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DooH Schweiz

Schweizer Streithähne – Klagewellen in der Branche

Immer öfter entscheiden Juristen über die Zukunft in der Schweizer Außenwerbung: Neo Advertising und Tamedia verklagen die SBB wegen der Vergabe von Werbeflächen. Nicht der erste Rechtsstreit um Konzessionen. Wer verklagt wen, wer gewinnt, wo gibt es ein Patt? – Ein Überblick.
Die Vergabepraxis von Außenwerberechten schreibt erneut Schweizer Rechtsgeschichte (Foto: Pixabay / witwiccan)
Die Vergabepraxis von Außenwerberechten schreibt erneut Schweizer Rechtsgeschichte (Foto: Pixabay / witwiccan)

„Schöne Bescherung“ – In der Schweiz dürften nun einige Konzernjuristen und Anwaltskanzleien ein verkürztes Weihnachtsfest haben. Grund: Schon bald wird gerichtlich um die Vergabeentscheidung der SBB gerungen, bei der ausschließlich der zu JCDecaux gehörende Außenwerber APG|SGA zum Zuge gekommen war.

Dabei handelt es sich um den bislang größten Auftrag in der Schweizer Außenwerbung – es geht also um viel Geld; es geht aber vor allem auch um Marktanteile und letztlich darum, wer in den kommenden fünf bis sieben Jahren in puncto Digitaler Außenwerbung in der Schweiz der Platzhirsch sein wird.

Innerhalb weniger Jahre ist dies bereits der dritte größere Fall, bei dem Gerichte über Vergabeentscheidungen im Bereich der Außenwerbung entscheiden müssen:

Die Causa SBB

Die Tamedia AG ist eine große, börsennotierte private Mediengruppe, die in der Schweiz, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Israel, Luxemburg, Österreich und Serbien tätig ist. Tamedia hat nun eine Meldung veröffentlicht, deren Inhalt man sonst gern als Aufmacher im „Tagi“ läse, dem Tages-Anzeiger, dem publizistischen Flaggschiff und zugleich Nukleus des 1893 gegründeten Hauses: Gemeinsam werden Tamedia und Neo Advertising vor das Schweizer Bundesverwaltungsgericht ziehen, um die Entscheidung der Vergabe anzufechten.

Hintergrund: Im Sommer 2017 hatte Tamedia bekanntgegeben, sich mehrheitlich an Neo Advertising beteiligen zu wollen – einem DooH-Pionier der ersten Stunde. Die Eidgenössische Wettbewerbskommission hatte dieser Übernahme Anfang September 2017 zugestimmt. Am 1. Januar 2018 übernimmt Tamedia formal die Mehrheit an der Neo Advertising AG.

Tamedia und Neo Advertising beantragen jetzt beim Bundesverwaltungsgericht die Aufhebung des Zuschlags an die APG und eine Neuausschreibung der Vermarktung der SBB-Außenwerbeflächen. Die Kläger wollen prüfen lassen, „ob das Vergabeverfahren rechtmäßig durchgeführt und die von der SBB festgelegten Ausschreibungsbedingungen eingehalten wurden.“ Damit, so die Unternehmen weiter, sollten alle potenziellen Kandidaten eine faire Möglichkeit erhalten, sich in einem transparenten Verfahren um die Vermarktung der SBB-Außenwerbeflächen zu bewerben. Auch Neo Advertising hatte sich an der Ausschreibung beteiligt.

Bis zum Donnerstagabend (07.12.) haben weder die SBB noch die APG mit Medienmitteilungen auf die Ankündigung von Tamedia und Neo reagiert, die am 04.12. veröffentlicht wurde. Allerdings äußerte sich die APG gegenüber dem Klein Report. Demnach sei die laufende Vermarktung für das Jahr 2018 sowie das aktuelle Angebot durch die Beschwerde der Konkurrenz nicht tangiert.

