichts dagegen, aus dem Modell der analogen Außenwerbung noch die letzten Erträge herauszuwringen, aber bei rund 2.000 Roadside-LEDs könne es ja nicht bleiben.
Für Minuten wich darauf die Stille einem Geraune. Und damit hatte der erfahrene Redner sein Ziel erreicht. Es ging ihm nicht darum, dem Publikum als dieser eine Autor da draußen in Erinnerung zu bleiben, der den wahren Wert von DooH erkannt hatte; auch nicht um die fachliche Genauigkeit dieser Aussage oder ob sie den Entwicklungen innerhalb der Branche entsprach.
Stattdessen setzte er den Ton für den Rest des Vortrags: die Unvermeidlichkeit der Digitalisierung und die Gründlichkeit, mit der Künstliche Intelligenz jeden Aspekt des menschlichen Daseins durchdringen wird – und, o Wunder, auch die Außenwerbung.
Digitalisierung zerstört Geschäftsmodelle
Dabei betonte Sascha Lobo, dass eine 1:1-Umsetzung eines Geschäftsmodells fast nie stattfinde – und wenn, dass sie ständig von anderen Modellen, die konsequent digitalisieren, bedroht sind. Denn auch das sei eine wichtige Erkenntnis: Die gegenwärtigen Entwicklungen könnten vorhandene Geschäftsmodelle über Nacht hinfällig machen. Als Beispiel nannte er eine App, die bald anhand von Fotos den Nährgehalt einer Mahlzeit bestimmen könnte – Ernährungs-Apps à la Weightwatchers hätten innerhalb eines halben Jahres ausgedient.
Bezogen auf DooH bedeutet das, die Basis-Voraussetzungen für eine komplette Digitalisierung noch viel vehementer zu implementieren. „Digitale Transformation geschieht entlang von Datenströmen“, erklärte der Redner. Dieser Grundzug von DooH – der auch bei der anschließenden Plakadiva-Preisverleihung durchblitzte, zum Beispiel bei Oatly mit der Dynamic Creative Optimization – sei die Zukunft – wenn er konsequent verfolgt wird. Selbst analoge Plakate müssten in dieser Konsequenz mit zahlreichen Sensoren bestückt sein, um aus den Datenströmen zu lernen und mit ihnen zu agieren. „DooH braucht mehr Daten“, fasste Sascha Lobo das „Primat des Datenstroms“ für die Branche zusammen.
Denn der grundsätzliche Weg der Digitalisierung sei immer gleich: Von der Hardware geht es über die Software hin zu einer vernetzten Software, also Plattformen. Und diese Plattformen lenken die Datenströme, um immer bessere Ergebnisse zu erreichen. Was einen zum nächsten, übergroßen Zukunftspunkt brachte, nämlich zur in aller Munde liegenden und in jeder Hirnwindung kauernden Künstlichen Intelligenz.
KI wird den Prozess dominieren
„Wer kann es sich noch leisten, keine KI für seine Kampagne zu nutzen?“, fragte Sascha Lobo in die Runde. Media-Koryphäen wie WPP-Chef Mark Read sehen nicht weniger als eine Revolution der gesamten Werbeindustrie durch KI. Diese wird den gesamten Prozess umkrempeln und beherrschen, von der Planung über die Creatives bis zur Ausspielung. Denn die Geschichte der Digitalisierung sei auch eine Geschichte der Automatisierung. Es sei nun Aufgabe der Außenwerbung, zu forschen, zu experimentieren, welche Datenströme wie eingesetzt werden müssen.
Jenseits aller konkreten Umsetzungen und behördlichen Herausforderungen gab Sascha Lobo der versammelten Außenwerbe-Fachschaft ein Gefühl der Dringlichkeit mit: Noch wird DooH als Wachstumsgarant für die Außenwerbung gefeiert; die Branche muss zusehen, nun selbst mit der digitalen Entwicklung Schritt zu halten.