Digital Signage

War früher alles besser?

Unternehmen sind oft unsicher, wie moderne Digital Signage-Konfigurationen optimal aufgesetzt werden sollen. Doch Vorteile wie Flexibilität und maßgeschneiderte Lösungen können mit der richtigen Strategie ausgenutzt werden. Ein Frage-Antwort-Spiel von Florian Bogeschdorfer, Founder und CTO von 99Sensors.
Schon lange aus der Holzklasse heraus: Wie moderne Digital Signage-Konzepte zm Beispiel Green Signage unterstützt, erläutert Florian Bogeschdorfer von 99Sensors. (Fotos: invidis)
Schon lange aus der Holzklasse heraus: Wie moderne Digital Signage-Konzepte zm Beispiel Green Signage unterstützt, erläutert Florian Bogeschdorfer von 99Sensors. (Fotos: invidis)

Frage: Früher waren Digital Signage-Systeme sehr einfach, heutzutage sind sie sehr komplex. Wie müssen Softwarehersteller darauf reagieren?

Antwort: Den Satz hört man oft. Er ist aber falsch. Aus heutiger Sicht waren Digital Signage Systeme früher „einfacher“. Aus damaliger Sicht gab es einfach nur andere Probleme.

Erläuterung: Als wir 1993 unser erstes Digital Signage-Netzwerk aufgebaut haben, mussten wir Content mit Wechselfestplatten hin- und herschicken, später per Satellit übertragen. Dann kam irgendwann die CD-R – eine aufnehmbare CD-Rom – und schließlich das Internet. Content-Updates waren ein riesiges Problem.

Es gab auch kaum einheitliche Contentformate – Filme gab es in einer Vielzahl von Codecs, Quicktime war inkompatibel zum Windows Media Player, Kunden lieferten Drucksachen in 300 dpi an. Ohne HTML5 mussten wir auch sämtliche Templates und Animationen von Grund auf selbst programmieren, zum Beispiel in Macromedia Flash.

Ohne zu sehr in Details zu gehen: die Herausforderungen waren nicht geringer, sie waren nur anders.

Frage: Aber sind moderne Digital Signage-Systeme nicht deutlich komplizierter?

Antwort: Heute sind die Systeme komplexer, aus Anwendersicht aber nicht zwingend komplizierter. Selbst wenn sie weitaus mehr können, erlauben eine moderne Architektur und gut dokumentierte APIs die Verknüpfung zur viel gelobten „Digital Experience Plattform“ mit nur geringem Technologiewissen – vorausgesetzt die entsprechende Software ist darauf ausgelegt.

Im Idealfall kann der Anwender oder Integrator die Bestandteile seiner Lösung von verschiedenen Herstellern maßgeschneidert und ohne Coding auf das Projekt und den Kunden zusammenstellen und damit die Komplexität für den Kunden vereinfachen.

Erläuterung: Zum Beispiel kann der Kunde den Content weiterhin in Adobe produzieren, sich mit Active Directory oder Google Authenticator authentifizieren, Inhalte an vier bis fünf verschiedene Plattformen distribuieren, die Geräte in Signage Pilot überwachen und mit dem Rest der IT zusammenführen, die Statistiken in PowerBI sammeln und den Service über Flexiflow steuern, ohne jemals mit einem „klassischen“ Digital Signage-CMS in Berührung zu kommen.

Wenn überhaupt, sind Digital Signage-Systeme also einfacher geworden, wenn denn die Softwareanbieter moderne, offene Architekturen anbieten können.

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Frage: Wozu brauchen wir neue Architekturen, und was sind die Vorteile?

Antwort: Moderne Architekturen sind wegen einfacher Integration und vielfältiger Nutzung immer wichtiger. Sie sind vor allem entscheidend, um mit dem Wandel der Technologien überhaupt Schritt halten zu können.

Erläuterung: In den ersten zwanzig Jahren meiner DS-Karriere von 1993-2013 ging es hauptsächlich um Kompatibilität der Formate und die Verteilung an räumlich entfernte Geräte. Die Gamechanger waren natürlich das Internet, Teamviewer, HTML5 und Interaktivität. Aber das war ein Prozess über 20 Jahre hinweg.

Der nächste große Umbruch fand im Bereich der Hardware statt: Anpassungen für Android, SSSP und WebOS mussten her. Das dauerte schon nur noch fünf Jahre. Seitdem überrollten die Themen Hosting, Cloud, Sensoren, Digital Experience Plattform, Trigger, API und Programmatic die Hersteller. Innerhalb von nur drei Jahren standen wir vor AI, Retail Marketing, Green Signage, Business Critical und Device Management.

Die Technologie machte Sprünge, und generell hat sich die Einzugsgeschwindigkeit neuer Technologien geradezu exponenziell vervielfacht.

Und das ist die eigentliche Stärke von moderner Softwarearchitektur. Die Fähigkeit, neue Technologien schnell zu integrieren und zu kombinieren, indem externe Anbieter und Funktionalitäten eingebunden werden, ohne das Rad neu erfinden zu müssen. Und das schnell und zuverlässig.

