Anzeige
Virtuelle Bandenwerbung

Warum ein Spieler im Tor verschwand

Erstmals sehen TV-Zuschauer bei einer EM andere Werbung als Stadiongänger. Virtuelle Banden faszinieren, doch die Technologie gibt es schon lange – dank AI ist sie jetzt nur effektiver einsetzbar.
Diese Lidl-Werbung wurde im Fernsehen virtuell eingeblendet - der belgische Spieler verschwindet hier hinter ihr. (Foto: Screenshot ARD)
Diese Lidl-Werbung wurde im Fernsehen virtuell eingeblendet – der belgische Spieler verschwindet hier hinter ihr. (Foto: Screenshot ARD)

Bei keinem Fußballturnier waren LED-Banden so ein Gesprächsthema: Erst zog sich Frankreichs Darling Antoine Griezmann beim Crash mit dem Screen in der Düsseldorf Arena eine Platzwunde zu. Dann musste man einen Bienenschwarm aus der LED-Wand des Stuttgarter Stadions evakuieren, bevor dort Deutschland gegen Ungarn antrat. Und in der Frankfurt Arena verschluckte der digitale Stadionrand einen belgischen Spieler in der Fernseh-Übertragung.

Dieses Mysterium – und ein entsprechender Spiegel-Videobeitrag– regten viele Medien zur Recherche über die LED-Banden an. Die zeigen nämlich im Fernsehen ganz andere Werbung an, als im Stadion. Mittels AI werden die vor Ort ausgestrahlten Sponsorenlogos überblendet. In der Fernsehübertragung sieht man dann zwar die Werbung desselben Sponsors, aber optimiert auf das TV-Publikum – inklusive unterschiedlicher Sprachen. Die Deutschen im Stadion hatten sich schon gewundert, warum sie internationale Werbung zu sehen bekamen, während die TV-Zuschauer deutsche Werbung sahen.

Virtuelle Bandenwerbung nennt man das. Die Bundesliga startete mit einer älteren Version dieser Technologie in der Saison 2018/19. Damals nutzte man noch ein teures, voll-integriertes System des britischen Anbieters Supponor, das neben der Software auch spezielle LED-Panels benötigte, die Infrarot-Signale an die Kameras senden. Die gewonnenen Lokationsdaten waren bei älteren Virtual-Replacement-Technologien wie der Deutsche Bank Arena für die akkurate Überblendung notwendig.

Durch die Fortschritte in Sachen Künstlicher Intelligenz gibt es aber inzwischen software-basierte Systeme, die sich deutlich einfacher und extensiver skalieren lassen. So nutzt die UEFA zum ersten Mal die virtuelle Bandenwerbung auch bei einer EM. Für die Euro setzt der Fußballverband auf eine AI-Software des Schweizer Anbieters Aim Sports, wie die FAZ recherchierte. Bei dieser Lösung handelt es sich um virtuelle Überblendung der LED-Banden mittels Augmented Reality.

Andere Technologie sendet verschiedene Inhalte gleichzeitig

Das ist wiederum nicht zu verwechseln mit der ebenfalls noch neuen Parallel Ads-Technologie, wie der von TGI Sports, die Bayer Leverkusen 04 in der Saison 2023/24 pilotierte. Bei diesem hardware-basierten System laufen tatsächlich unterschiedliche Inhalte gleichzeitig auf den Banden. Die Screens senden die Inhalte dann aber in verschiedenen Frequenzen aus, die man nur mit Kameras einfangen kann. Damit sind bis zu vier unterschiedliche Streams möglich.

Bayer Leverkusen: LED-Banden mit Parallel-Werbung

Anders bei virtueller Bandenwerbung: die Überblendung ist software-basiert und erfolgt am zentralen Produktionsstandort. Auch wenn das bei der EM in diesem Ausmaß noch nicht passiert, könnte man so wahrscheinlich für jedes Land unterschiedliche Werbeinhalte einblenden. Aktuell ist die virtuelle Einblendung auf die TV-Übertragung in den Märkten USA, China und Deutschland beschränkt. Wie das ZDF berichtete, erhalten alle Sender mit Übertragungslizenzen eine auf den Markt zugeschnittene „Virtual Board Replacement“-Version. Im Stadion wird die internationale Version gezeigt.

Mittels maschinellem Lernen bekommt die Software die Projektion auf die Banden inzwischen sehr gut allein hin. Gibt es aber Spielsituationen, die das System noch nicht kennt, können auch Patzer passieren. Das sah man beispielsweise bei dem ins Tor rumpelnden und dann verschwindenden Belgier.

Während der Mehrheit der Spielzeit bekommt der Laie vor dem Fernseher aber gar nicht mit, dass er virtuelle Werbung sieht. Für Sponsoren aber macht sie Stadionwerbung noch attraktiver, da sie auch das TV-Publikum zielgerichtet erreicht.