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Schweiz

Aufregung um Frequenzmessung

Die Schweizer Bahn (SBB) plant, die Frequenzmessung an Bahnhöfen und auf den Bahnsteigen auszuweiten. Die SBB-Ausschreibung hat eine öffentliche emotionale Diskussion ausgelöst, die die SBB nun versucht, mit Fakten zu beruhigen.
Frequenzmessung an Bahnhöfen in der Schweiz (Foto: SBB)
Frequenzmessung an Bahnhöfen in der Schweiz (Foto: SBB)

Ob Retail, Shopping Center oder Bahnhof – überall wird datenschutzkonforme Frequenzmessung mal kleiner, mal größer getestet. Die kleinen Sensoren fallen meistens neben den gut sichtbaren Überwachungskameras gar nicht ins Auge. Doch die Öffentlichkeit – insbesondere in Deutschland, der Schweiz und Österreich – reagiert sehr sensibel auf vermeidliche Überwachungsinstrumente. Regelmäßig geht ein Aufschrei durch die Presse – zum Beispiel als die Deutsche Bahn (DB) ein Frequenzmesssystem an einigen Bahnhöfe testete.

Jetzt hat es die Schweizer Bundesbahn (SBB) getroffen, die in einer öffentlichen Ausschreibung einen Anbieter für ein neues Kundenfrequenzmesssystem in den Bahnhöfen sucht. Die Schweizer Medien haben das Thema aufgegriffen. Die Diskussion und die öffentliche Aufklärung ist auch für die Digital Signage-Branche von großer Relevanz.

Personenflüsse in Bahnhöfen besser kennen: Worum es wirklich geht

Mehr Sicherheit und das richtige Angebot am richtigen Ort – die SBB plant Verbesserungen für 57 Bahnhöfe. Mit einem neuen Messystem für Kundenfrequenzen – das nun öffentlich ausgeschrieben wurde – sollen die Insights generiert werden. Doch das Vorhaben wirft Fragen und Befürchtungen auf, die die SBB entkräften möchte.

Die öffentliche Diskussion hat sich medial verselbständigt und es kursieren Falschaussagen, die auf der sehr technisch formulierten und stellenweise missverständlich formulierten öffentlichen Ausschreibung basieren. Die SBB hat eingestanden, hier die Sensibilität des Themas unterschätzt zu haben. Als öffentliche Gesellschaft steht der Bahnbetreiber viel mehr als private Unternehmen im öffentlichen Fokus. Aber auch private Unternehmen sollten sowohl intern als auch extern die Sorgen der Gesellschaft ernst nehmen und technischen Ausschreibungen eine Art Präambel vorausschicken.

Alexis Leuthold, Leiter SBB Bewirtschaftung bei Immobilien, beantwortet einige wichtige Fragen:

Die SBB misst die Personenbewegungen im Bahnhof ja heute schon. Warum will sie mehr wissen und ein neues System beschaffen?

Heute messen wir mit Sensoren beim Ein- und Ausgang des Bahnhofs die Anzahl der Bahnhofnutzer:innen. Nun evaluieren wir, welche Systeme es gibt, die uns und unseren Mietern zeigen, wie sich einzelne Kundengruppen verhalten, also wo die Personen genau durchlaufen, wo sie anhalten, wo es Ansammlungen gibt. Dies auch, weil der Vertrag mit dem heutigen Anbieter ausläuft. Dabei suchen wir natürlich nach einer Lösung, die auf dem neuesten Stand der Technik ist. Und diese Technik hat sich in den letzten Jahren rasch weiterentwickelt.

Wie hilft das für einen besseren Service?

