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Ströer verbannt parteipolitische Werbung

Deutschlands größter Außenwerber zieht Konsequenzen aus den politischen Diskussionen der letzten Woche und akzeptiert keine Buchungen mit parteipolitischer Kommunikation zur Bundestagswahl mehr. Ströer gelang ins politische Kreuzfeuer durch Werbekampagnen von angeblich 3,5 Millionen Euro anonymer AfD-Spendern und wurde Ziel von Diffamierungen, Boykottaufrufen, Drohungen und Sachbeschädigungen. (aktualisiert)
Unbekannte AfD-Unterstützer buchten Kampagnen bei Ströer (Foto: Screenshot)
Unbekannte AfD-Unterstützer buchten Kampagnen bei Ströer (Foto: Screenshot)

In den vergangenen Jahren hat Ströer zahlreiche Out-of-Home Kampagnen des gesamten politischen Spektrums auf Plakatflächen und Digital angenommen und auf Werbeträgern im öffentlichen Raum sichtbar gemacht. Neben Buchungen sämtlicher im Bundestag vertretenen politischen Parteien wie CDU, SPD, CSU, Die Grünen, AfD, FDP und Die Linke anlässlich der Wahlen zum Europäischen Parlament, Bundestagswahlen, Landtagswahlen und Kommunalwahlen, zählten dazu auch Kampagnen, die sowohl deutlich links als auch deutlich rechts der politischen und gesellschaftlichen Mitte anzusiedeln sind. Stellvertretende Beispiele hierfür sind Kampagnen wie „bundestag-nazifrei.de“ und „#GrünerMist“.

Out of Home: Ströer gerät zwischen die Wahlkampffronten

Insbesondere in den letzten Wochen kam es zu persönlichen Anfeindungen und Drohungen in Richtung von Ströer-Mitarbeitern, zu Boykottaufrufen gegen Ströer und Sachbeschädigungen von Firmeneigentum – und zwar aus verschiedenen politischen und gesellschaftlichen Meinungsrichtungen.

Derzeit liegt Ströer eine aktuelle Anfrage eines Rechercheverbunds mit 15 Fragen vor. (Hier der Bericht von Correctiv, Spiegel, ZDF) Unter anderem wird nach üblichen Kundenterminen (in diesem Fall mit der AfD) oder Buchungsdetails gefragt. Aus den Fragen ergibt sich aus Sicht des Unternehmen die eindeutige Zielrichtung, „das Unternehmen und/oder einzelne Mitarbeiter willkürlich und unzutreffend politisch in die Nähe der AfD zu drängen.“ Damit ist aus Sicht von Ströer „die Grenze des Hinnehmbaren endgültig überschritten.“ Aufgrund dieser gesammelten, negativen Erfahrungen aus dem Wahlkampf zur aktuellen Bundestagswahl hat nun der Ströer Vorstand beschlossen, bis auf weiteres keine Aufträge für parteipolitische Werbung mehr entgegenzunehmen.

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Das Unternehmen kann auf dieser Basis seinen Beitrag zur politischen Meinungsbildung nicht mehr gewährleisten und zieht sich vollständig aus der parteipolitischen Werbekommunikation zurück, um Schaden vom Unternehmen und seinen Mitarbeiter:innen abzuwenden. Ströer wird bis zur Bundestagswahl und darüber hinaus jeden Auftrag zu parteipolitischer Werbung jeglichen politischen Spektrums ablehnen.

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Ströer ist wie alle Vermarkter von Out of Home und anderen Medien nicht für die jeweiligen Inhalte und Gestaltung der Werbung verantwortlich. Als neutraler Dienstleister wurden bislang alle Aufträge auch im Bereich der parteipolitischen Werbung ausgeführt, soweit keine rechtswidrigen Inhalte vorliegen – auch dann, wenn sie nicht mit den politischen Auffassungen der Entscheidungsträger von Ströer übereinstimmen. Im Gegensatz zu anderen Mediengattungen müssen Out-of-Home Anbieter aufgrund der Neutralitätsverpflichtung sämtliche Plakate aushängen, die rechtlich zulässig sind. „Eine inhaltliche Zensur wurde und wird nicht ausgeübt“, so Ströer in einem aktuellen Statement.

Spiegel Online berichtet über 3 Mio Plakatkampagne der AfD (Foto: Screenshot)
Spiegel Online berichtet über 3 Mio Plakatkampagne der AfD (Foto: Screenshot)

Ströer Statement vom 15.09.2021

„Als Dienstleister der Außenwerbung muss das Unternehmen unterstellen, dass die Finanzierung von Aufträgen durch die Kunden rechtmäßig erfolgt. Ströer ist weder berechtigt noch organisatorisch in der Lage, sich den Finanzierungsweg und Finanzierungsmodi der Auftragnehmer für Aufträge vorlegen zu lassen und diese zu überprüfen. In Bezug auf parteipolitische Werbung muss das Unternehmen unterstellen, dass die rechtlichen Vorgaben und die Transparenzregeln des Deutschen Bundestages eingehalten werden. Dies ist allein von den zuständigen Stellen zu überprüfen.

Ströer ist ein politisch neutrales Unternehmen. Bislang haben die Marktteilnehmer und die Öffentlichkeit diese neutrale Dienstleistungsfunktion eines Außenwerbeunternehmens als konstruktiven Beitrag zur politischen Meinungsbildung und zu einem funktionierenden demokratischen Wahlprozess anerkannt. Auch Ströer hat es bislang als eine gesellschaftliche Verpflichtung angesehen, zur funktionierenden freiheitlich demokratischen Grundordnung durch die Ermöglichung einer parteipolitischen Kommunikation im öffentlichen Raum beizutragen.

Allerdings wurde mit den öffentlichen Anfeindungen, Aufrufen zur Gewalt gegen das Unternehmen und seine Mitarbeiter:innen und gezielten Diffamierungen aus verschiedenen politischen Richtungen als Folge der entgeltlichen Bereitstellung von Werbeflächen für Wahlkämpfe sehr deutlich eine Grenze überschritten. Ein solches Dienstleistungsangebot ist nur auf der Grundlage eines gesellschaftlichen Konsenses möglich. Dieser gesellschaftliche Konsens ist besonders nach den aktuellen Erfahrungen derzeit nicht gegeben.

Das Unternehmen kann auf dieser Basis seinen Beitrag zur politischen Meinungsbildung nicht mehr gewährleisten und zieht sich vollständig aus der parteipolitischen Werbekommunikation zurück, um Schaden vom Unternehmen und seinen Mitarbeiter:innen abzuwenden. Ströer wird bis zur Bundestagswahl und darüber hinaus jeden Auftrag zu parteipolitischer Werbung jeglichen politischen Spektrums ablehnen. Voraussetzung für die Fortführung der Verbreitung parteipolitischer Werbung durch Ströer ist ein politischer Konsens, der beim von Ströer initiierten Runden Tisch mit den politischen Parteien des Deutschen Bundestages erzielt werden kann. Sollte es wider Erwarten nicht zu einem gemeinsamen Verständnis in Bezug auf die Plakatierung parteipolitischer Werbung kommen, wird Ströer auch darüber hinaus daran festhalten, grundsätzlich keine parteipolitische Werbung mehr auszubringen.“

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