Frage: Aber gerade der Umstieg von der „alten“ Software zu neuen, dezentralen Komponenten bereitet vielen Herstellern Probleme, oder?

Antwort: Ja. Das hat viele Gründe. Meist ist es einfach Mangel an Ressourcen – finanzieller und personeller Art. Der Relaunch einer komplett neuen Software kann von der Entscheidung bis zur Veröffentlichung drei Jahre dauern.

Erläuterung: Dagegen steht die aktuelle Entwicklung neuer Features, die zeitnah neue Kunden bringen und den Cashflow erhöhen, statt die Ressourcen zu binden. Daher beschränkt sich die Entwicklung vieler Lösungen meist auf neue Features, ohne an der Grundstruktur zu arbeiten. Das macht die Software langfristig zu einem schwerfälligen Dinosaurier, der nur noch schlecht gewartet werden kann. Je länger man also wartet, desto aufwendiger der Relaunch.

Oft fehlen auch die Kenntnis und das Verständnis neuer Technologien. Selten ist ein Technologiewechsel so deutlich sichtbar wie jetzt bei AI.

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Frage: Aber die Dinosaurier sind ja ausgestorben?

Antwort: Ja. Das wird hier aber erst einmal nicht passieren. Nicht jeder Kunde, nicht jedes Projekt und nicht jeder Hersteller benötigt alles. Sehr viele Anbieter werden sicher noch einige Jahre so weitermachen können.

Erläuterung: Es gilt sehr genau zu analysieren, was der Kunde benötigt. Denn mehr Funktionen kosten auch mehr Geld, und letzten Endes muss sich ein DS-System wirtschaftlich rechnen. Es macht einen großen Unterschied, ob Projekte international und für große Konzerne realisiert werden, oder für KMUs innerhalb der DACH-Region. Ebenso ist entscheidend, wie das Digital Signage genutzt wird – DooH und Inhouse-Kommunikation könnten von den Anforderungen an die Software kaum unterschiedlicher sein.

Mittelfristig aber wird der Konkurrenzdruck größer werden. Bisherige USPs werden auch von anderen Softwares abgebildet werden können und in künftigen Ausschreibungen könnte eine fehlende Zertifizierung, ungenügende Sicherheitsmerkmale oder die fehlende API zu einer Entscheidung gegen den Anbieter führen.

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Frage: Was macht denn eine moderne Digital Signage-Architektur aus, was ist in welchem Projekttyp oder für welchen Kunden nicht notwendig, sinnvoll oder sogar zwingend erforderlich?

Antwort: Das Wichtigste ist zunächst die Struktur. Nur verteilte Anwendungen – Microservices – sind längerfristig lebensfähig, weil eben jederzeit einzelne Teile aktualisiert werden können oder neue Technologien einfach angedockt werden.

Die Kommunikationsfähigkeit der Software mittels standardisierter APIs und Anpassungen an verschiedenste Technologien ist der nächste wichtige Punkt. Anbieter müssen sich davon frei machen, alles zu wollen und zu können. Die eierlegende Wollmilchsau ist Old-School. Der Endanwender ist viel glücklicher, wenn er bestehende Software und Arbeitsprozesse integrieren kann, statt alles umschmeißen zu müssen.

Als dritten, wichtigen Punkt sehe ich das Cloud-Hosting. Insbesondere da, wo Geschwindigkeit, hohe Verfügbarkeit, Skalierbarkeit und Sicherheit wichtige Themen sind, geht heute kaum mehr ein Weg an Azure oder AWS vorbei. Clouds erlauben auch die einfache Integration von zusätzlichen Dienstleistungen, insbesondere natürlich im Bereich von AI/KI.

Über den Autor

Florian Bogeschdorfer, seit 1993 in unterschiedlichen Rollen im Digital Signage-Business unterwegs. Er hat seine Finger am Puls der Technologien und kombiniert jahrzehntelange Erfahrung mit neuesten Trends.

Er ist zudem Gründer und CTO von 99Sensors. Das Unternehmen hilft Digital Signage-Unternehmen ihre Dienstleistungen und Produkte an anspruchsvollere Märkte und nachhaltigere Anforderungen anzupassen. Dafür liefert 99Sensors alle notwendigen Technologien, vom modernisierten Tech-Stack über individuelle Softwareentwicklung bis zu Sensoren und Cloud-Diensten. 99Systems liefert betriebsrelevante Daten, steigert die Effizienz und hilft, Energie zu sparen.

Frage: Was würden Sie also Unternehmen raten, die derzeit im oder vor einem Umbruchprozess stehen?

Antwort: Zunächst einmal sollte man sich Hilfe von außen holen. Dieser Blick ohne die zwangsläufige Betriebsblindheit ist während der Analyse und Konzeption dringend erforderlich.

Erklärung: Als Berater würde ich dann mit dem Kunden eine Bedarfsanalyse durchführen. Wer sind die Kunden, in welche Märkte will man, was ist vorhanden, was braucht man dafür? Erst dann kann man sich für die Technologien entscheiden und einen Plan ausarbeiten, wie die Entwicklung und der Umstieg möglichst schnell, aber vor allem reibungslos erfolgen kann.

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