Mit den Erkenntnissen können wir die Service- und Aufenthaltsqualität weiter verbessern: mit Sicherheitsvorkehrungen bei kritischen Personendichten, bedarfsgerechter Signaletik entlang der Laufwege, mit der situativ geeigneten Reinigungsintensität, bei Bedarf mit Bauprojekten für die richtige Dimensionierung der Anlagen oder eben auch mit einem auf die Personenflüsse ausgerichteten Serviceangebot. Wenn wir zum Beispiel wissen, dass 100 Kunden vom Gleis 5 zum Gleis 2 laufen und 10 Minuten Zeit haben, dann können wir dort den regionalen Kaffeeanbieter mit Gipfeli ideal platzieren. Wenn wir wissen, dass auf einem bestimmten Verkehrsweg viele Kinderwagen unterwegs sind, können wir am richtigen Ort einen Lift installieren. Gruppenbildungen erkennen wir sofort, der Sicherheitsdienst kann eingreifen.

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Braucht die SBB für diese zusätzlichen Informationen eine Gesichtserkennung, wie die Medien schreiben?

Nein, eben nicht. Denn wir wollen die einzelnen Personen nicht identifizieren. Darum brauchen wir auch keine Gesichtserkennung. Wir wollen wissen, wie sich die Untergruppen unserer Kund:innen im Bahnhof verhalten, also zum Beispiel Personen mit Kinderwagen, Reisende mit Skis oder Velos. Dafür müssen wir nicht wissen, wer die einzelnen Personen sind oder wie sie heißen. Das geht uns nichts an und ist schlicht irrelevant.

Frequenzmessung ist keine Gesichtserkennung

Gesichtserkennung bezeichnet eine Technologie, die biometrische Daten zur genauen Identifikation eines Gesichts beziehungsweise einer Person verwendet. Biometrische Merkmale sind spezielle körpereigene Kennzeichen einer Person, die eindeutig und mit nahezu 100%-iger Sicherheit einer bestimmten Person zugeordnet werden können. Für das Kundenfrequenzmesssystem, das die SBB einsetzen will, verwendet sie keine Gesichtserkennung. Es geht darum, statistische Informationen zu erfassen, wie das Geschlecht, das Alter oder die Grösse, ohne jedoch Rückschlüsse auf einzelne Personen zu ermöglichen.

Medien und Experten stellen die Frage, ob damit nicht Grundrechte verletzt werden?

Die Diskussion zeigt, dass es sich um ein sensitives Thema handelt, ich verstehe die Bedenken gut. Selbstverständlich halten wir uns strikt an die Datenschutzbestimmungen. Wie gesagt: Es geht nicht um die Identifikation von Einzelpersonen. In den Ausschreibungsunterlagen verlangen wir ausdrücklich, dass die Anbieter zu gewährleisten haben, dass sie das Datenschutzgesetz einhalten und beschreiben müssen, wie sie das tun. Und darum stehen wir mit dem Eidgenössischen Datenschutzbeauftragten (EDÖB) schon lange im Kontakt und werden selbstverständlich sämtlichen Forderungen vor der Einführung des neuen Systems nachkommen.

Und was ist mit der Speicherung der Daten?

Auch hier gilt: Der Datenschutz muss auf jeden Fall gewährleistet sein. Da wir keine persönlichen Daten erfassen, speichern wir auch keine persönlichen Daten. Die Daten werden in einer Cloud abgespeichert. Die genutzte Cloud-Infrastruktur muss in der Schweiz oder der EU beheimatet sein, so steht es in der Ausschreibung. Welche Cloud-Infrastruktur zum Einsatz kommt, wird sich erst nach der Auftragsvergabe zeigen.

Was verspricht sich die SBB am Schluss davon, Mehreinnahmen?

Die SBB mit all ihren Mitarbeitenden hat dann gute Arbeit geleistet, wenn sich die Reisenden, alle Besucher:innen im Bahnhof sicher und wohl fühlen und mit unseren Services zufrieden oder von diesem im besten Fall sogar begeistert sind. Wenn unser Angebot an den Bahnhöfen dem Kundenbedürfnis entspricht, dann stimmen auch die Umsätze.