Der Fall Genf

In Genf gibt es mehrere interessante Konzessionsgeber, zum einen die Stadt Genf sowie den Flughafen Genf:
Am Airport Genf gab es seit 2009/ 2010 zunächst die Situation, dass die APG|SGA die klassischen Plakatflächen vermarktete, während Neo Advertising das Digital-out-of-Home-Inventar im Bereich der dortigen Airportwerbung vermarktete. Im Jahr 2015 gingen dann – nach einer Ausschreibung 2014 – alle Rechte an Neo, die damit erstmals auch analog tätig wurde. Per Pressemitteilung sowie – nach unserer Berichterstattung in einem Hintergrundgespräch mit der Redaktion von invidis – wiegelte die APG ab. Tenor beide Male: alles halb so wild. Im darauf folgenden Aktionärsbericht las sich das naturgemäß etwas anders. Um 2,7% gesunkene Verkaufserlöse in der Schweiz mussten auf der Seite 5 des Halbjahresberichts 2016/1 vermeldet werden. Begründung: „Der Rückgang ist in erster Linie auf die hohe Vergleichsbasis aufgrund des per Ende Juni 2015 ausgelaufenen Vertrages mit dem Flughafen Genf zurückzuführen.“

Juristisch aneinander gerieten die APG und Neo aber wegen der im Dezember 2016 bekanntgewordenen Entscheidung der Stadt Genf, die Werberechte für 3.500 Plakatstellen der Neo Advertising zu übertragen. Hier sah sich die APG|SGA benachteiligt und sprach von einer „unklaren Rechtssituation“ und einer kurzfristigen Entscheidung durch die Stadt Genf. Ein gutes halbes Jahr später – im Sommer 2017 – urteilte dann das Verwaltungsgericht des Kantons Genf zugunsten von Neo. Gegenüber dem Klein Report kündigte die APG in diesem Juli an, die nächsthöhere Instanz anrufen zu wollen. Dazu hat die Nr. 1 in der Schweizer Außenwerbung Gründe. Die werden im Halbjahresbericht 2017/ 1 auf Seite 5 genannt, ebenfalls in dem Abschnitt, in dem es um das Geschäft in der Schweiz geht: „Die Netto-Verkaufserlöse von CHF 139.9 Mio. lagen 3.0% unter dem Vorjahr. Der Rückgang ist in erster Linie auf die hohe Vergleichsbasis aufgrund der nicht erneuerten Verträge mit den Städten Luzern und Genf sowie den Verkehrsbetrieben der Stadt Zürich (VBZ) zurückzuführen.“

Die Lage in Lausanne

Die Lage in Lausanne ist nun geklärt. Dort hatten sich beiden Schweizer Außenwerbeunternehmen Clear Channel Schweiz und APG|SGA mehrfach vor dem Kadi getroffen. Unzufrieden war Clear Channel gewesen.

Schlussendlich hat dann das Schweizer Bundesgericht entschieden. Dieser Fall wurde zugunsten der APG|SGA ausverhandelt: Die erhält das exklusive Recht, in der Stadt Lausanne für die kommenden fünf Jahre insgesamt 1.980 Plakatflächen zu vermarkten. Davon bilden die mehr als 400 CLPs das Premium-Angebot. Zudem will die APG hier DooH einführen.

Wie geht es weiter?

Auf absehbare Zeit dürften sich nun alle drei Wettbewerber weiter in einer Art herzlicher Feindseligkeit gegenüber stehen. Große Schweizer Auftraggeber sollten ebenso damit rechnen, dass ihre Ausschreibe- und Vergabepraxis mit Argusaugen verfolgt wird. Die Stadt Zürich etwa wird bald eine extrem prestigeträchtige Ausschreibung für Screens auf öffentlichem Grund veröffentlichen.

Zum Nachteil könnte letztlich allen Beteiligten der Umstand gereichen, dass Klagen die Branche insgesamt nicht weiter bringen, sondern blockieren. Dies wissen die Beteiligten. Gleichwohl müssen sie aus betriebswirtschaftlichen und vor allem strategischen Gründen bei Digitalprojekten weiter punkten. Nur wer in absehbarer Zeit genügend Größe bei DooH-Netzen hat, kann als nationaler Player bestehen. Man darf also nicht zu sehr überrascht sein, wenn auch in den kommenden Jahren vor allem Juristen darüber entscheiden werden, wie sich die Schweizer Out-of-Home- und Digital-out-of-Home-Branche weiter entwickelt.