Visual Art stand zum Verkauf, nachdem Ocean Outdoor und Aktionäre der ersten Stunde aussteigen wollten. Zur Diskussion stand ein Börsengang oder der Verkauf an strategische und/oder Finanzinvestoren. Viele der größeren europäischen Digital Signage-Anbieter zeigten ebenfalls Interesse an einer Übernahme. Doch wie so oft in Skandinavien gewinnt am Ende mal wieder Vertiseit. Der bestens vernetzte, börsennotierte Digital Signage-Anbieter aus der Nähe von Göteborg machte das Rennen um Visual Art und übernimmt den Integrator mit europäischen Töchtern komplett.
Vertiseits CEO Johan Lind konsolidiert seit über 10 Jahren insbesondere die skandinavische Digital Signage-Branche. Mit der nun bereits achten Übernahme wuchs der 2005 gegründete Anbieter von einem kleinen schwedischen Software-Entwickler zu einem global relevanten Retail-Experience-Plattform-Anbieter. Europäisch bekannt wurde Vertiseit mit der Übernahme von Grassfish im Jahr 2021 (invidis Bericht). Seitdem folgte die Übernahme von MultiQ aus Malmö und nun Visual Art.
Wanderer zwischen den Welten
Vertiseit sieht sich weder als unabhängigen Softwareanbieter (ISV) noch als Integrator. Mit Grassfish ist Vertiseit als Retail-Experience-Plattform-Anbieter plus Konzept und Integration (ISV+) am Markt aktiv, unabhängige Digital Signage-Integratoren werden mit der Dise-Softwareplattform versorgt. Mit der Übernahme von Visual Art ergänzt Vertiseit das Angebot nun um einen Full-Service-Integrator mit führender CMS-Plattform, Content-Studio und Retail-Media-Business.
Für einige Vertiseit-Kunden könnte die Übernahme als die Überschreitung einer roten Linie interpretiert werden, denn mit Visual Art tritt Vertiseit nun mit Dise-Partnern in direkten Wettbewerb. Ein bereits von Stratacache/Scala bekanntes Integratoren-Dilemma, wenn für langjährige Partner der wichtige Software-Lieferant zum direkten Wettbewerber wird.
Vertiseit-CEO Johan Lind ist sich den möglichen Interessenskonflikten sicherlich bewusst und wird versuchen alle Partner von den Vorteilen der Übernahme zu überzeugen. Doch zur Wahrheit gehört auch dazu, dass solche gefühlten Grenzüberschreitungen in Zukunft im Markt häufiger passieren werden. Tektonische Verschiebungen in der Wertschöpfungskette, der Kundenwunsch nach großen globalen Plattformen und die sich stark verändernde Rolle von Software lassen sich nur durch Konsolidierung erreichen. Die Digital Signage-Branche wird erwachsen und Disruptoren wie Johan Lind wollen aktiv die Veränderungen mitgestalten.
Fokus auf Recurring Revenue
Wer CEO Johan Lind kennt, weiß um seinen laserscharfen Fokus auf SaaS-Umsätze und ARR-Umsätze. Die Chance, Visual Art zu übernehmen, war zu gut, um sie dem Wettbewerb zu überlassen. Für nur rund 40 Millionen Euro konnte Vertiseit den schwedischen Integrator mit exzellenter Softwareplattform übernehmen, die jährlich mehr als 6,5 Millionen Euro SaaS-Umsätze (ARR) erzielt. Mit der Übernahme erhöht Vertiseit den SaaS (ARR)-Umsatz von circa 15 Millionen Euro auf 22 Millionen Euro. Das mittelfristige ambitionierte Ziel liegt bei einer Milliarde SEK ARR-Umsatz – umgerechnet 88 Millionen Euro.
Um die Übernahme von Visual Art zu finanzieren, setzt Vertiseit auf eine Kombination von Bankkredit und neu zu emittierenden Aktien. Teil der Transaktion ist auch der Einstieg des Finanzinvestors Bonnier Capital, der mit 18 Prozent größter Anteilseigener von Vertiseit wird, noch vor CEO und Gründer Johan Lin, der bis zur Transaktion 8 Prozent der Unternehmensanteile hielt. Bonnier Capital ist der Investment-Arm von Skandinaviens größtem Verlagshaus Bonnier.