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DooH Deutschland

Das bleibt vom vermeintlichen Einstieg von Google in den deutschen DooH-Markt

Beim behaupteten Einstieg von Google in den deutschen Markt für Digitale Außenwerbung kann es – wenn überhaupt – nur um einen Kauf von oder eine Kooperation mit einem oder mehreren Klein-Anbietern gehen. In Großbritannien dagegen wäre ein stärkeres Engagement derzeit eher wahrscheinlich. Wir klären auf.
"Make Google Do It " –Titel einer aktuellen DooH-Kampagne des Konzerns in Großbritannien (Foto: Grand Visual)
„Make Google Do It “ –Titel einer aktuellen DooH-Kampagne des Konzerns in Großbritannien (Foto: Grand Visual)

Am 10. August 2018 ging die Wirtschaftswoche mit einer Print-Story heraus, die für viel Wirbel sorgte, aber arm an Substanz ist. Schnell stürzten sich die Wirtschaftsnachrichtenagentur dpa-AFX sowie weitere Medien auf die Geschichte beziehungsweise die verkürzte Vorabmeldung. Wenige recherchierten nach, wie das Manager Magazin („Warum Google an den digitalen Litfaß-Säulen verzweifelt“titelt MM).

Die Wirtschaftswoche hatte behauptet: „Google steigt in Deutschland in die Außenwerbung ein“. Doch die Grundlagen des Artikels sind dünn, wie wir kurz nach Erscheinen angerissen haben.

DooH Deutschland: Viel heiße Luft – Medienbericht über Einstieg von Google in den DooH-Markt

Über Nachrichtenagentur und Google News lassen sich am Freitagabend meist nur die auf dem WiWo-Bericht basierenden Meldungen finden. Dieser baut auf drei Punkten auf.

  • Punkt 1: ein branchenbekannter Google-Manager erklärte in einer Präsentation, das sich Google Chrome Signage auch für die Digitale Außenwerbung nutzen lässt. Das ist nichts Neues. Zudem ist Google hier nur ein Anbieter neben vielen Spezialisten.
  • Punkt 2: Gerüchte, die vermengt wurden mit einem Bericht über eine gerade offene Ausschreibung in Berlin. Da auch wir die Marktgerüchte vom baldigen Einstieg von Google in den deutschen DooH-Markt kennen (seit etwa fünf Jahren und in verschiedenen Varianten), haben wir sie bislang auch eher dem üblichen Coffeetable-Talk bei Branchenevents zugeordnet. Im Journalismus gilt: Gerüchte werden nur in begründeten Fällen überhaupt thematisiert – als einziger Beleg sind sie nicht zu gebrauchen. In der Regel hält man sich an Fakten. Und benennt entweder eine anonyme Quelle („mit dem Vorgang betraute Personen“, „nach Informationen der xy hat“) oder bringt andere Hinweise („ein Registerbucheintrag zeigt, dass xy eine Firma zum Zweck AB gegründet / gekauft hat“, „ein Marktteilnehmer kann sich sehr wohl dafür erwärmen, das Angebot des Konzerns zu nutzen“), trägt diese zusammen, verdichtet sie und macht den ein oder anderen Plausibilitäts-Check.
  • Punkt 3: Als wäre dies nicht schon dünn genug, wurde in der Wirtschaftswoche auch noch indirekt ein Zusammenhang hergestellt, der sich so lesen lässt, als hätte die BVG extra für einen Bieter (also: Google, Alphabet oder einen Partner) das Ausschreibungsprozedere geändert. Das wäre in der Tat eine Nachricht gewesen – denn dann hätte die WiWo über einen Skandal berichtet, bei dem es um Vorteilsnahme, Bestechung oder Ähnliches gegangen wäre.

Hier die Textpassage aus dem Artikel. Fettung von uns:

„Vieles spricht dafür, dass Google noch weiter reichende Pläne hat. In der Branche halten sich hartnäckig Gerüchte, der Suchkonzern könne es auch auf ein Werbenetz in Berlin abgesehen haben. An der Spree läuft seit März die Ausschreibung für die Werbeflächen an den mehr als 4600 Buswartehäuschen der Verkehrsbetriebe BVG.

