Die Umsetzung der Abstandsregelungen zur Eindämmung von COVID-19 gestaltet sich besonders im öffentlichen Personennahverkehr schwer. Um eine Überfüllung von Zügen zu verhindern und die Personenströme intelligent zu leiten startet die Deutsche Bahn in Stuttgart heute ein Pilotprojekt zur automatisierten Auswertung von Fahrgastdaten mittels künstlicher Intelligenz. Um dabei datenschutzkonform zu agieren kommt die Anonymisierungstechnologie von Startup Brighter AI zum Einsatz, die 2019 den zweiten Platz beim Digitalpreis The Spark von Handelsblatt und McKinsey gewannen.
Mit der Software des Spezialisten für Deep Learning AI kann die DB kostensparend auf die existierende Kamerainfrastruktur in ihren Zügen zurückgreifen. „Wir versuchen herauszufinden, ob wir die vorhandene Technik nutzen können und dadurch einen Mehrwert für unsere Fahrgäste schaffen können“, sagt Dr. Dirk Rothenstein, Vorsitzender der Geschäftsleitung des Projektträgers S-Bahn Stuttgart. Brighter AI stellt dem Verkehrsunternehmen seine „Identity Protection Suite“ zur Verfügung, inklusive Anonymisierung, Analyse und Konformitäts-Check. Im ersten Schritt werden die Daten der bestehenden Kameras mittels sogenannter „Deep Natural Anonymization“ nutzbar gemacht. Dabei werden personenbezogene Informationen wie Gesichter durch künstlich erzeugte Nachbildungen ersetzt.
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So entstehen Videoaufnahmen, die einerseits die persönliche Identität schützen und gleichzeig datenschutzkonform die digitale Weiterverarbeitung dieser Datensätze ermöglichen. Eine Analyse findet anschließend lediglich auf Basis geschützter Identitäten statt und es verlassen keine Videodaten die Geräte. Darüber hinaus werden die ausgehenden Metadaten einer Konformitätsprüfung unterzogen, bei der sichergestellt wird, dass ein Personenbezug ausgeschlossen bleibt. „Mit unseren Anonymisierungstechnologien wollen wir den vermeintlichen Ethik-Konflikt zwischen Persönlichkeitsrechten und datenbasierter Innovationskraft auflösen“, erklärt Marian Gläser, Mitgründer und Geschäftsführer von Brighter AI.
Die Deutsche Bahn betonte gegenüber dem Handelsblatt, dass das gesamte Projekt vom eigenen Datenschutzbeauftragten eng begleitet wird. Sollte das Pilotprojekt, dessen erste Phase in einem Zug ohne „echte“ Passagiere startet und dann ab Mitte Mai im regulären Betrieb fortgesetzt wird, erfolgreich sein, könnte die Technologie flächendeckend und langfristig eingesetzt werden. Erste kritische Stimmen werfen allerdings in den Raum, ob es nicht ausreichend wäre, die Kontrolleure Information wie die Fahrgastdichte oder Abstand zwischen den Fahrgästen erheben zu lassen – empfindliche Videodaten müssten dafür nicht ausgewertet werden.