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KMU & Big Data

Große Wirkung für die Kleinen

Nicht nur große Player wie Google oder Amazon können das schier endlose Potential von Big Data zu ihrem Vorteil einsetzen. Auch Klein- und Mittelbetriebe sollten über ihre eigenen Daten Bescheid wissen. Moderne Digital Signage und andere Überwachungssysteme wie smarte Kameras liefern mit ihren umfangreichen IoT-Sensoren schließlich Unmengen an Informationen. Wie sich Big Data ohne großes Budget oder Abteilung nutzen lässt erklärt Prof. Axel Polleres, wissenschaftlicher Leiter an der WU Executive Academy.
Advertima Retail Analytics geben Einblick in das Shoppingverhalten (Foto: Advertima)
Advertima Retail Analytics geben Einblick in das Shoppingverhalten (Foto: Advertima)

„Wer hebt das Datengold?“, so titelte ‚Die Zeit Online‘ schon im Jahr 2013. Das haben seither viele Goldgräber getan: disruptive Startups, die mit ihren Plattformen die Märkte aushebelten, die digitalen Giganten wie Facebook und Google tun es sowieso längst seit den Nullerjahren. Und in Konzernen und Behörden beschäftigen sich ganze Abteilungen mit Datenströmen von Kunden und Bürgern.

Doch Big Data sind nicht nur etwas für die Großen und Hippen, sagt Prof. Axel Polleres, Leiter des Instituts für Informationswirtschaft an der WU Wien. Daten sind in Zeiten des Internets für so gut wie jede Branche wichtig und können das entscheidende Erfolgskriterium sein, speziell auch für KMU. Mit dem Terminus „Big Data“ würden sich die „Kleinen“ häufig nicht angesprochen fühlen, doch: „Das ist ein relativer Begriff. Auch kleine Unternehmen haben Daten, die zu groß für sie zu verarbeiten sind oder aufgrund anderer, oft nicht-technischer Faktoren ungenutzt bleiben“, so Polleres. Was Big Data auszeichnet, sei weniger die exorbitante Größe, sondern die Merkmale „dynamisch, herausfordernd und komplex“.

Den eigenen Daten-Schatz zu nutzen wissen

Klein- und Mittelbetriebe wissen oft gar nicht, welchen Schatz an Daten sie für ihren wirtschaftlichen Erfolg hätten – und lassen ihn ungenutzt, was in der Praxis große Wettbewerbsnachteile nach sich ziehen kann. Axel Polleres hat daher im Folgenden die wichtigsten 5 Erkenntnisse für KMU im Umgang mit Big Data zusammengefasst:

1. Daten ohne Intention sind wertlos

Die Daten eines Unternehmens nehmen in der Regel ein großes Ausmaß an, häufig fehlt jedoch die systematische Auseinandersetzung mit ihnen. „Gerade in KMU ist das leider noch weitverbreitete Praxis. Daten für später einfach drauflos zu sammeln, ohne zu wissen, was man damit vorhat und sie entsprechend aufzubereiten, macht keinen Sinn“, sagt Axel Polleres. Das münde in „garbage in, garbage out“: denn aus Grunddaten mit schlechter Qualität könne man später keine Voraussagen und Analysen mit guter Qualität machen.

„Man muss Qualitätskriterien und den Zweck der Datensammlung im Vorfeld konkret abstecken“, rät Polleres. Wichtig seien für den WU-Experten die gezielte Sammlung und die richtige Aufbereitung der Daten. Aus Sicht eines KMU bedeutet das: Zumindest ein Verantwortlicher, besser aber mehrere Schlüsselpositionen sollten grundlegende Kenntnisse in Data Governance besitzen. Andernfalls sei es nicht möglich, Daten systematisch zum eigenen Vorteil zu nutzen.

Der Autor Prof. Axel Polleres ist wissenschaftlicher Leiter des Professional MBA Digital Transformation & Data Science der Executive Academy an der WU Wien (Foto: Wirtschaftsuniversität Wien)
Der Autor Prof. Axel Polleres ist wissenschaftlicher Leiter des Professional MBA Digital Transformation & Data Science der Executive Academy an der WU Wien (Foto: Wirtschaftsuniversität Wien)

 2. Daten sind überall sinnvoll

Tracking des Kundenverhaltens im Internet und auf Social Media ist für den Marketingbereich sehr wertvoll, um Kundenverhalten besser zu verstehen, neue Services zu entwickeln und die Preisgestaltung zu optimieren. Gerade dieser Bereich spielt für viele KMU eine wichtige Rolle, um neue Strategien abseits jener der Konkurrenz zu entwickeln, aber die rechtlichen Rahmenbedingungen sind genauso wie die technischen Möglichkeiten nicht ausreichend bekannt. Doch längst geht es nicht mehr nur um die von Datenschutzdiskussionen vielzitierten Personendaten von Kunden.