Ausgerüstet mit einer Chrome-Box, ließe sich hier ein dichtes Reklamenetz aus Plakaten und Handywerbung knüpfen. Weder Google noch die BVG wollen sich zu dem Thema äußern. Was Branchenkenner indes stutzig machte: Anders als bei vergleichbaren Verträgen gibt es zwei Ausschreibungen, eine für die Vermarktung der Werbeflächen und eine für die Reinhaltung. Dies, sagt ein Kenner der Szene, dürfte Google sehr entgegenkommen. Denn über eigene Putztruppen verfügt der Konzern schließlich nicht.

Klar ist derzeit nur eins: ‚Es ist beabsichtigt, noch in 2018 den Zuschlag zu erteilen‘, heißt es bei der BVG.“

Natürlich hat die Redaktion von invidis nach Erscheinen des Wirtschaftswoche-Artikels bei der BVG nachgefragt. Ja, es gibt zwei Ausschreibungslose (Vermarktung, Reinigung). Selbstredend kann ein Unternehmen sich auf eines oder beide der Lose bewerben. Diese beiden Ausschreibungslose gab es nach Auskunft der BVG allerdings schon immer. Grund sei das Kopplungsverbot bei öffentlichen Ausschreibungen. Wenn die „Branchenkenner“-Quellen der WiWo hier schon so Kenntnis-fern über generelle Ausschreibungs- und Vergaberechtsbedingungen stutzig werden, kann man über die Qualität der weiteren Kennerschaft sicher mal diskutieren.

Der Scoop der WiWo ist erst einmal keiner. Irrtümer, Ungenauigkeiten und wilde Spekulationen reihen sich aneinander.

Natürlich kann sich Google in Berlin theoretisch auf die Ausschreibung beworben haben. Aber dafür werden bislang keine Belege sichtbar. Gäbe es sie, hätte die WiWo sie in die Textpassage ihres Artikels eingefügt. Also verlässt sie sich hier auf bloßes Hörensagen Unbeteiligter.

Wir haben heute auch noch mal bei relevanten Playern im Markt für Digitale Außenwerbung in Deutschland nachgefragt. Die großen Unternehmen geben offiziell keine Stellungnahme ab. Wir haben auch mit Quellen gesprochen, die bei der Hamburger Präsentation zugegen waren oder sonst als Berater, Media Owner oder Agenturexperten die Szene sehr gut kennen. Kein relevanter Player hat ein Interesse geäußert, erst eine eigene Infrastruktur aufzubauen, Geld in lang laufende Vermarktungsverträge zu investieren, um sich dann mit Google jemanden ins Haus zu holen, der dann noch Werbeprovisionen erhält. Ansonsten gibt es von Marktteilnehmern sehr wohl aber Kommentare derart, dass man niemanden persönlich kenne, der auf das Werben von Google eingegangen sei.

Theoretisch blieben also kleinere lokale oder regionale Anbieter, die mit Google ins Geschäft kommen wollten. Das wären Firmen, die kleine und Kleinst-Netze betreiben. Wir würden dann – potenziell – von Anbietern sprechen, die die exklusive Digital-out-of-Home-Vermarktung in kleinen Orten oder ein Screen-Netzwerk in allen Pommesbuden des Siegerlands im Portfolio hätten, oder planten, ein solches aufzubauen.

Der einzige Weg für einen sinnvollen Einstieg von Google in DooH in Deutschland wäre also eine Kooperation mit oder ein Kauf von zahlreichen kleinen Unternehmen, um über diesen Weg einen nennenswerten Marktanteil zu erreichen. Dies entspricht in der Regel nicht dem Verhalten des Konzerns, ist aber nicht ausgeschlossen.

Im angelsächsischen Raum ist die Google-Mutter Alphabet seit einiger Zeit mit Digital-out-of-Home-Projekten aktiv. Zunächst kaufte man sich 2015 beim Link NYC-Konsortium ein. Später folgte LinkUK, wo im Jahr 2017 die ersten Stelen in Betrieb gingen. In Großbritannien gibt es zudem seit einiger Zeit eine technologische Kooperation mit Exterion Media. Bei dem Außenwerber war Google auch als Werbekunde immer mal im Boot. Man kennt sich also. Wie Bloomberg heute in einem längeren Hintergrundstück schreibt, könnte ein Einstieg von Alphabet / Google bei Exterion Media ein nächster strategischer Schritt sein.

Die deutsche Pressestelle von Google hat unsere Presseanfrage über einen Einstieg in den deutschen DooH-Markt wie folgt beantwortet: „Google möchte sich an dieser Stelle nicht zu Gerüchten oder Spekulationen äußern.“