Nicht nur für Marketing & Sales sind große Datenmengen wichtig, sie können auch für die Produktion und Verarbeitung und zur Prozessoptimierung aller Geschäftsbereiche herangezogen werden, um Leerläufe und Bottlenecks zu verhindern oder schlicht Zeit zu sparen –  beispielsweise können über Maschinendaten künftige Maschinenausfälle verhindert werden. Allerdings sind auch KMU gut beraten, sich nicht ausschließlich auf Big Data zu fokussieren: auch Daten, die Unternehmenswissen in anwendbarer Weise strukturieren, sogenannte „Smart Data“, sind wertvoll und können wichtige Informationen enthalten. Das können etwa die Erfahrungswerte der Mitarbeiter im Umgang mit Maschinen sein.

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 3. Mehr Ownership mit dezentralen Daten

Dass Startups ganze Branchen disruptiv verändern, ist längst kein Geheimnis mehr. Auch dass Unternehmen Daten über Kunden, Arbeitsprozesse oder die Wertschöpfungskette im Wettbewerb gegenüber der Konkurrenz nutzen können, sei nicht neu: „Spannend sind disruptive datengetriebene Geschäftsmodelle, die diese Daten mit innovativen Methoden so aufbereiten, analysieren und interpretieren, wie es noch niemand zuvor getan hat.“ Und diese Modelle könnten auch den KMU gefährlich werden, sagt Polleres.

„Wir beobachten disruptive Geschäftsmodelle, die durch die Hintertür in die Märkte kommen, die für eine Branche neuartige Apps und Systeme anbieten – in Wirklichkeit ziehen sie Daten ab, erlangen so einen Geschäftsvorteil und möglicherweise sogar die Kontrolle über die betroffenen Domänen“, sagt Polleres. Er rät Klein- und Mittelbetrieben, sich von innovativen App-Anbietern unabhängiger zu machen: „Sinnvoller wäre es, sich mit anderen Betrieben und über Branchen hinweg zusammenzuschließen, um gemeinsam Apps zu entwickeln: etwa für die Landwirtschaft, um Daten zur Feldbestellung zu sammeln.“

Kontrolle und Ownership über die eigenen Daten würden somit bei den Unternehmen selbst bleiben. Solche dezentralen Systeme seien resilienter. Den Zusammenschluss mit anderen brauche es, um mit größeren Datenmengen aussagekräftige Prognosen zu erstellen und damit Künstliche Intelligenz wie etwa Algorithmen zu trainieren. Der Bereich Open Data, also der Möglichkeit, seine Daten sinnvoll mit anderen zu teilen, sei noch längst nicht ausgeschöpft: „Ein Start wäre schon einmal gemacht, wenn man etwa die Öffnungszeiten oder andere nicht-sensitive Basisdaten im Retailbereich miteinander teilt und abstimmt“, so Polleres.

In ihrem Ergebnisbericht zur Erarbeitung eines Strategieplans für Künstliche Intelligenz der österreichischen Bundesregierung empfehlen die Experten für die heimische Wirtschaft, Marktplätze für digitale KI-Lösungen und Data Hubs zum Teilen von Daten sowie Kooperationen zwischen Unternehmen einzurichten.

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 4. Kompetenzen für mehrere Köpfe

Das neue Berufsbild der Stunde lautet „Data Scientist“. Diese Fachleute setzen sich mit dem Aufbau, der Analyse und Interpretation von Datenströmen auseinander. Doch das Knowhow ist zunehmend nicht nur auf sie beschränkt. Webgigant Google setzt Basiswissen zum Thema Daten und IT bei jedem Mitarbeiter voraus. Gerade auch in den Klein- und Mittelbetrieben sollten Kompetenzen zum Thema Daten breiter verteilt sein, rät Axel Polleres. „Hier macht Silodenken keinen Sinn. Jeder Mitarbeiter benötigt ein grundlegendes Verständnis und Basis-Skills zum Thema Daten.“

In Marketing & Sales und in Führungspositionen sei das ohnehin unabdingbar, um die richtigen Entscheidungen treffen zu können. „In unserem Kurzprogramm „Data Science“ etwa erfahren die Teilnehmer, was man bei der Qualität der Daten im Vorfeld beachten muss, wie man Datenanalyse größere Datenströme analysiert und mit welchen Tools man selbst Data Pipelines und Datenprozesse aufsetzen kann“, so Polleres und ergänzt: „Starten sollte man mit der Kompetenzbildung in Sachen Daten und Digitalisierung jedoch unbedingt bei den Führungskräften aus mittlerem und höherem Management, weil zur Transformation zu einem datengetriebenen Unternehmen fast immer die Unternehmenskultur der Schlüssel ist, die das Management vorgibt. Das gilt insbesondere auch für KMU.“

 5. Keine Angst vor Kundenreaktionen

Oft haben KMU Bedenken, Datenströme für die eigene Unternehmensführung und Optimierung von Kundenbeziehungen zu nutzen. Man hat schlicht Angst vor negativen Kundenreaktionen, doch: „Kunden haben nicht Probleme mit der Datennutzung der Unternehmen, sondern mit dem Missbrauch ihrer sensiblen Daten“, sagt Axel Polleres. Daher sei es umso wichtiger, über rechtliche Bedingungen, die Art der Datensammlung und den Zweck der Datenverwendung Bescheid zu wissen „und dem Kunden jederzeit Auskunft über die Verwendung der Daten geben zu können. Wenn man AI verwendet, muss man auch erklären können, wozu.“

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